070040 KU Soziale und rechtliche Aspekte der Verwandtschaft (2006W)

Entgegen der Annahme, dass Verwandtschaft als soziales Beziehungsnetz ab dem Mittelalter kontinuierlich an Bedeutung verloren habe, zeigen neuere Forschungen ein differenzierteres und in mancher Hinsicht sogar gegenteiliges Bild.
Beziehungen zwischen Eltern und Kindern, zu Großeltern, zwischen Geschwistern, zu Onkeln und Tanten, Cousins und Cousinen und weiter entfernten Verwandten waren auch in der Neuzeit als Unterstützungs- und Solidaritätsnetze wichtig: etwa in schwierigen Lebenssituationen, bei der Arbeitssuche, für den Transfer von Besitz oder im Kontext von Migration. Frauen und Männer nutzten solche Netze, zum Teil auf unterschiedliche Weise, sie waren - nicht zuletzt je nach Rechtsräumen - in unterschiedlichem Maß darin 'verstrickt'. Neben Ressourcenflüssen und Hilfestellungen von oft existenzieller Bedeutung waren solche Beziehungsgeflechte nicht frei von Konflikten: Streitigkeiten, Abhängigkeiten oder soziale Kontrolle waren ebenso deren Bestandteil.
Besonders virulent wurde Verwandtschaft ab dem späteren 18. Jahrhundert im Kontext der EhepartnerInnenwahl. Obwohl - nach kanonischem Recht - bis zum 4. Grad verboten und als Inzest deklariert, suchten immer mehr verwandte oder verschwägerte Paare um Heiratserlaubnis an. Im Zuge dessen standen Konzepte von Verwandtschaft und Inzest immer wieder zur Debatte.
Im Rahmen der Lehrveranstaltung werden ausgewählte Texte zum Thema, zu denen jeweils Fragen zu beantworten sind, gelesen und diskutiert mit dem Ziel einer breiten Einführung in die sozialen und rechtlichen Aspekte des Themenfeldes. Eine Vertiefung der Thematik soll in Form von Gruppenarbeiten erfolgen.