020001 SE Deepening Seminar on Systematic-Theological Research (2025W)

Trotz seiner fachlichen Verankerung in der neutestamentlichen Exegese zeigte Rudolf Bultmann ein starkes Interesse an systematisch-theologischen Fragestellungen. Anders als manche seiner Zeitgenossen hielt er einen „religionsphilosophischen Unterbau“ der Theologie zwar für „unmöglich“ – was aber nicht heißt, dass er sich jedwedem philosophischen Einfluss entzogen hätte. Dies zeigt sich an seiner Auseinandersetzung mit der Existenzphilosophie Martin Heideggers, wobei er ihm diesem nicht unkritisch folgt, sondern in seiner Umdeutung das durch den Glauben bestimmte Dasein, das „je meines ist“, in den Fokus rückt.

Der Glaube und seine Wahrheit sind stets auf das konkrete Dasein bezogen. Diese Denkweise prägt auch sein Entmythologisierungsprogramm. Für den modernen, wissenschaftlich geprägten Menschen ist die mythische Welt der Bibel nicht mehr ohne Weiteres verständlich, doch für Bultmann impliziert das keineswegs einen Bedeutungsverlust des Glaubens. Gott ist nämlich kein Prinzip der Welt, „von dem aus die Welt und unsere Existenz verständlich“ wird, beim Glauben geht es um die „Bestimmtheit unserer Existenz durch Gott“. Was diese Verschiebung für das theologische Selbstverständnis bedeutet – auch in Hinblick auf die Frage, was das für Theologen und Theologinnen im 21. Jahrhundert bedeutet –, soll im Seminar ausführlich diskutiert werden. Dazu werden neben den Beiträgen von Bultmann auch seine Bezüge auf Martin Heidegger und deren gemeinsamen Schüler Hans Jonas kritisch beleuchtet.