Universität Wien

180152 VO Rechtstheorie der Gegenwart (2012S)

3.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 18 - Philosophie

Hörsaalreservierung HS 2G Fr.20.4./1.6. von 16-22 Uhr.
HS 2G 21.4./2.6. von 9-15 Uhr.

Details


Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

H.L.A. Hart hat einmal treffend bemerkt, dass die Rechtswissenschaft wohl die einzige akademisch gepflegte Disziplin ist, die sich ihres Gegenstandes nicht sicher ist. Die Frage danach, was Recht ist, bzw: was Recht ausmacht, war und ist steter Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung. Und die Antworten, die im Einzelnen gegeben werden, sind noch zahlreicher als die vielen Schulen, die sich in diesem Diskurs herausgebildet haben. Dies ist auch und insbesondere bedeutsam für die Philosophie, der als "Metawissenschaft" auch die rechte Verortung des Rechts und der Rechtswissenschaften ein Anliegen sein muss, kann doch Recht gleichermaßen als Allokation von Freiheitspositionen, als Reflexion faktischer Machtverhältnisse oder etwa als Produkt gesatzter Erzeugungsbedingungen auf Basis der Voraussetzung einer fiktiven Urnorm beschrieben werden. Ein kohärenter Rechtsbegriff ist damit, je nach der Perspektive aus der man sich dem Phänomen nähert, entweder unabdingbare Voraussetzung jeder Auseinandersetzung mit dem Gegenstand, heuristisch anzustrebendes Ideal oder schlicht wissenschaftliche Utopie.
Dennoch oder vielleicht gerade auf Grund dieser zum Teil völlig gegenläufigen Auffassungen davon, was Recht ist, beherrscht die Auseinandersetzung um die Deutungshoheit des Phänomens nach wie vor die Diskussion in akademischen Zirkeln. Die dabei vorgebrachten Argumente wurzeln vielfach im (frühen) 20. Jahrhundert. Die Ansätze zu diskutieren, auf die sie zurückgehen, soll das Ziel der Lehrveranstaltung sein. Gemeinsam mit den Studierenden sollen die wirkmächtigsten Positionen erarbeitet, einander gegenübergestellt und auf ihre moralphilosophischen Implikationen befragt werden.
Dabei rücken zum einen rechtspositivistische Ansätze in den Blick wie etwa die Reine Rechtslehre Hans Kelsens oder die analytische Rechtstheorie eines H.L.A. Hart sowie, in Fortsetzung davon, eines Joseph Raz.
Zum anderen soll auch der Kritik, die gegen den Rechtspositivismus von so unterschiedlichen Seiten wie Carl Schmitts Denken der Macht, der Souveränität und des Ausnahmezustandes oder Gustav Radbruchs Wiederaufnahme naturrechtlicher Positionen vorgebracht wurde, breiter Platz eingeräumt werden.
Schließlich gilt es, jüngere Ansätze, wie sie etwa in den USA im Rahmen der Prinzipientheorie Ronald Dworkins entwickelt und von Robert Alexy in die deutschsprachige Rechtstheorie eingeführt worden sind, entsprechend zu berücksichtigen.
Der Sache nach geht es dabei um eine Annäherung an das Phänomen Recht aus verschiedenen Perspektiven, namentlich um seine Analyse als Geflecht normativer Sätze sowie um die Frage nach dem Ursprung, d.h. nach dem normativen Ankerpunkt des Rechts. Darüber hinaus gilt es das Recht zu anderen Normensystemen wie etwa Moral, Sitte, Brauch sowie zu sozialwissenschaftlichen Disziplinen, allen voran der Soziologie, in Beziehung zu setzen. Vor diesem Hintergrund ist auszuloten, welchen Platz im normativen Kosmos verschiedene rechtsphilosophische Positionen dem Recht zugewiesen haben und worin jeweils die Stärken und Schwächen der verschiedenen Herangehensweisen liegen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Die Leistungskontrolle erfolgt im Rahmen einer schriftlichen Prüfung.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsstoff

Die Lehrveranstaltung ist als einführende Vorlesung für Bachelorstudierende in Philosophie konzipiert. Von einem einführenden Block zu Beginn der jeweiligen Einheit abgesehen soll die Lehrveranstaltung Raum bieten, die behandelten Theorien zu diskutieren, Vor- und Nachteile der jeweiligen Konzeptionen gegenüberzustellen sowie Gegenpositionen zu entwickeln. Besonderes Augenmerk gilt jeweils den moralphilosophischen Implikationen der verschiedenen rechtstheoretischen Ansätze, d.h. dem Blick auf das Verhältnis verschiedener Konzeptionen von Recht zu anderen Normensystemen, sowie den sozialwissenschaftlichen Bezügen, die von verschiedenen Theorien hergestellt bzw. (z.B. als reduktionistisch) kritisiert werden.

Literatur

Alexy, Robert, Begriff und Geltung des Rechts (1992)

Alexy, Robert, Theorie der Juristischen Argumentation (1983)

Dworkin, Ronald, Taking Rights Seriously (1977)

Dworkin, Law’s Empire (1986)

Hart, HLA, The Concept of Law (1961)

Kelsen, Hans, Die Reine Rechtslehre (11934)

Kelsen, Hans, On The Basic Norm 47 Cal. L. Rev. (1959) 107

Kelsen, Hans, On the Pure Theory of Law, 1 Isr. L. Rev. (1966) 1

Kelsen, Hans, Allgemeine Theorie der Normen (1979)

Radbruch, Gustav, Rechtsphilosophie (1932)

Radbruch, Gustav, Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, in: Süddeutsche Juristenzeitung (1946) 105

Raz, Joseph, The Morality of Freedom (1986)

Raz, Joseph, The Concept of a Legal System (1980)

Schmitt, Carl, Verfassungslehre9 (2003)

Schmitt, Carl, Legalität und Legitimität5 (1993)

Schmitt, Carl, Politische Theologie6 (1993)


Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

BA M 6.4

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:36