070270 UE Lektüre historiographischer Texte und Historiographiegeschichte (2024W)

Globalgeschichte erhebt den Anspruch, universell und nicht eurozentrisch bzw. amerikano-zentrisch zu sein. Kann dieser Anspruch durch Beiträge zur Globalgeschichte von außerhalb der Hauptsphären ihrer Produktion bestätigt werden? Ist der universelle und polyzentrische Anspruch der Globalgeschichte mehr als eine intellektuelle Attitude einer Strömung der Geschichtsschreibung, die in den Zentren der Geschichtsproduktion der Welt produziert wird? Die Geschichtsschreibung in anderen Weltregionen hat oft andere Anliegen und Prioritäten als diejenigen der Hauptströmung der weltweiten Globalgeschichte-Wissenschaftsgemeinschaft. In post-kolonialen Staaten wird es oft als vorrangige Aufgabe der Historiker angesehen, zum noch nicht abgeschlossenen Prozess der Nationenbildung beizutragen. Daher wird der nationalen Geschichte Priorität eingeräumt. Geschichte dient explizit dazu, zum "Fortschritt" der Nation beizutragen, oder es werden einfach die in den Zentren gesetzten Trends nachgeahmt. Historiker aus diesen Ländern migrieren in die akademischen Einrichtungen der "Zentren", wenn ihnen solche Stellen angeboten werden, und schließen sich meist der in diesem internationalen Bereich vorherrschenden epistemologischen Gemeinschaft an.
In diesem GR sollen Beiträge zur Historiographie der Globalgeschichte in und aus Lateinamerika und Afrika vorgestellt und untersucht werden. Die Präposition "aus" selbst wird diskutiert: impliziert sie eine bestimmte Herkunft des Autors, eine institutionelle Zugehörigkeit oder eine Perspektive, die behauptet, anders zu sein als diejenige, die gerade mit den Zentren der Globalgeschichteproduktion verbunden ist?
Die zur Diskussion gestellten Texte sind eine Mischung aus historiographischen Überblicken und Texten zu spezifischen Themen der Globalgeschichte. Anhand der historiographischen Einführungsliteratur wollen wir relevante Produktionsbereiche der Globalgeschichte in Lateinamerika und Afrika identifizieren. Die Texte sollen von den LV-TN zusammengefasst und diskutiert werden. Ziel ist ein praktisches Verständnis globalgeschichtlicher Zugänge, welches die TN befähigen soll, diese ggf. selber zu verwenden.