Universität Wien

070116 UE Quellengattungen, qualitative und quantitative Methoden (2024W)

Sozialenquêten und sozialer Wandel: Erhebungswissen, Feldforschung und die Kämpfe um Gesellschaft und Selbstbestimmung im 19. und frühen 20. Jahrhundert

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 7 - Geschichte
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Dienstag 01.10. 09:45 - 11:15 Seminarraum 19, Kolingasse 14-16, OG02
  • Dienstag 01.10. 11:30 - 13:00 Seminarraum 19, Kolingasse 14-16, OG02
  • Montag 07.10. 09:45 - 11:15 Seminarraum 19, Kolingasse 14-16, OG02
  • Montag 07.10. 11:30 - 13:00 Seminarraum 19, Kolingasse 14-16, OG02
  • Dienstag 08.10. 09:45 - 11:15 Seminarraum 3 Porzellangasse 4, EG05
  • Dienstag 08.10. 11:30 - 13:00 Seminarraum 1 Porzellangasse 4, EG03
  • Montag 14.10. 11:30 - 13:00 Seminarraum 19, Kolingasse 14-16, OG02
  • Dienstag 15.10. 09:45 - 11:15 Seminarraum 6, Kolingasse 14-16, EG00
  • Dienstag 15.10. 11:30 - 13:00 Seminarraum 6, Kolingasse 14-16, EG00
  • Montag 09.12. 09:45 - 11:15 Seminarraum 10, Kolingasse 14-16, OG01
  • Montag 09.12. 11:30 - 13:00 Seminarraum 10, Kolingasse 14-16, OG01
  • Montag 13.01. 09:45 - 11:15 Seminarraum 19, Kolingasse 14-16, OG02
  • Montag 13.01. 11:30 - 13:00 Seminarraum 19, Kolingasse 14-16, OG02

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Das Quellen-Seminar wendet sich den Sozialenquêten als einer eigenständigen Wissensform zu, die in den europäischen Metropolen und den kolonialen Kontexten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts entwickelt wurde. Als Wissens- und Herrschaftstechnik also Methoden, mit denen Wissen erhoben und zur Steuerung der Gesellschaft genutzt wurde lässt sich die Geschichte von Enquêten mindestens bis auf die Geschichte der modernen Staats- und Imperienbildungen des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen. In der Zeit der Frühindustrialisierung und des Vormärz zielten Soziale Enquêten darauf ab, den rasanten sozialen Wandel, bspw. durch Kolonisierung und Urbanisierung, zu dokumentieren oder gesellschaftliche Missstände wie Armut, gefährliche Klassen, Kriminalität, Prostitution, wirtschaftliche Ungleichheit und schlechte Arbeitsbedingungen aufzuzeichnen. Zugleich sollten sie dazu beitragen, durch neue soziale Gesetze den gesellschaftlichen Wandel aktiv zu gestalten. Erhebungspraktiken und die methodologischen sowie politisch-juridischen Debatten über sie, waren damit grundlegend für den Aufbau moderner Wohlfahrtskonzepte. Zugleich stellten sie spätestens seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine grundlegende Ressource für die Konstituierung neuer Akteursgruppen wie der Arbeiter- und Frauenbewegung dar, die um eine eigenständige Bestimmung ihrer sozialen Wirklichkeit rangen.
Im Seminar werden wir verschiedene Techniken und Methoden der Enquêten anhand von Beispielen kennenlernen. Diese reichen von Fragebögen und Familienbudgets bis hin zu literarischen und künstlerischen Darstellungen. Dabei üben wir den Umgang mit verschiedenen historischen Quellengattungen. Im Zentrum stehen dabei konkrete Erhebungsprojekte zu akuten sozialen und kolonialen Fragen des 19. und 20. Jahrhunderts, die unter anderem von der Armutsforschung, den Kolonialexpeditionen oder der frühen Frauen- und Arbeiterbewegungen zur afroamerikanischen Emanzipationsbewegung des späten 19. Jahrhunderts und zu den großen Arbeitslosenuntersuchungen der 1930er Jahre führen. Ziel ist es, die verschiedenen Facetten der Enquête zu verstehen und sie als Teil einer eigenständigen Tradition eines angewandten Gesellschaftswissens zu rekonstruieren einer Tradition, die sich nicht ohne Weiteres in das traditionelle Schema der Geistes- und Sozialwissenschaften einordnen lässt.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Das erfolgreiche Absolvieren des Seminars setzt die genaue Lektüre der Seminartexte und des Quellenmaterials, die aktive Teilnahme an den Seminardiskussionen sowie ein vertiefendes Selbststudium voraus. Zu mindestens 7 Lektüren wird eine kurze Leseantwort (150 bis 300 Wörter) erwartet. In dieser sollen die Kernaspekte des gelesenen Textes reflektiert und Fragen für die Seminardiskussion formuliert werden. Jede*r Studierende übernimmt zudem die Präsentation einer Quelle in einer ausgewählten Sitzung. Dies kann entweder allein oder als Teil einer Arbeitsgruppe geschehen. Nach der Präsentation folgt eine Phase der Eigenrecherche, in der relevante Quellen zum Seminarthema identifiziert und in einem Quellenessay (2-3 Seiten) vorgestellt werden. Die Vorstellung des Essays und die Diskussion der Quellen findet in der Dezembersitzung statt. Die Quellenessays werden dabei von Kommilitonen kommentiert und im Plenum diskutiert. Das Essay dient zum einen der Bestimmung, Kontextualisierung und Problematisierung relevanten Quellenmaterials, zum anderen hat es die Aufgabe Fragestellungen zu erarbeiten, die zum Thema der Kursarbeit hinführen. Ausgehend vom Kommentar und den Diskussionen im Plenum bereiten die Studierenden dann in einem letzten Schritt ein Exposé ihrer Kursarbeit vor, die in der Abschlusssitzung des Seminars im Januar im Plenum diskutiert wird. Die Kursarbeit hat einen Umfang von ca. 25.000 Zeichen (mit Leerzeichen, ca. 9 Manuskriptseiten, 1½-zeilig, 12 Punkt., einschließlich Fußnoten).

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Grundlegende Orientierungsfähigkeit im Fachgebiet und Kenntnisse der wichtigsten Konzepte und Methoden der Wissenschaftsgeschichte. Interesse an eigenständiger Recherche und Vertiefung des Themenschwerpunkts. Überblick über Fachbibliographien und Archivportale. Die LV hat 5 ECTS = 125 Stunden von 60 Minuten. Davon entfallen 1 ECTS auf die Präsenzzeiten. Die restlichen 4 ECTS sind für das Selbststudium vorgesehen, einschließlich der Vorbereitung der Lektüre, der Arbeit am Essay und Exposé sowie für die Recherche und das Schreiben der Kursarbeit. Die Gewichtung der Studien- und Prüfungsleistung beträgt 1/4 aktive Teilnahme + Leseantworten, 1/4 Quellenessay, 2/4 Kursarbeit.

Prüfungsstoff

Der Prüfungsstoff ergibt sich aus dem Seminarplan, der Arbeit am Quellenessay und der Kursarbeit.

Literatur

Aronova, Elena; Oertzen, Christine von; Sepkoski, David; Rusnock, Andrea A. (Hg.) (2017): Data histories. Chicago, IL: University of Chicago Press (Osiris, second series, 32).
Bulmer, Martin; Bales, Kevin; Sklar, Kathryn Kish (Hg.) (1991): The social survey in historical perspective, 1880 - 1940. Cambridge: Cambridge University Press.
Du Bois, W. E. B. (2015): The Princess of Steel. In: PMLA 130 (3), S. 819-829.
Geerkens, Éric; Hatzfeld, Nicolas; Lespinet-Moret, Isabelle; Vigna, Xavier (Hg.) (2019): Les enquêtes ouvrières dans l'Europe contemporaine. Entre pratiques scientifiques et passions politiques. Paris: Éditions La Découverte (Collection "Recherches").
Greenwald, Maurine Weiner; Anderson, Margo J. (Hg.) (1996): Pittsburgh surveyed. Social science and social reform in the early twentieth century. Pittsburgh Pa.: University of Pittsburgh Press.
Igo, Sarah E. (2011): Subjects of Persuasion: Survey Research as a Solicitous Science; or, The Public Relations of the Polls. In: Charles Camic, Neil Gross und Michèle Lamont (Hg.): Social knowledge in the making. Chicago, London: University of Chicago Press, S. 285-306.
Midena, Daniel; Yeo, Richard (2022): Towards a history of the questionnaire. In: Intellectual History Review 32 (3), S. 503-529. DOI: 10.1080/17496977.2022.2097576.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

BA Geschichte (Version 2019): M1 Quellen und Methoden, UE Quellengattungen, qualitative und quantitative Methoden (5 ECTS)

Letzte Änderung: Do 19.09.2024 14:45