070612 SE Biographieforschung (2006W)

Sozial- und kulturwissenschaftliche Biographieforschung hat - ganz im Unterschied zur Biographik als Genre der Historiographie - einen stringenten Theorie- und Methoden-Diskurs. Dessen Anfänge liegen in der soziologischen Migrations- und Minderheitenforschung in den 1930er Jahren; ihre weitere Entwicklung erfolgte in Auseinandersetzung mit den großen System-Brüchen des 20. Jahrhunderts, v. a. dem "Zivilisationsbruch" des Dritten Reichs und der Täter- und Opferforschung, der Gender Forschung sowie der Sozialisations-, Kindheits- und Jugendforschung u.a.. Untrennbar verbunden mit sozial- und kulturwissenschaftlicher Biographieforschung sind Forschungen und Theoriedebatten zu Gedächtnis und Erinnerung, Trauma, Vergessen und Verdrängen, Erzählen und Identität. Maßgebliche Wissenschaften sind Soziologie und Sozialpsychologie, Psychoanalyse, Psychohistorie.
Das Forschungsseminar führt zunächst über Lektüre und Diskussion in die genannten Theoriekomplexe ein und eröffnet danach einen Übungsraum für sozial- und kulturwissenschaftliche Anwendungen der Biographieforschung. Nach Lektüre und Diskussion von bereits "klassischen" Texten zur Biographieforschung wird in rezente Theorien und Methodologien eingeführt. Es folgt eine empirische Phase der "Datenerhebung" mit folgenden Techniken: a) Symptomatisches Lesen von autobiographischen und biographischen Texten b) Technik des narrativ-biographischen Interviews c) Einübung in die sequenzielle Analyse von biographischen Texten unterschiedlicher Herkunft (schriftlich tradierte Biographien, Textprotokolle aus biographischen Interviews, Filmbiographien u. a.) Schließlich folgt die Verfassung und Diskussion biographischer Falldarstellungen, in denen das eingesetzte Verfahren der Konstruktion und Analyse transparent wird.
Prüfungsimmanente LV. Begrenzte TeilnehmerInnenzahl: 20