Universität Wien

070318 SE Seminar Quellenkunde und Quellenkritik - Grenze und Nation - Ukraine im globalhistorischen Kontext (2024W)

8.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 7 - Geschichte
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Dienstag 08.10. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 22.10. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 29.10. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 05.11. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 12.11. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 19.11. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 26.11. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 03.12. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 10.12. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 17.12. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 07.01. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 14.01. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 21.01. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01
  • Dienstag 28.01. 09:45 - 11:15 Seminarraum 15, Kolingasse 14-16, OG01

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Das Seminar macht die Konfliktregion zum – historischen – Forschungsgegenstand. Die Erforschung der Rolle und Verfasstheit, die die Region Ukraine im Zeitenlauf erlebt hat, wird mithilfe von Quellen und Literatur unter Berücksichtigung räumlicher Mehrfachebenen (Mikro, Meso, Makro) und multipler ethnisch-sprachlicher und sozio-kultureller Identitäten einer differenzierten Analyse unterzogen.

Schon die Bezeichnung Ukraina („Grenzland“) weist auf die Vorstellung einer Grenz- oder Zwischenregion hin, deren Entwicklung sich im Spannungsverhältnis der Nachbarn und Großmächte vollzieht. Die wechselnden Außenbezüge und -zugehörigkeiten spiegeln sich in der multikulturellen Zusammensetzung der Bevölkerung. Charakter, Selbstverständnis und Fremdzuschreibung der Region und ihrer BewohnerInnen ebenso wie Außen- und Binnengrenzen der Ukraine unterliegen dabei permanenter Refigurierung.

Problemhintergrund: Eine eigene Staatlichkeit kam im Zuge des Erstarkens von Nationalgefühl und Nationalbewegungen sowohl im russländischen als auch im habsburgischen Teil der von UkrainerInnen/RuthenInnen bewohnten Regionen im 19. Jahrhundert auf die Tagesordnung. Sie nahm in der Umbruchzeit am Ende des Ersten Weltkriegs (1917-1920) konkurrierende Formen an (Ukrainische Volksrepublik, Ukrainische Sowjetrepublik, Westukrainische Volksrepublik, Volksrepublik Donezk-Kriwoj Rog, Machnowschtschina), bis die Ukraine (ohne Westgalizien) 1920 Sowjetrepublik wurde. Ein weiterer, problematischer Moment zur Erringung von nationaler Unabhängigkeit ergab sich im Schatten des Russlandfeldzuges der Wehrmacht, als die Truppen der ukrainischen Nationalbewegung an der Vernichtung der Juden mitwirkten. Erst die Auflösung der Sowjetunion im Jahr 1991 eröffnete die Epoche der staatlichen Unabhängigkeit. Diese bestärkte ein Konzept von Nation, das auf der ukrainischen ethnisch-sprachlichen Priorität bis hin zur Homogenität beruhte und damit eine Kulturgrenze zwischen Russisch- und Ukrainisch-Sprachigen verstärkte, die es in dieser Exklusivität zuvor nicht gab; vielmehr waren die BewohnerInnen in der Regel gemischt- oder zweisprachig mit hybriden Idiomen wie das Surschyk.

Die Kulturgrenze betraf auch die kirchliche Ausrichtung und verband sich mit der außenpolitischen Orientierung des Landes. Der Druck, sich für eine Seite dieser multiplen Grenze zu entscheiden, kulminierte in der durch das im November 2013 vorgelegte EU-Assoziationsabkommen, dessen Ablehnung durch die Werchowna Rada und den Präsidenten die Maidan-Bewegung auslöste – mit den bekannten Folgen eines von der Verfassung nicht gedeckten Regierungswechsels, das Russische (sowie Minderheitensprachen) diskriminierende Sprach- und Schulgesetzen, Bürgerkrieg und Sezessionswunsch der östlichen Landesteile (die Abspaltung der Krim von der Ukraine und ihre Eingliederung in die Russländische Föderation bzw. Annexion durch diese erfordert eine separate Betrachtung). Mit dem völkerrechtswidrigen Angriff russländischer Truppen im Februar 2022 wurde der innerukrainische Konflikt auf eine zwischenstaatliche Ebene katapultiert.

Zum Verständnis ist es auch erforderlich, das weitere internationale Umfeld einzubeziehen. Dieses kann gegenwärtig mit den Stichworten europäische Sicherheitsordnung, internationale Verträge, Völkerrecht, NATO-Osterweiterung und Beitrittsfrage der Ukraine (NATO, EU), geostrategische sowie ökonomische Interessen Russlands sowie westlicher Staaten in Hinblick auf die internationale Positionierung der Ukraine. Die Eskalation zum Stellvertreterkrieg zwischen Russland und dem Westen macht diesen zu einem Ereignis von globaler Bedeutung.

Generell wird angestrebt, die Grenzen der Ukraine in der longue durée zu überblicken; die Seminararbeiten können und sollen jedoch spezifische Schwerpunkte setzen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Am Beginn steht eine Verständigung über die Ereignisgeschichte, bei der Quellenstudium und Quellenkritik eine zentrale Rolle spielen. Die Wahl der Aspekte und Themen richtet sich nach den Interessen der Studierenden. Eine zweite Basis bilden Theorien der Grenze und der Nation(sbildung) sowie die Bestimmung der für die Region ertragreichen Begriffe und Konzepte.
- In Bezug auf Grenze und Territorialität sind das: Grenzsaum (Ukraina, Militärgrenze, frontier), Kontaktzone, Zwischenraum, Peripherie, Linearität, Phantomgrenze, räumliche, soziale und kulturelle Grenzen und ihr Zusammenspiel.
- In Bezug auf Vorstellungen von Zugehörigkeit und Zusammengehörigkeit sind das: Stamm, Stände, Konfession und Kirche, sozio-ökonomische Rollen und Funktion; Nation (politische vs. ethnische Nation bzw. Nation im Unionsverband).

Die globalhistorische Perspektive eröffnet die Möglichkeit, das örtliche Geschehen (Mikroebene) in ein überregionales Bedingungsumfeld einzubetten. Dieses besteht aus einer Mesoebene der angrenzenden Staaten; herrschen diese über die Region bzw. greifen deren Kompetenzen auf das ukrainische Gebiet über, vermischen und verschieben sich Mikro- und Mesoebene.
Regionsferne (Groß-)Mächte, die Einfluss auf die Mikro- und Mesoebene nehmen, stellen den globalen Rahmen (Makroebene) dar. Aufgrund ihrer spezifischen Lage zwischen westlichen und östlichen Mächten bzw. Kulturräumen ist die Ein- und Abgrenzung der Region Ukraine immer wieder umstritten und nimmt wechselnde Formen an. Die Region ist damit in besonderem Maße externen (Meso und Makro) Interessen und Einflüssen ausgesetzt, die sich im Inneren reproduzieren.
Auf der Mesoebene sind das insbesondere: Polen(-Litauen), Russland, Ungarn, CSR und Rumänien (1918-1940); auf der Makroebene: Mongolisches Reich, Osmanisches Reich; Preußen, Habsburgerreich und Russländisches Reich (aufgrund der Polnischen Teilungen), Russländische Föderation ab 1991; Europäische Union (v.a. BRD, Polen, Schweden), USA und Großbritannien, im aktuellen Konflikt auch China und die Türkei sowie internationale Organisationen.

Dem Geschehen auf Mikroebene kommt überregionale Bedeutung auf der Meso- und Makroebene zu, wie umgekehrt – mit positiven Folgen für die Region (Handel, kulturelle Vielfalt, Kulturkontakt und -transfer, Brücke, Begegnung) ebenso wie mit problematischen Folgen wie Begehrlichkeiten, Funktionalisierung und Instrumentalisierung durch externe Mächte.

Fragestellungen (u.a.):
Politische Verfasstheit und Zugehörigkeit
Geopolitische Strategien und ökonomische Interessen
Herausbildung spezifischer Charakteristika als Grenzraum (Militärgrenze)
Ansätze von Autonomie und protostaatlicher Selbstverwaltung
Soziales Leben im Grenzraum
Ethnische Gruppen, Zusammenleben und Konflikte, Verbindung mit Konfession und Kirchenorganisation
Momente ukrainischer Nations- und Staatsbildung und ihr Nationsverständnis
Konkurrierende regional-, reichs- und nationalgeschichtliche Narrative (polnische, russische, ukrainische Perspektiven; gruppenspezifische Perspektiven); Symbole der Zusammengehörigkeit und Erinnerungskultur etc.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Anforderungen an die Studierenden:
Regelmäßige Teilnahme (max. 2 x unentschuldigte Fehlstunden)
Beteiligung an Diskussionen von Lektüre und Quellen (2-3 kleine schriftliche Reviews oder Zusammenfassungen); Konzepterstellung und Feedbacks
Mündliche Präsentation und schriftliche Ausarbeitung einer Seminararbeit (ca. 20 Seiten pro Person), Bereitschaft zur Gruppenarbeit
Da Lehramts- und Master-Studierende nur in Ausnahmefällen Sprachen der Region beherrschen, gibt es keine sprachlichen Voraussetzungen. Je nach Sprachkompetenz der Gruppe können unterschiedliche Quellen in Bearbeitung genommen werden.

Prüfungsstoff

Die Leistungsbeurteilung erfolgt anhand folgender Gewichtung:
Diskussionsbeteiligung, Feedbacks 10 Punkte
Kleinere schriftliche Zusammenfassungen der Textlektüre 5 Punkte
Konzept 5 Punkte
Mündliche (Gruppen-)Präsentation (mit Handout u/o PPT) 20 Punkte
Seminararbeit 25 Punkte
Qualität der Zusammenarbeit in der Gruppe 5 Punkte
Für eine positive Beurteilung sind alle Leistungen zu erbringen und mind. die Hälfte der Punkte (36) zu erreichen: 36-43 Punkte = 4, 44-52 = 3, 53-61 = 2, 62-70 = 1

Literatur

Zur Vorbereitung empfohlen:
Kappeler Andreas (20228): Kleine Geschichte der Ukraine, München.
Komlosy Andrea (2018): Grenzen. Wirtschaftliche und soziale Trennlinien im Zeitenlauf, Wien.
Weitere Literatur je nach thematischen Schwerpunktsetzungen, Literaturrecherche als Teil der SE-Arbeit

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis


MA Lehramt: UF MA GSP 01 Fachwissenschaft , SE Vertiefung 1 (6 ECTS)

Letzte Änderung: Mo 30.09.2024 15:05