Universität Wien

030201 KU Unfreie Arbeit: Rechtsphilosophische Perspektiven (2023S)

3.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 3 - Rechtswissenschaften
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 40 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

In der Vorbesprechung am 8.3. wird das Programm vorgestellt und die Themen für die Kurzreferate/Textkommentare vergeben, das Einbringen eigener Themenideen ist willkommen.

Mittwoch 08.03. 15:00 - 16:00 Seminarraum SEM34 Schottenbastei 10-16, Juridicum, 3.OG (Vorbesprechung)
Mittwoch 15.03. 15:00 - 18:00 Seminarraum SEM34 Schottenbastei 10-16, Juridicum, 3.OG
Mittwoch 29.03. 15:00 - 18:00 Seminarraum SEM34 Schottenbastei 10-16, Juridicum, 3.OG
Mittwoch 03.05. 15:00 - 18:00 Seminarraum SEM34 Schottenbastei 10-16, Juridicum, 3.OG
Mittwoch 17.05. 15:00 - 18:00 Seminarraum SEM34 Schottenbastei 10-16, Juridicum, 3.OG
Mittwoch 31.05. 15:00 - 18:00 Seminarraum SEM34 Schottenbastei 10-16, Juridicum, 3.OG
Mittwoch 07.06. 15:00 - 18:00 Seminarraum SEM34 Schottenbastei 10-16, Juridicum, 3.OG

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Obwohl Sklaverei und andere unfreie Arbeitsverhältnisse rechtlich verboten sind, arbeiten bis heute Millionen von Menschen unter Zwang. In der Lehrveranstaltung werden verschiedene theoretische Ansätze vorgestellt, die versuchen Erklärungen für die Beharrlichkeit unfreier Arbeit zu liefern. Die ausgewählte Theorie wird dabei mit aktuellen Fallbeispielen und den sie begleitenden Rechtsfragen zusammengedacht. Ausgehend von der Auseinandersetzung mit der historischen Genese des freien Arbeitsvertrags und den Begriffen Zwang und Freiheit im Kontext des Arbeitsverhältnisses werden konkrete historische und aktuelle Beispiele unfreier Arbeit in den Blick genommen.

Lange wurde in der klassischen Ökonomie davon ausgegangen, dass sich der Kapitalismus durch die Abschaffung unfreier Arbeit, wie Sklaverei oder Frondienst, auszeichnet, doch bringen neuere historisch-soziologische Arbeiten diese Auffassung ins Wanken. Sie zeigen, dass kapitalistische Produktionsverhältnisse bis in die Gegenwart von verschiedensten Formen der Zwangsarbeit durchzogen sind. Entsprechend verlief auch die Rechtsentwicklung von statusgebundenen unfreien Arbeitsverhältnissen im Feudalismus hin zum freien Arbeitsvertrag nicht linear, was insbesondere deutlich wird, wenn die im Kolonialismus entstehende internationale Arbeitsteilung miteinbezogen wird, die bis heute nachwirkt.

Rechtlich vermittelte Autonomiebeschränkungen können beim Eintritt, bei der Gestaltung und bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen vorliegen. Unter dem – durchaus umstrittenen – Begriff der „modernen Sklaverei“ werden verschiedene Formen rechtswidriger Ausbeutung kritisiert. Zugleich ist ein bestimmtes Maß an Fremdbestimmung auch für legale abhängige Arbeitsverhältnisse wesensmäßig. Das Machtungleichgewicht zwischen Arbeitnehmer*in und Arbeitgeber*in legitimiert die Beschränkung der Privatautonomie durch Arbeitsschutzrechte und ökonomische Zwänge spielen im Kontext Erwerbsarbeit sowieso immer eine Rolle. Zudem sind aber auch Migrationsregime, rassistische Zuschreibungen und Ausschlüsse im Arbeits- und Sozialrecht sowie die Vergeschlechtlichung bestimmter Tätigkeitsfelder von immenser Bedeutung. Eine große Rolle spielen daher intersektionale rechtstheoretische Ansätze, die sichtbar machen wie rechtliche und außerrechtliche Normengefüge zusammenwirken und insbesondere marginalisierte Gruppen in unfreie Arbeitsverhältnisse drängen.

Lehrziel

Die Studierenden nähern sich aus verschiedenen Blickwinkeln der Grundproblematik unfreier Arbeit und der Entstehung des modernen Arbeitsrechts. Sie sollen dadurch ein theoretisches Rüstzeug entwickeln, das es ermöglicht, rechtswissenschaftliche Untersuchungen gegenwärtiger Arbeitsverhältnisse theoretisch einzubetten. Beispiele sind etwa Gefängnisarbeit, Migrations- und Gastarbeiter*innenregimes im Kontext von „Domestic Work“ oder Erntearbeit, oder auch Sexarbeit. Ausdrücklich willkommen ist das Einbringen von Themenschwerpunkten seitens der Studierenden.

Methoden

Die Lehrveranstaltung ist als Lektürekurs angelegt. Dabei werden mit den Studierenden Grundlagentexte aus der Rechtsphilosophie und politischen Philosophie gelesen. Darüber hinaus sollen die theoretischen Erkenntnisse in die Analyse und Diskussion gegenwärtiger Phänomene unfreier Arbeit einfließen. Ausgewählte Texte (deutsch und englisch) werden vorbereitend auf die jeweiligen Einheiten gelesen und bilden die Grundlage zur gemeinsamen Diskussion. Ergänzend übernehmen Studierende individuell oder in kleineren Gruppen Kurzreferate zu aktuellen Phänomenen unfreier Arbeit/Rechtsprechung/Textkommentare/uä. Die Themen dazu werden in der Vorbesprechung am 8.3. vergeben, das Einbringen eigener Themenideen ist willkommen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Die Beurteilung setzt sich wie folgt zusammen:
- Anwesenheit ist eine Mindestanforderung für eine positive Beurteilung.
- begleitende Aufgaben zu den Texten (zB Lesenotizen, Kurzzusammenfassungen, etc)
- aktive Teilnahme an gemeinsamen Diskussionen
- Kurzreferat

Prüfungsstoff

Literatur

Vorläufige Literaturauswahl (nur ein Teil davon wird Pflichtlektüre sein)

Blackett, Adelle; Duquesnoy, Alice (2021) Slavery Is Not a Metaphor: U.S. Prison Labor and Racial Subordination Through the Lens of the ILO’s Abolition of Forced Labor Convention, UCLA Law Review 1504, 67-147.

LeBaron, Genevieve & Nicola Phillips (2018): States and the Political Economy of Unfree Labour, in: New Political Economy, 1-21.

Pavlou, Vera (2016): Migrant domestic workers, vulnerability and the law: immigration and employment laws in Cyprus and Spain, in: Investigaciones Feministas, Vol. 7/1, 149-168.

Glenn, Evelyn Nakano, Forced to Care. Coercion and Caregiving in America, Harvard University Press 2010.

Haskins, Victoria; Lowrie, Claire (eds.), Colonization and Domestic Service. Historical and Contemporary Perspectives, Routledge 2015.

Herrmann-Otto, Elisabeth (Hrsg.) (2005): Unfreie Arbeits- und Lebensverhältnisse von der Antike bis in die Gegenwart. Eine Einführung, Hildesheim.

Hussain, Nasser (2003): The Jurisprudence of Emergency: Colonialism and the Rule of Law, Michigan.

Keiser, Thorsten (2013): Vertragszwang und Vertragsfreiheit im Recht der Arbeit von der Frühen Neuzeit bis in die Moderne, Frankfurt am Main.

Mantouvalou, Virginia (2006): Servitude and Forced Labour in the 21stCentury: The Human Rights of Domestic Workers, Industrial Law Journal 35, 395.

Parrenas, Rachel Salazar (2022): Unfree. Migrant Domestic Work in Arab States, Stanford University Press.

Pierson, Thomas (2016), Das Gesinde und die Herausbildung moderner Privatrechtsprinzipien, Frankfurt am Main.

Stanley, Amy Dru (1998) From bondage to contract: wage labor, marriage, and the market in the age of slave emancipation, Cambridge.

Steinfeld, Robert J. (1991): The Invention of Free Labor: The Employment Relation in English & American Law and Culture, 1350-1870, Chapel Hill/London.

Steinfeld, Robert J. (2001): Coercion, Contract, and Free Labor in the Nineteenth Century, Cambridge.

Tayyab, Mahmud (2013): Cheaper Than a Slave: Indentured Labor, Colonialism, and Capitalism, in: Whittier Law Review, Vol. 34/2, 215-243.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Fr 24.02.2023 12:48