Universität Wien

210098 LK BAK5: Theoriegeschichte und Theoriedebatten (2022W)

6.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 21 - Politikwissenschaft
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung
VOR-ORT

Eine Anmeldung über u:space innerhalb der Anmeldephase ist erforderlich! Eine nachträgliche Anmeldung ist NICHT möglich.
Studierende, die der ersten Einheit unentschuldigt fernbleiben, verlieren ihren Platz in der Lehrveranstaltung.

Achten Sie auf die Einhaltung der Standards guter wissenschaftlicher Praxis und die korrekte Anwendung der Techniken wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens.
Plagiierte und erschlichene Teilleistungen führen zur Nichtbewertung der Lehrveranstaltung (Eintragung eines 'X' im Sammelzeugnis).
Die Lehrveranstaltungsleitung kann Studierende zu einem notenrelevanten Gespräch über erbrachte Teilleistungen einladen.

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 50 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Mittwoch 12.10. 18:30 - 20:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
  • Mittwoch 19.10. 18:30 - 20:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
  • Mittwoch 09.11. 18:30 - 20:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
  • Mittwoch 16.11. 18:30 - 20:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
  • Mittwoch 23.11. 18:30 - 20:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
  • Mittwoch 30.11. 18:30 - 20:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
  • Mittwoch 07.12. 18:30 - 20:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
  • Mittwoch 14.12. 18:30 - 20:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
  • Mittwoch 11.01. 18:30 - 20:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
  • Mittwoch 18.01. 18:30 - 20:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
  • Mittwoch 25.01. 18:30 - 20:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Der Körper nimmt in der klassischen Politischen Theorie eine paradoxe Stellung ein: Einerseits wird er als natürlich, d.h. sich außerhalb des Politischen befindend, vorausgesetzt, andererseits fungiert er als Legitimationsgrund und Ziel politischer Ordnungen. So findet man bereits im antiken und mittelalterlichen politischen Denken die Metapher der body politic, welche später in modernen Vertragstheorien als Metapher für die Ordnung des Gemeinwesens nach Vorbild eines vereinten Kollektivkörpers dient. In prominenter Weise etwa bei Thomas Hobbes, der den Staat (oder Leviathan) als „künstlichen Menschen“ beschreibt, als „Body Politic“, in dem die Souveränität „eine künstliche Seele dar[stellt], die dem ganzen Körper Leben und Bewegung gibt“ (Hobbes 1976, 5). Bei John Locke und Jean-Jaques Rousseau finden sich ebenfalls Bezugnahmen auf den Körper mit jeweils unterschiedlichen Schlagrichtungen: Während Locke den Individualkörper als erstes Eigentum des Menschen zum Ausgangspunkt einer auf Besitzrecht gründenden politischen Gemeinschaft erklärt, tritt der Körper bei Rousseau vor allem „als politischer Körper der Volkssouveränität“ (Ludwig 2021, 649) auf den Plan.

Mit Fokus auf die Frage nach der politischen Bedeutung von (Individual- und Gesellschafts-)Körpern verfolgt die Lehrveranstaltung das Ziel, die kritische Auseinandersetzung mit kanonischen Texten der Politischen Theorie anzuregen und zu vertiefen. Darüber hinaus sollen zeitgenössische postsouveräne, v.a. (queer)feministische, antirassistische und dekoloniale Theorieansätze (u.a. von Carole Pateman, Charles Mills, Michel Foucault, Judith Butler, Elsa Dorlin, Silvia Federici und Verónica Gago) eine gewichtige Rolle spielen. Letztere stellen eine zentrale Erweiterung und Herausforderung der Politischen Theorie und Ideengeschichte dar. Sie zeigen erstens auf, inwieweit auch noch der vermeintlich natürliche Körper Produkt eines historischen und politisch motivierten Konstruktionsprozesses ist. Welche Körper als Vorbilder für das Gemeinwesen in Frage kommen, wird, so die Argumentation, noch vor dem Gesellschaftsvertrag entlang geschlechtlicher, rassialer und ableistischer Demarkationslinien festgelegt. Damit verfestigt die klassische Politische Theorie nicht nur realpolitische Ausschlüsse, sondern produziert diese auch. Denn die imaginären Entwürfe einheitlicher Kollektivkörper wirken wiederum auf die Konstitution politischer Subjektivität zurück. Zweitens gelangen ausgehend von dieser Diagnose aber auch andere plurale und egalitärere Körperkonzeptionen in den Blick, welche wiederum egalitärere Entwürfe des Politischen ermöglichen.

Der Lektürekurs soll dazu anleiten, Argumentationsstrukturen, Thesen, Fragestellungen und Begrifflichkeiten sowohl klassischer als auch zeitgenössischer politisch-theoretischer Texte zu erfassen, zu analysieren und zu kritisieren. Vor allem die Frage nach der Wirkmächtigkeit und Aktualität Politischer Theorie wird dabei einen zentralen Stellenwert einnehmen. So erscheint das Nachdenken über body politics insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Krisen wie der Covid-19 Pandemie oder der sich global ausdehnenden Beschneidung reproduktiver Rechte als unhintergehbar.

Didaktische Kernelemente bilden – neben der gemeinsamen Diskussion im Seminar – die intensive Textlektüre, das regelmäßige Verfassen von Lektürekommentaren oder anderen schriftlichen Übungen und das Halten eines kurzen Impulsreferates.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

- aktive Mitarbeit: Diskussionen in Kleingruppen und im Plenum
- regelmäßige Lektüredokumentationen der Seminartexte
- Präsentation
- Seminararbeit

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Anwesenheit (max. zwei unentschuldigte Fehleinheiten)

- Mitarbeit (30%): mündliche Beiträge; wöchentliche Lektürekommentare und andere schriftliche Übungen auf Moodle (ca. 1000–2000 Zeichen, inkl. Leerzeichen)
- Impulsreferat (20%): Das Referat wird in Kleingruppen gehalten und soll insg. nicht länger als 15 min. dauern
- Abschlussarbeit (50%): 8- bis 10-seitiger Essay

Prüfungsstoff

Alle in der Lehrveranstaltung durchgenommenen Texte und Inhalte

Literatur

Die Literatur kann sich bis zu Beginn der Lehrveranstaltung noch geringfügig verändern bzw. ergänzt werden. Die zu lesenden Texte und weitere Informationen finden Sie auf der Moodle-Lernplattform des Seminars.

Aristoteles: Politik. Übers. v. Eugen Rolfes. Hamburg: Felix Meiner 1995.
Butler, Judith: „Gewalt, Trauer, Politik“, in: Dies.: Gefährdetes Leben. Politische Essays. Frankfurt/M. 2005.
Butler, Judith: „Rethinking Vulnerability and Resistance“, in: Judith Butler, Zeynep Gambetti und Leticia Sabsay (Hg.): Vulnerability in Resistance, New York: Durham 2016.
Dorlin, Elsa: „Der Staat oder das Nicht-Monopol der legitimen Verteidigung“, in: Selbstverteidigung eine Philosophie der Gewalt. Berlin: Suhrkamp 2020.
Federici, Silvia: Caliban und die Hexe. Frauen, der Körper und die ursprüngliche Akkumulation. Wien: Mandelbaum 2012.
Foucault, Michel: „Vorlesung vom 17. März 1976“, in: In Verteidigung der Gesellschaft. Frankfurt/M. Suhrkamp 2001.
Gago, Verónica: „Körper-Territorium. Der Körper als Schlachtfeld“, in: Für eine feministische Internationale. Wie wir alles verändern. München: Unrast 2021.
Govrin, Jule: Politische Körper. Von Sorge und Solidarität. Berlin: Matthes & Seitz 2022.
Hobbes, Thomas: Menschliche Natur und Politischer Körper. Hamburg: Felix Meiner 2019.
Mills, Charles: The Racial Contract. New York/London: Cornell University Press 1997.
Locke, John: „Über den wahren Ursprung, die Reichweite und den Zweck der staatlichen Regierung“, in: Zwei Abhandlungen über die Regierung. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1998.
Ludwig, Gundula: „Körper und politische (An-)Ordnungen. Zur Bedeutung von Körpern in der modernen westlichen Politischen Theorie“, in: Politische Vierteljahresschrift. 62. 2021.
Münkler, Herfried/Straßenberger, Grit: Politische Theorie und Ideengeschichte. Eine Einführung. München: C.H. Beck 2016.
Pateman, Carole: The Sexual Contract. Stanford: Stanford University Press 1988.
Rousseau, Jean-Jacques: Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze des Staatsrechtes. Stuttgart: Reclam 2010.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Fr 18.11.2022 05:08