Universität Wien

070224 SE Forschungsseminar - Der Ausnahmezustand in Mittel- und Osteuropa in historischer Perspektive (2021S)

Zwischen Notstand und "neuer Normalität"

10.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 7 - Geschichte
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung
DIGITAL

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Das Seminar findet mit Blick auf die anhaltende Ausnahmesituation zunächst digital (via Zoom über Moodle) zu den angegebenen Zeiten (Donnerstag, 9:45-11:15 Uhr) statt.

  • Donnerstag 04.03. 09:45 - 11:15 Digital
  • Donnerstag 11.03. 09:45 - 11:15 Digital
  • Donnerstag 18.03. 09:45 - 11:15 Digital
  • Donnerstag 25.03. 09:45 - 11:15 Digital
  • Donnerstag 15.04. 09:45 - 11:15 Digital
  • Donnerstag 22.04. 09:45 - 11:15 Digital
  • Donnerstag 29.04. 09:45 - 11:15 Digital
  • Donnerstag 06.05. 09:45 - 11:15 Digital
  • Donnerstag 20.05. 09:45 - 11:15 Digital
  • Donnerstag 27.05. 09:45 - 11:15 Digital
  • Donnerstag 10.06. 09:45 - 11:15 Digital
  • Donnerstag 17.06. 09:45 - 11:15 Digital
  • Donnerstag 24.06. 09:45 - 11:15 Digital

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Der „Ausnahmezustand“ wird verhängt, wenn die Existenz eines Gemeinwesens von außen (z.B. durch Krieg, Belagerung, Terrorismus, Naturkatastrophen) oder innen (Not, Bürgerkrieg, Aufstände, Pandemien) gefährdet und die Erfüllung staatlicher Grundfunktionen als akut bedroht erachtet werden. Darauf wird – in der Regel zeitlich begrenzt – mit außerordentlichen juridisch-politischen Maßnahmen zur Abwehr der jeweiligen „Bedrohung“ reagiert, darunter die Einschränkung von Grundrechten, der Einsatz zusätzlicher Ordnungskräfte, die Aufhebung der Gewaltenteilung.

Ein Ausnahmezustand geht mit vielschichtigen Veränderungen in Alltag, Wissen, Beziehungen, Mentalitäten und materiellen Verhältnissen von Gesellschaften und Individuen einher. Und gerade an diesen wird die vermeintlich juristisch klar definierte Grenze zwischen „Ausnahme“ und „Normalität“ sichtbar und jeweils neu ausgehandelt.
Ausgehend davon, dass gerade am Ausnahmezustand viel über die „Normalität“ von Gesellschaften zu lernen ist, widmet sich das Forschungsseminar diesem spannungsreichen Verhältnis aus historischen Perspektiven: Wie wurde diese Spannung in der Vergangenheit erfahren? Wie waren Ausnahmesituationen mit der Konstruktion und Stabilisierung „neuer Normalitäten“ verknüpft?

Ziel des Seminars ist die Entwicklung historischer Forschungsperspektiven auf politische und gesellschaftliche Ausnahmezustände im 20. und 21. Jahrhundert in Mittel- und Osteuropa – unter expliziter Berücksichtigung ihrer transnationalen Verflechtungen.

Wir erarbeiten uns zunächst eine theoretisch-begriffliche Grundlage, die es erlaubt, juridisch-politische Ausnahmezustände und gesellschaftliche (De)Normalisierung zu analysieren. Anhand empirischer Fallbeispiele erschließen wir uns anschließend diskurs- und alltagsgeschichtliche, mentalitäts-, geschlechter- und wissensgeschichtliche Perspektiven auf gesellschaftliche Ausnahmesituation und fragen dabei nach den strukturellen Gemeinsamkeiten sowie Unterschieden, wie diese historisch erfahren wurden.

Methode: Lektüre und Diskussion von Theorie- und Forschungsliteratur, Präsentationen, Gruppen- und Projektarbeit.

Vorläufiger Seminaraufbau:
I: Seminareinführung
1. Organisatorische-administrative Fragen, Einführung in Thematik, Mittel- und Osteuropa als historischer Raum
2. Theorie 1: Der Ausnahmezustand als politisch-juridische Form
3. Theorie 2: Normalität, Normalisierung und De-Normalisierung

II: Historische Fallstudien
Regierung und Recht im Ausnahmezustand:
4. Krieg, Demokratie und Diktatur: Das Kriegswirtschaftliche Ermächtigungsgesetz (KWEG) von 1917 und seine Folgen in der Ersten Republik Österreich
5. Souveräne Macht und Widerstand: Das Kriegsrecht in Polen, 1981–1983
6. Freiheit und Sicherheit: Mittel- und Osteuropa im globalen War on Terror seit 2001
7. Inklusion und Exklusion: Ungarns Ausnahmezustand seit 2016 gegen Geflüchtete und die Covid-19-Pandemie
De-Normalisierung und Normalisierung der Ausnahme:
8. Ausnahme als System, Normalisierung der Ausnahme: Nationalsozialistische Konzentrationslager im Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete, 1939-1945
9. Materielle und alltägliche Kultur im Belagerungszustand: Die Leningrader Blockade 1941-44
10. Körper, Psyche und Geschlecht: Stalinistische Machtergreifung, Säuberungen und Gulag

III. Projektarbeit & Auswertung
11. Wissen und Wahrheit: Von Tschernobyl 1986 bis zur Covid-19-Pandemie 2020
12. Projektarbeit
13. Auswertung

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Aktive Teilnahme an den Seminardiskussionen; Entwicklung einer Forschungsfrage für die Abschlussarbeit; mündliche Gruppenpräsentation (digital); selbstständig verfasste Abschlussarbeit.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Mindestanforderung:
- Regelmäßige Anwesenheit
- Vorbereitung der für jede Sitzung zur Verfügung gestellten Forschungsliteratur, Diskussionsbeteiligung sowie verschiedener Formen von Feedback und Gruppenarbeiten (30% der abschließenden Beurteilung)
- (digitale) Präsentation zu einem Seminarthema (20% der abschließenden Bewertung).
- Termingerechte Abgabe der Seminararbeit (50 % der abschließenden Bewertung).
Alle schriftlichen Teilleistungen werden mit der Plagiatssoftware turnitin geprüft.

Prüfungsstoff

Alle in der Lehrveranstaltung durchgenommenen Inhalte. Unterstützende Lernmaterialien befinden sich auf Moodle.

Literatur

Lemke, Matthias (Hrsg.) (2017): Ausnahmezustand. Theoriegeschichte – Anwendungen – Perspektiven, Wiesbaden: Springer.
Algazi, Gadi/Lüdtke, Alf (Hrsg.) (2008): Staats-Gewalt. Ausnahmezustand und Sicherheitsregimes: historische Perspektiven, Göttingen: Wallstein.
Link, Jürgen (2006): Versuch über den Normalismus. Wie Normalität produziert wird, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (3. ergänzte, bearbeitete & neu gestaltete Auflage).

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

MA Geschichte (2014): Zeitgeschichte, Österreichische Geschichte, Historisch-kulturwissenschaftliche Europaforschung, Osteuropäische Geschichte, Frauen- und Geschlechtergeschichte, MATILDA, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Wissenschaftsgeschichte (PM3 - 10 ECTS)
MA Geschichte (2019): Zeitgeschichte, Österreichische Geschichte, Historisch-kulturwissenschaftliche Europaforschung, Osteuropäische Geschichte, Frauen- und Geschlechtergeschichte, MATILDA, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Wissenschaftsgeschichte (PM2/PM3 - 10 ECTS)
Interdisz. MA Osteuropastudien (2015): M5 (10 ECTS)
Interdisz. MA Osteuropastudien (2019): M5 (10 ECTS)
MA Zeitgeschichte und Medien: M3a Praktische Forschung und Darstellung I.

Letzte Änderung: Fr 12.05.2023 00:14