Universität Wien

080029 SE M410 Wissen und Materialität: Körper als Objekt. (2024W)

Menschliche Überreste in Museen und Sammlungen

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Bitte beachten Sie die Terminänderung: 25.10. und 30.10.24

  • Freitag 25.10. 14:30 - 16:00 Seminarraum 2 (4.Stock) EE Hanuschgasse
  • Freitag 25.10. 16:15 - 17:45 Seminarraum 2 (4.Stock) EE Hanuschgasse
  • Freitag 08.11. 14:30 - 16:00 Seminarraum 2 (4.Stock) EE Hanuschgasse
  • Freitag 08.11. 16:15 - 17:45 Seminarraum 2 (4.Stock) EE Hanuschgasse
  • Freitag 06.12. 14:30 - 16:00 Seminarraum 2 (4.Stock) EE Hanuschgasse
  • Freitag 13.12. 14:30 - 16:00 Seminarraum 2 (4.Stock) EE Hanuschgasse
  • Freitag 13.12. 16:15 - 17:45 Seminarraum 2 (4.Stock) EE Hanuschgasse
  • Freitag 10.01. 14:30 - 16:00 Seminarraum 2 (4.Stock) EE Hanuschgasse
  • Freitag 24.01. 14:30 - 16:00 Seminarraum 2 (4.Stock) EE Hanuschgasse
  • Freitag 24.01. 16:15 - 17:45 Seminarraum 2 (4.Stock) EE Hanuschgasse
  • Freitag 31.01. 14:30 - 16:00 Seminarraum 2 (4.Stock) EE Hanuschgasse
  • Freitag 31.01. 16:15 - 17:45 Seminarraum 2 (4.Stock) EE Hanuschgasse

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Menschliche Überreste ("human remains") sind kein einfaches Sammelgebiet. Der Mensch als Sammelobjekt wirft viele Fragen auf. Die Sammlungsethik rückt in diesem Bereich immer mehr in den Vordergrund. Vor allem die Entstehung und der Kontext der Sammlung ist ein wesentliches Thema. Wie geht man mit Menschen und dem, was von ihnen übrig geblieben ist, um? Darf man in einer Sammlung menschliche Überreste ausstellen? Darf man diese inszenieren? Wie kann das mit Respekt geschehen bzw. ist überhaupt Respekt notwendig? Gunther v. Hagen (vgl. Institut für Plastination 2014) ist hier nur als ein Beispiel für diese Debatte über die Schau-Lust am menschlichen Körper genannt.
Seit einigen Jahrzehnten kommt neben diesen Fragen noch eine weitere zentrale dazu: Muss man diese Objekte eventuell restituieren? Das ist vor allem für viele Museen und letztlich sogar für die Diplomatie zwischen den betroffenen Ländern wesentlich. Immer wieder fordern Gruppen von Indigenen, die Körper und Körperteile ihrer Vorfahren zurück. Doch auch Körper von Menschen aus der eigenen Kultur wurden gesammelt (NS-Opfer, Dissident:innen, Außenseiter:innnen, Kriminelle, Tätowierte etc.). Dies betrifft nicht nur medizingeschichtliche, gerichtsmedizinische, kriminologische oder ähnliche Sammlungen. Wie damit umgehen? Wann ist eine Bestattung, Rückgabe, wann ein Ausstellen vielleicht sogar sinnvoll?
Die Folgen der Ausstellungsreihe von von Hagens etwa waren gravierend: Die Debatte über den Umgang mit menschlichen Körpern wurde im Museumsbereich schon länger als relevant erkannt. 2003 erschienen die "Stuttgarter Empfehlungen" im Deutschen Ärzteblatt, die vor allem den Umgang mit menschlichen Überresten aus der Zeit des Nationalsozialismus klären bzw. regeln sollten. Durch von Hagens immense Breitenwirkung und seine ethischen Grenzverletzungen entflammte die Debatte über den Umgang mit human remains erneut.
Das Sammeln von Körpern und Körperteilen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts diente oft auch zur Untermauerung von "Rasse"-ideologischen oder evolutionistischen Ansichten. Für Marianne Sommer wurden dadurch die human remains zu natürlichen Phänomenen, die "unter den materiellen, praktischen und theoretischen Konstellationen eines bestimmten Forschungsumfeldes zu Hybriden zwischen Konzepten und Dingen" avancieren (Sommer 2011). Sie sind mehr als nur Körperteile für die WissenschaftlerInnen und SammlerInnen - aber auch für die Beforschten.
Im Rahmen dieser LV wird der Rolle von Menschlichen Überresten als Forschungs-, Ausstellungs-, Kunst- und Sammelobjekten nachgegangen. Human Remains werden sowohl unter theoretischen Aspekten (Othering, Museologie, Anthropologie, Medizin, Philosophie etc.) anhand von praktischen Beispielen aus Medizin, europäische Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie, Nationalsozialismus, Kunst etc. veranschaulicht.
Lehrziel:
Eingehende Beschäftigung mit zentralen theoretischen und grundlegenden, ethnographischen und mikroanalytischen Texten zum Thema. Auseinandersetzung mit Interpretationen und Kontroversen zum Thema, unter Einbeziehung visueller Medien und anderer multimedialer Materialien.
Dafür ist es geplant, Führungen in verschiedenen Wiener Sammlungen (Narrenturm, Volkskundemuseum, Ethnographische Sammlung des Instituts für Kultur- und Sozialanthropologie, Josephinum, evtl. Gerichtsmedizinisches Museum) durchzuführen und auch mit Gastvortragenden zu diskutieren.

Methoden:
Die LV soll interaktiv gestaltet werden und nach einführenden Vorträgen soll das Wissen durch Lektüre und gemeinsames Erarbeiten von Texten, sowie Gruppendiskussionen und Kurzreferate vermittelt werden.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung.

Aktive Teilnahme, Referate und schriftliche Arbeit auf der Basis eigener kleinerer Forschungen

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Die Lehrveranstaltung ist prüfungsimmanent. Das Versäumen von zwei Einheiten (à 90 min) ist unentschuldigt möglich.

Notenskala:
> = 92 sehr gut (1)
> = 80 gut (2)
> = 65 befriedigend (3)
> = 51 genügend (4)
< 51 nicht genügend (5)

Prüfungsstoff

Literatur

International Council of Museums
2013 ICOM Code of Ethics for Museums. I.C.o.M. (ICOM), ed. Paris: ICOM.

Ahrndt, Wiebke, Thomas Schnalke, and Anne Wesche
2013 Geschichte und Umstände des Sammelns menschlicher Überreste in Deutschland und Europa. In Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen. D. Museumsbund, ed. Pp. 12-19. o. A.: Deutscher Museumsbund.

Andersen, Lauren
2010 Exhibiting Human Remains in the Museum. A Discussion of Ethics and Museum Practice. Final Research Paper. o. A.

Anzieu, Didier
1991 Das Haut-Ich. Volume 1255. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Assmann, Aleida
2003 Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München: C. H. Beck.

Clifford, James
1985 Objects and Selves. An Afterword. In Objects and Others. Essays on Museums and Material Culture. G.W. Stocking, Jr., ed. Pp. 236-246. History of Anthropology. Madison, Wisconsin/London: The University of Wisconsin.

Eberhard, Igor
2015 Tätowierte Kuriositäten, Obszönitäten, Krankheitsbilder? Die Heidelberger Sammlung Walther Schönfeld unter besonderer Berücksichtigung von Tätowierungen und ihren tattoo narratives Dissertation, Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien.

Feest, Christian F.
2000 Das Ding. Die Ethnologie und ihr Gegenstand. Archiv für Völkerkunde 51:5-5.

Foucault, Michel
2007 Die Anormalen. Vorlesungen am Collège de France (1974-1975). Volume 1853. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag.

2011 Die Geburt der Klinik. Eine Archäologie des ärztlichen Blicks. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag.

Groys, Boris
1997 Logik der Sammlung. Am Ende des musealen Zeitalters. München: Carl Hanser Verlag.

Hahn, Alois
2010a Körper und Gedächtnis. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Hahn, Hans Peter
2005 Materielle Kultur. Eine Einführung. Berlin: Dietrich Reimer Verlag.

Laukötter, Anja
2013 Gefühle im Feld. Die "Sammelwut" der Anthropologen in Bezug auf Körperteile und das Konzept der "Rasse" um die Jahrhundertwende. In Sammeln, Erforschen, Zurückgeben? Menschliche Gebeine aus der Kolonialzeit in akademischen und musealen Sammlungen. H. Stoecker, T. Schnalke, and A. Winkelmann, eds. Pp. 24-44. Studien zur Kolonialgeschichte. Berlin: Ch. Links Verlag.

Plastination, Institut für
2014 Gunter von Hagens' Körperwelten. Das Original., Vol. 2014. Heidelberg: Institut für Plastination.

Stoecker, Holger, Thomas Schnalke, and Andreas Winkelmann, eds.
2013 Sammeln, Erforschen, Zurückgeben? Menschliche Gebeine aus der Kolonialzeit in akademischen und musealen Sammlungen. Volume 5. Berlin: Ch. Links Verlag.

Toggweiler, Michael
2008 Kleine Phänomenologie der Monster Arbeitsblätter des Instituts für Sozialanthropologie der Universität Bern 42(2008):1-85.

Vieregg, Hildegard
2006 Museumswissenschaften. Volume 2823. München: Wilhelm Fink Verlag/UTB.

Wright, Kirsten
2009 Recording ‘a very particular Custom’: tattoos and the archive. Archival Science 9(2009):99-111.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Di 01.10.2024 14:05