Universität Wien

070074 SE Forschungsseminar - Wehrmacht im Partisanenkrieg (2024S)

Vergangenheitspolitik, Nachkriegsjustiz, Erinnerungskultur.

10.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 7 - Geschichte
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Montag 04.03. 09:45 - 13:00 Seminarraum 1, Institut für Zeitgeschichte, 1090 Wien, Spitalgasse 2-4, Hof 1
Mittwoch 13.03. 09:45 - 13:00 Seminarraum 1, Institut für Zeitgeschichte, 1090 Wien, Spitalgasse 2-4, Hof 1
Montag 08.04. 09:45 - 13:00 Seminarraum 1, Institut für Zeitgeschichte, 1090 Wien, Spitalgasse 2-4, Hof 1
Montag 22.04. 09:45 - 13:00 Seminarraum 1, Institut für Zeitgeschichte, 1090 Wien, Spitalgasse 2-4, Hof 1
Montag 03.06. 09:45 - 13:00 Seminarraum 1, Institut für Zeitgeschichte, 1090 Wien, Spitalgasse 2-4, Hof 1
Montag 17.06. 09:45 - 13:00 Seminarraum 1, Institut für Zeitgeschichte, 1090 Wien, Spitalgasse 2-4, Hof 1

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Das Dogma von der „Sauberen Wehrmacht“ hat die österreichische und deutsche Gesellschaft seit den alliierten Nachkriegsprozessen, unter anderem in Nürnberg, begleitet. Es besagt, dass Kriegsverbrechen zwar vorgekommen, jedoch nur an der Ostfront, oder nur von SS- oder Sonderformationen begangen worden seien, alle anderen seien „anständige Soldaten“ geblieben. Dadurch konnte sich das Gros der Soldaten, die als Wehrpflichtige in den Krieg gezogen waren, frei von Schuld an den Verbrechen des Krieges fühlen. So setzte sich in der österreichischen wie bundesdeutschen kollektiven Erinnerung das Bild einer, parallel zum schmutzigen Nazi-Weltanschauungskrieg, vermeintlich sauberen Kriegführung der Wehrmacht durch, das Instrumentalisierung, vorauseilenden Gehorsam, Motivation und auch Handlungsspielräume ausblendete. Im Seminar wird es schwerpunktmäßig um das Narrativ der sauberen Wehrmacht gehen, dem anhand von Presseartikeln, oral history interviews und Zeugenaussagen aus Nachkriegsprozessen für zwei ausgewählte Kriegsschauplätze (Serbien und Italien) nachgespürt wird.
Die Verwicklung der Wehrmacht in die sogenannte „Bandenbekämpfung“ resultierte vielfach in einem Krieg gegen die Zivilbevölkerung, gegen die unter dem Deckmantel der Partisanenbekämpfung rigoros vorgegangen wurde. Das Vorgehen der Wehrmacht in Jugoslawien ist dafür besonders symptomatisch (Geiselerschießungen 1:100), und hier gab es mit dem Österreicher Franz Böhme einen Kommandeur, der in Serbien besonders rücksichtslos vorging und für zehntausende Tote unter der Zivilbevölkerung verantwortlich zeichnet. Angeklagt in einem der zwölf Nürnberger Nachfolgeprozesse, nahm er sich vor Beginn der mündlichen Verhandlung am 29.5.1947 das Leben. Seine Taten sind daher (nicht nur in Ö.) fast vergessen.
Ein weiterer interessanter Fall für den vergessenen Krieg im Hinterland stellt Italien dar. Mussolini war Stichwortgeber Hitlers und Italien bis 1943 dessen engster Verbündeter. Nach der Absetzung Mussolinis im Juli 1943 ließ Hitler Italien besetzen. In der Folge kam es insbesondere 1944 zu vielen Kriegsverbrechen, mehr als 10000 Zivilisten starben, besonders in der Toscana. Eines der größten Massaker, die Liquidierung des Dorfes Marzabotto im Zuge der sogenannten Partisanenbekämpfung, wurde zum Synonym für Wehrmachtkriegsverbrechen in Italien. Sein Kommandeur war der bis 1934 in Österreich sozialisierte Walter Reder. Von einem italienischen Gericht verurteilt, wurde er 1985 aus gesundheitlichen Gründen entlassen. In Österreich wurde er noch am Flughafen von Minister Frischenschlager (FPÖ) mit Handschlag begrüßt. Dies stand symptomatisch für den österreichischen Umgang mit Kriegsverbrechen der Wehrmacht, der sich auch 1986 in der Waldheim-Debatte gezeigt hatte: „nur die Pflicht getan, wie alle anderen auch“ wurde das Schlagwort.
Im Seminar stützen wir uns schwerpunktmäßig auf ein Projekt des Historikers Carlo Gentile, der an der Universität Köln eine umfangreiche Datensammlung zum Thema zusammengestellt hatte. https://www.ns-taeter-italien.org/de/ Seit 1990 ein Bestand an eingestellten gerichtlichen Verfahren bei der Militärprokuratur in Italien entdeckt worden war („Schrank der Schande“), wurden diese Verfahren vor deutschen und italienischen Gerichten neu aufgerollt. Viele der deutschen Täter, die damals dabei waren, blieben von der Justiz unbehelligt, manche haben jedoch dem deutschen Dokumentarfilmer Udo Gümpel interessante Interviews zu ihren Motivationen und der Gruppendynamik gegeben, die im Seminar erstmals ausgewertet werden sollen. Der Fall Walter Reder wird dabei bis heute debattiert. Im Seminar wird die Rolle des Militärs im Partisanenkrieg thematisiert und die strafrechtliche Ahndung von Kriegsverbrechen sowie ihre Instrumentalisierung in der öffentlichen Erinnerung nach 1945 bzw nach 1990 beleuchtet. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich die ethische Dimension des Dogmas von der „Sauberen Wehrmacht“ anhand der Frage nach Handlungsspielräumen im Partisanenkrieg.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

laufend, aktive Beteiligung (Präsentation, Kommentierung, Diskussion)

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Präsentation zu einem ausgewählten Thema im interdisziplinären Team, dabei auch Archivrecherchen und Recherche von Sekundälitertur zum Thema, dies bedeutet selbständiges Arbeiten und hohe Eigenleistung. Präsentation am ####. Darauf aufbauend Seminararbeit (20-25 Seiten, 12 pkt Schrift, Fussnoten und Literaturliste). Abgabe bis ####.

Prüfungsstoff

Dies ist eine prüfungsimmanente Lehrveranstaltung.

Literatur

Literatur:
Walter Manoschek: „Serbien ist judenfrei.“ Militärische Besatzungspolitik und Judenvernichtung in Serbien 1941/42, München 1993.

Carlo Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg: Italien 1943-1945, Paderborn 2012.

Barbara Tóth, Der Handschlag : die Affäre Frischenschlager – Reder, Innsbruck-Wien: StudienVerlag 2017

Alexander Pollak, Die Wehrmachtslegende in Österreich : das Bild der Wehrmacht im Spiegel der österreichischen Presse nach 1945, Wien: Böhlau 2002

Cornelius Lehnguth, Waldheim und die Folgen : der parteipolitische Umgang mit dem Nationalsozialismus in Österreich, Frankfurt a. M.: Campus-Verlag 2013

Gerhard Schreiber: Deutsche Kriegsverbrechen in Italien. Täter, Opfer, Strafverfolgung. München: Beck, 1996. (darin: Kapitel IMIs)

Gerhard Schreiber: Die Italienischen Militärinternierten im deutschen Machtbereich, 1943-1945. Verraten, verachtet, vergessen. München: Oldenburgh, 1990.

Kerstin von Lingen, Kesselrings letzte Schlacht. Kriegsverbrecherprozesse, Vergangenheitspolitik und Wiederbewaffnung: Der Fall Kesselring, Paderborn: Schoeningh, 2004.

Wolfram Wette: Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden, Frankfurt 2002.

Wolf Kaiser (Hg): Täter im Vernichtungskrieg, Berlin 2005.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

EAR: Zeitgeschichte.
MA Geschichte (Version 2019): PM2 Konzeption und Einübung selbstständiger Forschungsprozesse, SE Forschungsseminar (10 ECTS) / PM 3 Durchführung eines selbstständigen Forschungsprozesses, SE Forschungsseminar (10 ECTS).
IDMA Zeitgeschichte und Medien (Version 2019): M3a Praktische Forschung und Darstellung I, SE Forschungsseminar (10 ECTS).

Letzte Änderung: Mo 12.02.2024 18:05