Universität Wien

180170 VO-L Gewalt als philosophisches Problem (2020W)

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 18 - Philosophie

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Details

Sprache: Deutsch

Prüfungstermine

Lehrende

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Online-Veranstaltung

  • Donnerstag 08.10. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 15.10. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 22.10. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 29.10. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 05.11. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 12.11. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 19.11. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 26.11. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 03.12. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 10.12. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 17.12. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 07.01. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 14.01. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 21.01. 12:00 - 14:00 Digital
  • Donnerstag 28.01. 12:00 - 14:00 Digital

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Diese Vorlesung mit erweitertem Lektüreprogramm setzt es sich zur Aufgabe, Gewalt als ein genuin philosophisches Problem zu fokussieren. Ihr Ziel besteht darin, zentrale philosophische und insbesondere moralphilosophische Fragestellungen, die im Rahmen der Gewaltforschung auftreten, in deren Rahmen jedoch zumeist unaufgemerkt verbleiben, systematisch ans Licht zu bringen und einer kritischen Reflexion zu unterziehen.
Im Zentrum der VO stehen zwei Fragen: Erstens die Frage danach, wie vielfältige Gewalt, die die Ökonomie des Sinnes und Verstehens offenbar unterbricht und möglicherweise zerstört, thematisiert werden kann: Lässt sich Gewalt überhaupt sinnhaft auslegen und explizieren, oder bleibt sie, wie Phänomene exzessiver und sog. sinnloser Gewalt suggerieren, stets ein Fremdkörper in rationalen bzw. normativen Ordnungen des Verstehens? Dass Gewalt in menschlichen Sinnordnungen als (mindestens potenzielle) Drohung der Unordnung bzw. legitime Gegengewalt gleichwohl (immer schon) impliziert ist, dass sie also ein Phänomen einschließender Ausschließung darstellt, das für das Funktionieren sozialer und politischer Ordnungen konstitutiv ist, weist in eine andere Fragerichtung: die der Rationalisierung, Funktionalisierung und "Ökonomisierung" von Gewalt für die Genese und Erhaltung von sozialen und gesellschaftlichen Formationen.
Die VO-L setzt es sich zum Ziel, das damit angezeigte, problematische Zusammenspiel von Nicht-Sinn und Sinn der Gewalt sowohl theoretisch-systematisch als auch praktisch im Rahmen einer Analyse verschiedener Gewaltformen (interaktiv, sozial, organisiert) herauszuarbeiten. Dieses Problem zeigt sich in paradigmatischer Weise im Kampf um die Definitionshoheit über Gewalt, d.h. in Bezug auf die Frage danach, was (nicht) als Gewalt gilt bzw. wahrgenommen wird. In diesem Zusammenhang werden i.R. der VO klassische Diskurse der Gewaltrechtfertigung kritisch aufgearbeitet, die allzu schnell die blinden Flecke jener Ordnungen selbst verschließen, d.h. ihre ordnungssetzende und ordnungserhaltende Gewalt, die sich selbst als Gewalt (so etwa in rechtlichen, religiösen oder kulturellen Ordnungen) aufzuheben vorgibt - und dies im Zeichen legitimer Gegen-Gewalt, die auf eine vorgängige illegitime, angreifende, "böse" etc. Gewalt bloß antwortet.
Die VO zielt vor diesem Hintergrund darauf, zentrale Aporien des Denkens über Gewalt (physisch vs. psychisch; instrumentell vs. sinnlos; natürlich-barbarische Her- bzw. Wiederkunft vs. kulturell-rationale Einhegung von Gewalt; kollektivistisch-holistische vs. individualisierende Erklärung von Gewalt; Naturalisierung vs. Kulturalisierung von Gewaltverhältnissen; Historisierung vs. Essentialisierung der Gewalt; Normalisierung vs. Singularisierung von Gewaltereignissen; der Zirkel ursprüngliche Gewalt der anderen vs. legitime Gegengewalt) kritisch zu hinterfragen.

Die VO setzt es sich zum Ziel, einen Überblick über den gegenwärtigen philoophischen Gewltiskurs zu geben. Grundlegende Voraussetzungen zu einer eigenständigen Auseinandersetzung mit diesem ebenso umstrittenen wie philosophisch lange Zeit oft marginalisierten Phänomen sollen so erarbeitet werden.

Aufgrund von COVID-19 werden die Inhalte der VO online präsentiert. Ergänzend wird in Form eines Flipped-Classroom Systems gearbeitet: Studierende erhalten so die Möglichkeit, die behandelten Texte nachzubereiten und Fragen zu präsentieren, über die dann diskutiert wird.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Schriftliche Prüfung (online, Open.Book-Format , in der neben dem Verständnis der vermittelten Inhalte dezidiert auch die zusätzliche eigene Leseleistung befragt wird.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Grundlegende Kenntnis der vermittelten Inhalte, die in Form von Verständnisfragen abgefragt wird und in essayartiger Form dokumentiert werden soll.

Prüfungsstoff

Prüfungsstoff sind die in der VO behandelten Inhalte (ALLE in Moodle greifbar) sowie ein eigenständig erarbeiteter, diese Inhalte vertiefender ( bzw. nach Rücksprache auch erweiternder) Themenschwerpunkt.

Literatur

Ein repräsentativer Reader wird zu Semesterbeginn zur Verfügung gestellt.

G. AGAMBEN, Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt/M. 2002
A.APPADURAI, Fear of small numbers: An essay in the geography of anger. Durham 2004
H. ARENDT, Macht und Gewalt, München 2000
A. Blok, „The Enigma of Senseless Violence“, in: G. Aijmer, J. Abbink (Hg.): Meanings of Violence. A Cross Cultural Perspective. Oxford & New York 2000, 23-38
C. BRUNNER, Epistemische Gewalt. Bielefeld: Transcript 2020.
J. BUTLER, Gefährdetes Leben. Politische Essays, Frankfurt/M. 2005
A. CAVARERO, Horrorism. Naming Contemporary Violence, New York 2009
M. CREPON, Murderous Consent: On the Accommodation of Violent Death. New York 2019
V. DAS, A. KLEINMAN, M. RAMPHELE (eds.), Violence and Subjectivity, Berkeley et al. 2000
P. DELHOM, "Verletzungen", in: Dabag, Kapust, Waldenfels (Hg.), Gewalt, op. cit., 279-96.
J. DERRIDA, Gesetzeskraft. der 'mystische Grund der Autorität'. Frankfurt 1991 [Teil I: 7-59]
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F. FANON, Schwarze Haut, weiße Masken, Frankfurt/M: 1980.
—, Die Verdammten dieser Erde, Frankfurt/M.: Suhrkamp 1981
P. FARMER, 2004. An anthropology of structural violence. Current Anthropology 45/3(2004): 305–317.
J. GALTUNG, Strukturelle Gewalt, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1975
B. GOLDSTONE, “Secularism, ‘religious violence,’ and the liberal imaginary”, in: M. Dressler & A.-P. S. Mandair (Hg.). Secularism and Religion-Making. Oxford 2011, 104-124.
S. K. HERRMANN, S. KRÄMER, & H. KUCH (Hg.),, Verletzende Worte. Die Grammatik sprachlicher Misachtung, Bielefeld 2007.
HIRSCH, Recht auf Gewalt? Spuren philosophischer Gewaltrechtfertigung nach Hobbes, München 2004.
HONNETH., „Integrität und Missachtung. Grundmotive einer Moral der Anerkennung.“ Merkur. Zeitschrift für europäisches Denken 44. JG (Dez. 1990), 1043-1054
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A. KLEINMAN, „The Violences of Everyday Life. The Multiple Forms and Dynamics of Social Violence,” in: V. Das et al. (Hg.), Violence and Subjectivity, Berkeley et al. 2000, 226-241
B. LIEBSCH,, Unaufhebbare Gewalt: Umrisse einer Anti-Geschichte des Politischen, Weilerswist 2015
M. LORENZ, „Physische Gewalt – ewig gleich? Historische Körperkontexte contra absolute Theorien“, in: Wiener Zeitschrift zur Geschichte der Neuzeit 4. JG/2 (2004), 9-24
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J.-P. REEMTSMA, Vertrauen und Gewalt. Versuch über eine besondere Konstellation der Moderne, Hamburg 2008
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N. WHITEHEAD, "Violence and cultural order." Daedalus, Winter 2007: 40-50
—, "Divine Hunger, The Cannibal War Machine." (available at the internet: https://www.academia.edu/701130/Divine_Hunger_-_The_Cannibal_War_Machine. Zugriff 15.01.2019) (Spanish print version: Hambre divina: la máquina de guerra caníbal. Mundo Amazónico 4(2013):7-30.
M. WIEVIORKA, Die Gewalt, Hamburg 2007
S. ŽIŽEK, Gewalt. Sechs abseitige Reflexionen. Berlin 2011

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Fr 12.05.2023 00:18