Universität Wien

070451 FPR Frauen in Psychiatrien um 1900 - Ansätze einer praxistheoretischen Psychiatriegeschichte (2010W)

8.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 7 - Geschichte
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

Semesterplan ! Änderungen vorbehalten !

1. Überblick und Einführung (13.10.2010)

2. Zur GESCHICHTE DER PSYCHIATRIE um 1900 (27.10.2010)

3. KRANKENAKTEN ALS QUELLE (10.11.2010)

4. SELBSTZEUGNISSE ALS QUELLE (24.11.2010)

5. DIE INSTITUTION „PSYCHIATRIE“ (15.12.2010)

6. PRAXISTHEORETISCHE ANSÄTZE (12.1.2011)

7. EXKURSION: FÜHRUNG DURCH DEN NARRENTURM (19.1.2011)

8. WORKSHOP (26.1.2011)

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Mittwoch 13.10. 17:00 - 18:30 Seminarraum Geschichte 3 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 9
  • Mittwoch 27.10. 17:00 - 20:00 Seminarraum Geschichte 3 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 9
  • Mittwoch 10.11. 17:00 - 20:00 Seminarraum Geschichte 3 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 9
  • Mittwoch 24.11. 17:00 - 20:00 Seminarraum Geschichte 3 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 9
  • Mittwoch 15.12. 16:00 - 18:00 Prominentenzimmer Hauptgebäude, Tiefparterre Hof 4
  • Mittwoch 12.01. 16:00 - 18:00 Prominentenzimmer Hauptgebäude, Tiefparterre Hof 4
  • Mittwoch 19.01. 16:00 - 18:00 Prominentenzimmer Hauptgebäude, Tiefparterre Hof 4
  • Mittwoch 26.01. 16:00 - 18:00 Prominentenzimmer Hauptgebäude, Tiefparterre Hof 4

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

In der Quellenanalyse von Selbstzeugnissen (Briefe, Zeichnungen, Objekte u.ä.) und Krankenakten von Patientinnen psychiatrischer Anstalten des beginnenden 20. Jahrhunderts wird mit den TeilnehmerInnen die Anwendbarkeit eines praxistheoretischen Ansatzes erprobt. Der Fokus der Quellenanalyse richtet sich auf die Bedeutung von Alltagspraktiken (essen, arbeiten, wohnen, kleiden) unter den Gegebenheiten psychiatrischer Institutionen sowie gesellschaftlicher und geschlechtsspezifischer Konventionen um 1900.

Die kulturtheoretische Wende der 1980er Jahre führte auch in der Medizin- bzw. der Psychiatriegeschichte zu einem Perspektivenwechsel: ein zunehmendes Interesse an der Sicht der PatientInnen, ihren Erfahrungen und Wahrnehmungen war die Folge. Ein praxistheoretischer Ansatz erweitert diese patientInnenzentrierte Perspektive um die Ebene des Performativen, berücksichtigt den wirklichkeitskonstituierenden Aspekt von Handlungen sowie die Materialität von Praktiken. Die Selbstzeugnisse der Patientinnen lassen sich in dieser Herangehensweise als Manifestationen kultureller Praktiken beschreiben, wodurch dieselben an Fragen der Alltags-, Kultur- und Geschlechtergeschichte herangeführt werden. Zu Beginn des Semesters werden praxistheoretische Konzepte in den Geschichtswissenschaften sowie patientinnenzentrierte Ansätze in der Medizin- bzw. Psychiatriegeschichte gemeinsam erarbeitet. Normative und alltagspraktische Quellen (Statuten, Hausordnungen, Jahresberichte etc.) sollen Einblicke in strukturelle, organisationsspezifische und architektonische Gegebenheiten psychiatrischer Institutionen geben.

In der gemeinsamen Quellenanalyse stehen abschließend folgende Fragen im Mittelpunkt: Was lässt sich anhand der Quellen über den Stellenwert konkreter Praktiken im Alltag der Patientinnen aussagen? Welche geschlechts- und klassenspezifischen Kodierungen, welche Vorstellungen von Welt, Gesellschaft und Identität, welche Lebensentwürfe, Bedürfnisse und Ängste werden sichtbar? Inwiefern ermöglichen die den Patientinnen vertrauten Praktiken eine Aneignung des fremden Raumes und auf welche Art und Weise, unter welchen Gegebenheiten, mit Bezugnahme auf welches implizite Wissen finden diese Prozesse der Aneignung statt?

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

prüfungsimmanent; regelmäßige und aktive Mitarbeit; schriftliche Vorbereitung der zu lesenden Lektüre und Quellentexte; Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Quellensorten; Präsentation eines thematischen Aspekts im Rahmen der Quellenanalyse;

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Die Inhalte der Übung werden von der Lehrveranstaltungsleiterin aufbereitet sowie durch Gruppenarbeit und eine anschließend angeleitete Diskussion der Lektüre gemeinsam erarbeitet. Eine Zusammenfassung der vereinbarten Lektüre ist per E-Mail abzugeben und wird von der Lehrveranstaltungsleiterin korrigiert. Dadurch sollen zugleich die Schreib- und Textkompetenzen der TeilnehmerInnen gefördert werden.
Das Einbeziehen von Primärquellen wie Krankenakten und Selbstzeugnissen ermöglicht eine Vertiefung und praktische Anwendbarkeit der zuvor erarbeiteten theoretischen und methodischen Konzepte. Die TeilnehmerInnen werden dabei unterstützt, Theorien als Werkzeuge des Forschens zu begreifen und produktiv zu machen.
Die Übung will die Studierenden an das wissenschaftliche Forschen heranführen und Anleitungen sowie Inspirationen zur Strukturierung einer Forschungsarbeit sowie zur Aufbereitung von Archivalien geben. Zudem hat die Übung das Ziel, die Kreativität der Studierenden im Umgang mit historischen Quellen zu fördern. Dies wird durch einen gezielt interdisziplinären Ansatz ermöglicht, der sich in der Auswahl der Lektüre, der Schwerpunktsetzung in der Quellenanalyse sowie in den Unterrichtsmethoden manifestiert.

Prüfungsstoff

Literatur

Kai Sammet, Paratext und Text. Über das Abheften und die Verwendung psychiatrischer Krankenakten. Beispiele aus den Jahren 1900-1930. In: Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Nervenheilkunde (2006) Bd. 12, S. 339-367.
Roy Porter, The Patient’s View. Doing Medical History from below. In: Theory and Society 14 (1985) S. 175-198.
Nancy Tomes, Feminist Histories of Psychiatry. In: Mark Micale/Roy Porter (Hg.): Discovering the History of Psychiatry. New York/Oxford 1994, S. 348-383.
Philipp Osten, Patientendokumente. Krankheit in Selbstzeugnissen. In: Philipp Osten (Hg.), Patientendokumente. Krankheit in Selbstzeugnissen (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte – Beihefte 35) Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010 (in Druck) S. 7-19.
(1) Monika Ankele, The Medium is a Message. Materialität als Text. Überlegungen zu zwei Selbstzeugnissen aus der Sammlung Prinzhorn (1890-1920). In: Philipp Osten (Hg.), Patientendokumente. Krankheit in Selbstzeugnissen (= Medizin, Gesellschaft und Geschichte – Beihefte 35) Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2010 (in Druck).
Erving Goffman, Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen. (engl. Orig. 1961) Frankfurt am Main: Suhrkamp 1973. (Auszug)
Andreas Reckwitz, Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Eine sozialtheoretische Perspektive. (= Zeitschrift für Soziologie, Jg. 32, H 4, 2003) 282-300.
(siehe: http://www.uni-bielefeld.de/geschichte/abteilung/arbeitsbereiche/moderne/reckwitz.pdf)
Sven Reichardt, Praxeologische Geschichtswissenschaft. Eine Diskussionsanregung. (= Sozial. Geschichte 22/2007, 3) S. 43-65.

Überblickstext zu psychiatrischen Diskursen um 1900:
(2) Monika Ankele, (Be-)Deutungen des Alltäglichen. Psychiatrische Diskurse um 1900. In: Dieselbe, Alltag und Aneignung in Psychiatrien um 1900. Selbstzeugnisse von Frauen aus der Sammlung Prinzhorn. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2009. S. 28-59.

Historische Texte:
Emil Kraepelin, Hundert Jahre Psychiatrie. Ein Beitrag zur Geschichte menschlicher Gesittung. Berlin 1918.
Emil Kraepelin, Psychiatrie. Ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte. 1. Bd. (Orig. 1883) 7. vielf. umgearb. Aufl. Leipzig 1903. (Auszug)

Die Texte finden sich kopiert als Handapparat am Institut für Geschichte und werden den TeilnehmerInnen zu Beginn des Semesters auch als pdf-Datei zur Verfügung gestellt.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Diplomstudium Geschichte: P3;

Letzte Änderung: Mi 15.12.2021 00:17