080065 SE SE Geschichte der islamischen Kunstgeschichte (2016S)

Die moderne wissenschaftliche Erforschung von Kunst islamischer Länder und die Entstehung eines Diskussionsfeldes 'islamische Kunstgeschichte' als Teil einer universitären Disziplin gehen auf das 19. Jahrhundert und den Beginn des 20. Jahrhunderts zurück. Die Geschichte der islamischen Kunstgeschichte ist methodisch und intellektuell mit der Ausbildung von Kunstgeschichte zu einer Wissenschaft und mit dem Aufschwung der Disziplinen Archäologie und Orientalistik verbunden. Sie wurde in Europa angetrieben von den Orientmoden und dem Orientalismus des 19. Jahrhunderts, der Auseinandersetzung mit und Sammlung von außereuropäischer Kunst. Genuin ästhetische und gelehrte Interessen bildeten ebenso einen Rahmen wie das Bestreben einer Vermessung und Einvernahme der Welt in den, oftmals kolonialen, Perspektiven der Zeit.

Die islamische Kunstgeschichte ist erst seit kurzem vermehrt Thema wissenschaftsgeschichtlicher Selbstreflexionen und Standortbestimmungen. Sie lässt sich als eine Geschichte von Forschungsthemen und Diskursen, von Disziplinen, Institutionen und Wissenschaftlern erzählen. Dabei stehen meist Deutschland, Großbritannien, Frankreich und, für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, die USA im Mittelpunkt. Das hat eine Berechtigung: die erste "Islamische Abteilung" in einem Museum wurde 1904 in Berlin gegründet; die erste internationale Ausstellung "Muhammedanischer Kunst" fand 1910 in München statt; die ersten großen Ausstellungen "persischer" Kunst 1913 und 1931 in London; das erste kunsthistorische Handbuch zu "Art musulman" wurde 1907 in Paris veröffentlicht.

Jedoch ist kaum thematisiert worden, dass Gelehrte und Institutionen in Österreich (bzw. Österreich-Ungarn vor 1918) und in Wien einen wichtigen Beitrag zur Entstehung islamischer Kunstgeschichte geleistet haben.
Siehe dazu: https://kunstgeschichte.univie.ac.at/institut/mitarbeiterinnen/ifk-ritter00/kurze-geschichte/

Ziel dieser Lehrveranstaltung ist es, wesentliche Entwicklungen der internationalen Geschichte islamischer Kunstgeschichte seit dem 19. Jahrhundert zu verfolgen und Beiträge aus Österreich(-Ungarn) zu erschließen. Das soll mit einem Blick auf Schlüsseltexte, Wissenschaftlerbiographien, Institutionen und historische Rahmenbedingungen geschehen. Dazu gehen wir im wesentlichen von Texten aus. Neben der Nutzung von Sekundärliteratur sollen historische Veröffentlichungen als Quellen gelesen werden. Als gemeinsames Ergebnis wird eine Ausstellungskonzeption erarbeitet, die die Wissenschaftsgeschichte in Österreich der Geschichte um den deutschen Islamkunsthistoriker und Museumsdirektor Friedrich Sarre (1865-1945) gegenüberstellt.