Universität Wien

180071 SE Sprachphilosophie unter Berücksichtigung der Sprachstörungen (2022W)

Zur philosophischen Reflexion der Aphasie

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 18 - Philosophie
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 30 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Die Lehrveranstaltung wird hybrid angeboten, eine Teilnahme an den Sitzungen ist wahlweise vor Ort in Präsenz oder per Videokonferenz möglich.

Eine Ausnahme bildet der erste Termin am 10.10., der ausschließlich per Videokonferenz stattfindet.

Bitte stellen Sie für die Teilnahme per Video-Konferenz sicher, dass Ihr Mikrophon und Ihre Kamera funktionieren und dass Sie über eine stabile Internetverbindung verfügen.

Vor Ort gilt FFP-2-Maskenpflicht.
Bitte nehmen Sie im Fall des Vorliegens von Erkältungssymptomen oder bei bestätigter Covid-Infektion an der betreffenden Sitzung per Videokonferenz teil. Bitte beachten Sie die jeweils aktuellen Covid-Sicherheits-Regelungen der Universität Wien.

Montag 10.10. 08:00 - 09:30 Digital
Montag 17.10. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Montag 24.10. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Montag 31.10. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Montag 07.11. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Montag 14.11. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Montag 21.11. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Montag 28.11. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Montag 05.12. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Montag 12.12. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Montag 09.01. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Montag 16.01. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Montag 23.01. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Montag 30.01. 08:00 - 09:30 Hybride Lehre
Hörsaal 3F NIG 3.Stock

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Sprache prägt die menschliche Existenz. Sie ist eine basale Form der sozialen Interaktion, erfüllt wesentliche Funktionen in einer Reihe von kognitiven Prozessen, sie bestimmt unsere Identität, unser Selbstverhältnis und unseren Zugang zur Welt.

Aphasien sind neurogen bedingte Sprachstörungen, die nach erfolgtem Spracherwerb infolge von Schädigungen sprachrelevanter Areale im Gehirn meist plötzlich auftreten, verursacht insbesondere durch Schlaganfälle, aber auch durch eine Reihe von anderen Erkrankungen oder durch Unfälle. Wörtlich bezeichnet die Aphasie einen Verlust der Sprache, wobei dieser Verlust selbstverständlich sehr unterschiedlichen Ausmaßes sein kann.

Mit Blick auf die gegenwärtige (sprach-)philosophische Literatur überrascht, dass sie den Sprachstörungen vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit entgegenzubringen scheint, während auf der anderen Seite das medizinische und therapeutische Wissen über Sprachstörungen und ihre Behandlung wächst. In einschlägigen Kompendien zur gegenwärtigen Sprachphilosophie finden die Sprachpathologien wenig Aufmerksamkeit. Dies ist umso erstaunlicher, als eine schwere Sprachstörung beträchtliche subjektive, psychosoziale und lebensweltliche Konsequenzen hat, mithin zur philosophischen Reflexion herausfordert. Auch sprachphilosophische Kernfragen, wie die nach den Zusammenhängen von Sprache, Denken und Wahrnehmung, lassen sich ausgehend vom aktuellen Fachwissen über die Sprachstörungen, die von den Denkstörungen zu differenzieren sind, neu reflektieren.

Im Seminar sollen mögliche philosophische Zugänge zum Phänomen der aphasischen Störungen diskutiert werden. Im Zentrum steht ein Ansatz, der die geistige Dimension von Sprache im Zusammenhang mit organischen Faktoren betrachtet. Über kognitionswissenschaftliche Ansätze hinausgehend, werden schwere Sprachkrisen auch als gravierende existentielle Erfahrungen für Betroffene wie Angehörige in den Blick gerückt. Philosophisch wird ein Fokus auf der Phänomenologie des 20. Jahrhunderts liegen. Dieser historische Schwerpunkt ist dem Umstand geschuldet, dass sich insbesondere in den sprachphilosophischen Überlegungen von Ernst Cassirer (Philosophie der symbolischen Formen: Phänomenologie der Erkenntnis – 1929) und Maurice Merleau-Ponty (Phénoménologie de la Perception – 1945/Phänomenologie der Wahrnehmung – 1966) interessante Brückenschläge zwischen organischem und geistigem Leben finden. Beide nehmen in ihren Ausführungen zur Sprache auf die Aphasie und auf eine 1925 publizierte Schrift von Adhémar Gelb und Kurt Goldstein »Über Farbennamenamnesie« Bezug; eine Schrift, die sich auch in der Bibliothek von Sigmund Freud befand, der seinerseits bereits Jahrzehnte zuvor, im Jahr 1891, eine Frühschrift »Zur Auffassung der Aphasien« veröffentlicht hatte. Die historischen Texte sollen im Licht von aktuellen medizinischen, kognitionswissenschaftlichen oder logopädischen Forschungsbeiträgen gelesen und diskutiert werden.

Das Seminar zielt auf die Diskussion, wie sich organische Beeinträchtigungen des Sprachvermögens aus philosophischer Perspektive Seite fruchtbar reflektieren lassen. In den Blick rücken werden unter anderem: Zusammenhänge von Sprache, Wahrnehmung und Denken; Zusammenhänge von Sprache und Musik (wie sie in der Aphasie-Therapie relevant sind); Zusammenhänge von (begriffs-)sprachlichen und parasprachlichen Ausdrucksformen; das Verhältnis von Sprache und Subjektivität; ethische Fragestellungen im Zusammenhang mit Sprachstörungen (etwa Aspekte der Autonomie, der gesellschaftlichen Teilhabe und der Lebensqualität).

Zu Seminarbeginn werden durch die Lehrveranstaltungsleiterin kurze Einführungen in grundlegende Überlegungen der sprachphilosophischen Tradition (Herder, Humboldt, Schleiermacher, Wittgenstein, Austin, Plessner) und in Grundbegriffe der Aphasiologie gegeben. In weiterer Folge werden ausgewählte Texte selbständig zuhause gelesen und im Seminar diskutiert.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

1. Teilnahme an den Sitzungen

2. Beiträge zur Seminardiskussion (max. 15 Punkte)

3. Schriftliche Lektürereflexion im Umfang von 2–3 Seiten (max. 15 Punkte)

4. Schriftliche Präsentation einer selbstrecherchierten Forschungsliteratur zum Thema »Philosophische Reflexion der Sprachstörungen«. Die Literaturvorstellung kann (muss aber nicht) in die Seminararbeit einfließen. (max. 15 Punkte)

4. Seminararbeit im Umfang von 15–20 Seiten (max. 55 Punkte)

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

1. Teilnahme an den Sitzungen (max. 2x unentschuldigtes Fehlen)
und Seminardiskussionen
2. Schriftliche Präsentation einer Forschungsliteratur
3. Seminararbeit

Notenschlüssel:
1: 100–90 Punkte
2: 89–80 Punkte
3: 79–70 Punkte
4: 69–60 Punkte
5: 59–00 Punkte

Ein unentschuldigtes Fehlen in der ersten Einheit führt automatisch zur Abmeldung.

Prüfungsstoff

Siehe Literatur.

Es handelt sich um eine prüfungsimmanente Lehrveranstaltung.

Für die Abschlussarbeiten besteht die Möglichkeit, über die im Seminar diskutierte Literatur hinaus verwandte weitere Schriften zu fokussieren.

Literatur

(Vorläufige Auswahl)

Eine detaillierte Literaturübersicht wird zu Beginn des Semesters präsentiert. Die Texte und Textauszüge werden auf der moodle-Lernplattform zur Verfügung gestellt werden.

Baumgärtner, Annette und Anja Staiger: »Neurogene Störungen der Sprache und des Sprechens«, in: Neurologie up2date 2020 (03/02), Stuttgart/New York: Thieme 2020, 155–173
(DOI: 10.1055/a-0966-0974).

Bilda, Kerstin: Basiswissen Aphasie, München: Reichardt/UTB 2022 [= utb 5834].

Cassirer, Ernst: Philosophie der symbolischen Formen, Dritter Teil: Phänomenologie der Erkenntnis (1929), Text und Anmerkungen bearbeitet von Julia Clemens, Hamburg: Meiner 2010.

Freud, Sigmund: Zur Auffassung der Aphasien. Eine kritische Studie (1891), hg. v. Paul Vogel, München: Fischer 1992.

Gelb, Adhémar und Kurt Goldstein: »Über Farbennamenamnesie nebst Bemerkungen über das Wesen der amnestischen Aphasie überhaupt und die Beziehung zwischen Sprache und dem Verhalten zur Umwelt«, in: Psychologische Forschung 6 (1925), 127–186.

Jakobson, Roman, Kindersprache, Aphasie und allgemeine Lautgesetze (1941; übers. aus dem Russischen), Frankfurt/M: Suhrkamp 1969.

Lutz, Luise: Das Schweigen verstehen. Über Aphasie (1992), 4. überarb. Aufl., Berlin/Heidelberg: Springer 2010.

Merleau-Ponty, Maurice: Phänomenologie der Wahrnehmung (1945: Phénoménologie de la Perception, übers. v. Rudolf Boehm), Berlin: de Gruyter 1966 [Photomechanischer Nachdruck 1974].

Popper, Karl R. und John C. Eccles: Das Ich und sein Gehirn (1977: The Self and its Brain - An Argument for Interactionism, übers. v. Angela Hartung und Willy Hochkeppel), München: Piper 1982.

Schneider, Barbara, Meike Wehmeyer und Holger Grötzbach: Aphasie. Wege aus dem Sprachdschungel (2001), 6. überarb. Aufl., Berlin/Heidelberg: Springer 2014 [Praxiswissen Logopädie].

Schneider, Barbara, Meike Wehmeyer und Holger Grötzbach: Aphasie. ICF-orientierte Diagnostik und Theapie (2001), 7. überarb. Aufl., Berlin/Heidelberg: Springer 2021 [Praxiswissen Logopädie].

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Mo 04.09.2023 08:07