Universität Wien

030622 VO Evolution und biologische Grundlagen menschlichen Verhaltens (2023W)

3.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 3 - Rechtswissenschaften

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Sprache: Deutsch

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Der erste Teil der Vorlesung wird sich mit den Grundlagen der Evolutionsbiologie befassen, insbesondere mit den Mechanismen, die die Evolution allen Lebens und insbesondere die Evolution des Menschen bedingt haben.
Ganz wesentlich ist in diesem Zusammenhang die Betonung, dass, nur weil wir und unsere Einstellungen und Verhaltensweisen u.a. auch das Ergebnis der biologischen Evolution sind, dies nicht „unser Schicksal“ ist, im Gegenteil, es ist der Zivilisation und insbesondere dem Recht gelungen, unsere „biologischen Prädispositionen“, wie z.B. auch die Neigung zur Gewalt, in modernen demokratischen Rechtsstaaten weitgehend einzudämmen.
Daher haben Zivilisation und Recht auch zu einer "Selbstdomestizierung" des Menschen geführt.

Im weiteren Verlauf der Vorlesung wird auf die Grundlagen menschlicher Kooperation eingegangen, wie wir von einer vorherrschenden Kooperation zwischen Verwandten zu einer starken Kooperation und verbindlichen Regeln zwischen Nichtverwandten gekommen sind, die unsere modernen Staaten mit ihrem sozialen Ausgleich erst möglich machen.

Breiten Raum nimmt in der Vorlesung auch unser starkes Gruppendenken ein, was uns einerseits große Vorteile gebracht hat, da wir innerhalb von Gruppen zu starker Kooperation und Hilfsbereitschaft neigen. Andererseits birgt dieser starke Gruppenzusammenhalt aber auch die enorme Gefahr der Ausgrenzung von „Anderen“ und damit eine Gefährdung des sozialen Zusammenhalts. Die Antwort darauf kann auch aus evolutionsbiologischer Sicht nur das demokratische Aushandeln von Kompromissen und ein funktionierender Rechtsstaat sein.

Neben den evolutionsbiologischen Grundlagen menschlichen Verhaltens wird in der Vorlesung auch ausführlich auf die genetischen Grundlagen unserer individuellen Einstellungen und unseres Verhaltens eingegangen. Die moderne Genetik zeigt deutlich, dass wir kein „unbeschriebenes Blatt“ sind, sondern dass alle Eigenschaften auch eine genetische Grundlage haben, die in der Interaktion mit der Umwelt auch zu individuellen Unterschieden führt. Dies wird exemplarisch am Beispiel der politischen Einstellung und der individuellen Moralvorstellungen dokumentiert, die ebenfalls eine deutliche genetische Grundlage haben.
Breiten Raum nehmen auch die für das Strafrecht relevanten neueren Erkenntnisse zu den genetischen Grundlagen von Delinquenz, dissozialem Verhalten und Gewalt ein, die ebenfalls zeigen, dass diese Verhaltensweisen einen individuellen genetischen Hintergrund haben, wobei gerade im Zusammenhang mit dissozialem Verhalten deutlich wird, dass dies kein Schicksal sein muss, sondern dass die Bedingungen, unter denen Menschen aufwachsen, ganz wesentlich dafür sind, ob sich eine genetische Prädisposition manifestiert oder nicht. Gerade diese neueren Daten zeigen, wie wichtig ein ausgewogenes Strafrecht ist.

Im letzten Teil der Vorlesung wird auf die enormen Umwälzungen eingegangen, die durch die moderne Genetik in Zukunft zu erwarten sind und die voraussichtlich auch Juristinnen und Juristen in ihrer täglichen Praxis betreffen werden. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf die Genome Wide Associations Studies und den Polygenic Score eingegangen: Mittelfristig wird es möglich sein, allein aus den DNA-Daten einer Person z.B. ihr Risiko für bestimmte Krankheiten zu bestimmen. Wie wird man mit diesen Informationen umgehen, z.B. versicherungstechnisch? In absehbarer Zeit wird man wahrscheinlich auch das Rückfallrisiko z.B. von extremen Gewalttätern auf der Basis von DNA-Daten eingrenzen können - all diese Entwicklungen bedürfen dringend einer gesellschaftlichen und rechtlichen Diskussion: Was wollen wir an genetischen Untersuchungen und was wollen wir auf keinen Fall? Über das muss sich unsere Gesellschaft bald in klaren werden, die Vorlesung soll auch dazu dienen Juristinnen und Juristen auf diese Fragen vorzubereiten.

Donnerstag 12.10. 13:00 - 15:00 Hörsaal U13 Schottenbastei 10-16, Juridicum, KG1
Donnerstag 19.10. 13:00 - 15:00 Hörsaal U13 Schottenbastei 10-16, Juridicum, KG1
Donnerstag 09.11. 13:00 - 15:00 Hörsaal U13 Schottenbastei 10-16, Juridicum, KG1
Donnerstag 16.11. 13:00 - 15:00 Hörsaal U13 Schottenbastei 10-16, Juridicum, KG1
Donnerstag 23.11. 13:00 - 15:00 Hörsaal U13 Schottenbastei 10-16, Juridicum, KG1
Donnerstag 30.11. 13:00 - 15:00 Hörsaal U13 Schottenbastei 10-16, Juridicum, KG1
Donnerstag 07.12. 13:00 - 15:00 Hörsaal U13 Schottenbastei 10-16, Juridicum, KG1
Donnerstag 14.12. 13:00 - 15:00 Hörsaal U13 Schottenbastei 10-16, Juridicum, KG1
Donnerstag 11.01. 13:00 - 15:00 Hörsaal U13 Schottenbastei 10-16, Juridicum, KG1

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Ziel der Lehrveranstaltung ist eine Vermittlung wie unser Verhalten im Laufe der menschlichen Evolution entstanden ist, welche genetischen und epigenetischen Grundlagen unser Verhalten im Zusammenspiel mit der Umwelt hat. Die Fortschritte der modernen Biologie sind da gerade für das Strafrecht von Bedeutung, da sie zeigen, dass unsere individuellen Entscheidungen/ Emotionen und Reaktionen nicht unabhängig von unserer Evolution und unserer Genetik sind, sondern in Wecheslwirkung mit der Umwelt wesentlich unser Verhalten beeinflussen.
Im Zentrum stehen folgende Themenkomplexe: Evolution- Kooperation- Umwelt und Genetik; Evolution- Antisoziales Verhalten (Gewalttätigkeit)- Umwelt und Genetik; sowie die evolutionären und genetischen Grundlagen unserer Einstellungen (Politik, Religion).
In der Lehrveranstaltung werden auch grundlegende Methoden der Evolutionsbiologie, Genetik und molekularen Biologie vermittelt. Ganz besonders wird auf „Genome Wide Association Studies“ und die "Polygenic Risk Scores" eingegangen, da diese Methoden in Zukunft auch über die Biologie hinaus von großer Bedeutung sein werden.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Schriftliche Prüfung am Ende des Semesters zum Stoff der Lehrveranstaltung, bestehend aus 4 größeren Überblicksfragen.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Jeweils 4 Punkte pro Frage (16 in Summe), für eine positive Absolvierung sind mehr als 8 Punkte in Summe notwendig.

Prüfungsstoff

der Inhalt der Lehrveranstaltung - die Folien jeder Einheit werden zur Verfügung gestellt.

Literatur

Eckart V. Soziobiologie: Die Evolution von Kooperation und Konkurrenz. Springer 2013 ISBN-10: 9783642345401

Knopik S.V. et al. Behavior Genetics 7th Edition. Worth 2016. ISBN-10: 1464176051

Buss D. Evolutionary Psychology: The New Science of the Mind (English Edition) 6th Edition, 2019. Kindle Edition

Conley D. Fletcher J. The Genome Factor: What Social Genomics Tells Us about Ourselves, Our History, and the Future. Princeton Univers. Press (22 Feb 2017) ISBN-10: 9780691164748

Plomin, R. (2019). Blueprint: How DNA makes us who we are.
Mit Press.

Beaver, K. M., Barnes, J. C., & Boutwell, B. B. (Eds.). (2014). The nurture versus biosocial debate in criminology: On the origins of criminal behavior and criminality. Sage Publications.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Mo 16.10.2023 13:46