010010 VO Theologische Anthropologie und Gnadenlehre (2015S)

Karl Rahner hat die wegweisende Forderung aufgestellt, die Theologie müsse ihre Aussagen so formulieren, dass der Mensch merken kann, wie das in ihnen Gemeinte mit seinem Selbstverständnis zusammenhängt;. Demnach ist die Theologische Anthropologie der systematische Ort, an dem die existenzielle Bedeutung des christlichen Glaubens aufzuweisen ist. Denn die Frage nach Gott und die Frage des Menschen nach sich selbst sind untrennbar verbunden: Ist der Mensch nur Produkt des Zufalls, ins Dasein geworfen oder frei gewolltes Geschöpf? Gibt es einen letzten Grund und Sinnhorizont menschlicher Existenz? Inwiefern ist der Mensch auf Gott hingeordnet, ansprechbar für seine Offenbarung und Gnade? Wie kann er überhaupt als endliches, vielfach bedingtes Geschöpf der Hörer und Adressat eines unbedingten, göttlichen Offenbarungswortes sein? Und wie kann vor dem Forum der fragenden Vernunft begründet werden, dass gerade das Ereignis der Selbstmitteilung Gottes in Jesus Christus die Erfüllung der menschlichen Bestimmung ist? Wie hängen schließlich diese Fragehorizonte zusammen mit anthropologischen Grundbegriffen wie "Gottebenbildlichkeit", "Seele", "Leib", "Freiheit", "Sünde" und "Erbsünde"?
Die Vorlesung geht diesen und weiteren Fragen nach, indem klassische sowie aktuelle Entwürfe Theologischer Anthropologie vorgestellt und hinsichtlich ihrer hermeneutischen Erschließungskraft für das Selbst- und Weltverständnis des Menschen diskutiert werden.