Universität Wien

070283 VO Wissenschaftsgeschichte - Themenfelder, Probleme und Perspektiven (2023S)

Wissenschaften, Kolonialismus und die Vermessung der Körper

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 7 - Geschichte

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Details

Sprache: Deutsch

Prüfungstermine

Lehrende

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Die Veranstaltung wird wöchentlich in Präsenz im HS 41 bbbbbabgehalten.

  • Dienstag 07.03. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 14.03. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 21.03. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 28.03. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 18.04. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 25.04. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 02.05. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 09.05. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 16.05. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 23.05. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 06.06. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 13.06. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 20.06. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8
  • Dienstag 27.06. 13:15 - 14:45 Hörsaal 41 Gerda-Lerner Hauptgebäude, 1.Stock, Stiege 8

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Viele Wissenschaften--vom Recht bis zur Medizin, von der Philologie bis zur Pharmazie--haben ihren Beitrag zum Aufbau des Kolonialismus geleistet. Einige Fachgebiete wie die Wirtschaftsethnologie oder das vergleichende Recht entstehen überhaupt erst dann, als die Kolonialbürokratien sich mit fremden Wirtschafts- und Rechtsverständnissen konfrontiert sahen und hier Abhilfe zu schaffen suchten. Seit wenigen Jahrzehnten erst wird das dabei verdrängte und zum Teil verlorene Wissen des Globalen Südens genauer untersucht (Wissen nicht-westlicher Gesellschaften: Selin / Epistemizid: Boaventura de Sousa Santos). Am Beispiel der deutschen Schutzgebiete im Pazifik werden Robert Koch und Richard Thurnwald und eine Vielzahl weniger namhafter Forscher an neuem Archivmaterial vorgestellt.
Auch auf methodischer Ebene stellt die Kolonialperspektive die Wissenschaftsgeschichte vor Herausforderungen. Wir gehen in einer Sitzung der konstitutiven Nähe der frühen Wissenschaftsgeschichte mit eurozentristischen Perspektiven nach: Universalismus, Rationalität, wissenschaftlich-technischer Fortschritt waren in der Disziplin verankert. Wir fragen nach den möglichen Quellen für eine Geschichte von Palau. Vorgestellt werden aber auch moderne wissenschaftshistorische Lösungsversuche für die genannten Einseitigkeiten: Es wird längst aus der Sicht der betroffenen globalen Wissenschaftsgemeinschaften berichtet, die Rolle der lokalen Informand:innen und go betweens wird herausgestellt, Verflechtungsgeschichte und dekoloniale Epistemologien werden entwickelt.
Ein erster Fokus wird in diesem Semester auf der Vermessung der Körper liegen. Diese Neigung zur Datensammlung zieht sich von der Biologie der großen Expeditionen über die Kolonialstatistik bis in die physische Anthropologie, deren Wissen entscheidende Beiträge zur Untermauerung wissenschaftlicher Rassetheorien legte. Bereits für die empirische Wende der Frühen Neuzeit lassen sich umfängliche Strategien der Datenerhebung feststellen, die oftmals mit großem Aufwand bis in die Kolonien hinein betrieben werden. Ob es um Archive, Buchhaltung in großen Handelsgesellschaften die späteren Volkszählungen oder Rohstoffstatistiken geht: Die sogenannten „Zentren der Kalkulation“ sind allenthalben entscheidende Ressourcen für die Entwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Die Veranstaltung bietet eine Orientierung im Fachgebiet Wissenschaftsgeschichte. Der Fokus auf Kolonialismus und Wissenschaftsgeschichte der Datenpraktiken stellt einen derzeitigen Arbeitsschwerpunkt des Faches genauer vor. Dieser ermöglicht es, insbesondere die Verbindungen von Ethnologie- Wirtschafts- und Statistikgeschichte genauer in den Blick zu nehmen. Die ökonomische und geopolitische Naturerschließung spielt dabei ebenso eine Rolle, wie die Verwaltung von Ressourcen, die anhand von Primärmaterial vorgestellt wird (Georgescu-Roentgen, Neurath).
Zudem werden die Rufe nach einer Dekolonialisierung der Datensammlung, nach einer Indigenous Data Sovereignty im Zeitalter von Alt Data und den proprietären Architekturen der AI und der Post-normativen Wissenschaft immer dringlicher.
Die Vorlesung dient der Vorstellung des Fachgebietes „Wissenschaftsgeschichte“ , sowie der Einführung in die wissenschaftshistorischen Module im Master History and Philosophy of Science (HPS) bzw. im Master Epistemologies of Science and Technology (EST). Ein Guided Reading zur Vorlesung wird von Alexander Silaen angeboten. Dieses hat einen Schwerpunkt auf der Auswertung und Interpretation von Kolonialfotografie.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Take-Home-Klausur (70%) und mündliche Prüfung (30%). Am Ende des Semesters werden Fragen zu Kerntexten unterschiedlicher Sitzungen verteilt. Es ist eine Woche Zeit, eine schriftliche Arbeit (4–5 Seiten) zu verfassen. Diese bezieht sich im Modus wissenschaftlicher Analyse auf einen Themenkomplex, in dem eigenständige Recherche und vertiefte Kenntnisse nachgewiesen werden können.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

In der Klausur und in Ihren mündlichen Beiträgen zeigen Sie: Orientierungsfähigkeit im Fachgebiet, Kenntnis der wichtigsten Konzepte und Methoden der Wissenschaftsgeschichte, Fähigkeit zur eigenständigen Recherche in Fachbibliographien und Archivportalen, Vertrautheit mit exemplarischen Fällen; zudem wird die generelle wissenschaftliche Befähigung beurteilt: Originalität des Zugriffs, die Eigenständigkeit und Klarheit der Argumentation, kritischer Umgang mit dem Material, nuancierte Einschätzung der Forschungsliteratur, Tiefe der Recherche.

Prüfungsstoff

Über den Stoff der Vorlesung hinaus wird eine eigenständige vertiefende Lektüre zu einzelnen Themenkomplexen erwartet. Die Folien werden für die eigenständige Nachbearbeitung zur Verfügung gestellt. Ein umfangreicher Moodle-Kurs gibt Lektüreempfehlungen zu einzelnen Schwerpunkten und klassischen Texten.

Literatur

Michael Hagner: Ansichten der Wissenschaftsgeschichte. Zur Einführung. In: Ders., Ansichten der Wissenschaftsgeschichte. Frankfurt am Main 2001, S. 7–42.
Elena Aronova, Christine von Oertzen und David Sepkoski: Introduction. Historicizing Big Data. In: Osiris 32/2017, S. 1–17.
Rheinberger, Hans-Jörg: Historische Epistemologie zur Einführung. Hamburg: Junius 2013.
Sommer, Marianne, Staffan Müller-Wille, and Carsten Reinhardt (Hg.): Handbuch Wissenschaftsgeschichte. 2017.
Unbedingt empfehlenswert sind zudem aktuelle Ausgaben der einschlägigen Zeitschriften: Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte, N.T.M., Berichte zur Wissenschaftsgeschichte, Isis, Osiris, Science in Context, Nach Feierabend, Technology and Culture, Technikgeschichte u.a

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

BA Geschichte: PM4 Aspekte und Räume; VO Wissenschaftsgeschichte (5 ECTS) / ZWM Weitere EAR 1 oder 2 (5 ECTS)
EC Geschichte (V2021) - M1b - VO Wissenschaftsgeschichte (5 ECTS)
EC Geschichte (V2008) - VO Wissenschaftsgeschichte (5 ECTS)

Letzte Änderung: Fr 20.10.2023 15:07