230129 SE Funktionen und Folgen organisationaler Grenzstellen (2010S)

Die Sprachfähigkeit nach Außen ist eines jener zentralen Merkmale, das formale Organisationen von anderen Formen sozialer Systeme (wie Interaktionen; Gruppen; gesellschaftliche Funktionssysteme) unterscheidet. Grenzstellen sind organisationale Stellen, die speziell für diesen Außenkontakt ausdifferenziert sind. Einerseits lösen sie damit Probleme der Organisation, da sie die Organisation nach Außen darstellen und im besten Lichte präsentieren können. Andererseits versorgen sie die Organisation aber auch mit Problemen, da sie als 'Antennen des Systems' (Luhmann) Umweltansprüche in die Organisation weitergeben können. Aus diesem widersprüchlichen Anforderungsprofil - einerseits die Organisation von Problemen zu entlasten, sie aber andererseits mit (problematischen) Informationen über die Umwelt zu versorgen - erwachsen organisationale Strukturprobleme, welche nicht abschließend (etwa durch Formalisierung) gelöst, sondern lediglich kontinuierlich bearbeitet werden können. Umgekehrt konfrontiert dieser Stellentypus aber auch die Grenzstelleninhaber mit widersprüchlichen Erwartungen aus der Organisation sowie der organisationalen Umwelt. Grenzstellenarbeit nötigt daher immer wieder auch zu formal nicht gedecktem Handeln. Angesichts dieses voraussetzungsvollen Arrangements stellt sich die Frage, wie es Organisationen dennoch gelingt, ihre Außenkontakte unter Inanspruchnahme von Grenzstellen zu organisieren.
Die zentralen Fragen des Seminars lauten daher:
- Worin genau besteht das Problem für die Organisation / die Grenzstelleninhaber?
- Wie lösen Organisationen und Grenzstelleninhaber diese Probleme - mit welchen Folgeproblemen?
Diese Fragen sollen sowohl theoretisch - auf der Grundlage der Lektüre ausgewählter Texte - als auch empirisch - auf der Grundlage eigener kleiner Erhebungen - entfaltet und bearbeitet werden.