Universität Wien

100017 VO NdL: Gegenwartsliteratur: (Auto-)Biographisches Schreiben (2024W)

4.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 10 - Deutsche Philologie

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

Sprache: Deutsch

Prüfungstermine

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Donnerstag 03.10. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7
  • Donnerstag 10.10. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7
  • Donnerstag 17.10. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7
  • Donnerstag 31.10. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7
  • Donnerstag 07.11. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7
  • Donnerstag 14.11. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7
  • Donnerstag 21.11. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7
  • Donnerstag 28.11. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7
  • Donnerstag 05.12. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7
  • Donnerstag 12.12. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7
  • Donnerstag 09.01. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7
  • Donnerstag 16.01. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7
  • Donnerstag 23.01. 09:45 - 11:15 Hörsaal 7 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 7

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Biographien haben in der gegenwärtigen Buchlandschaft Konjunktur. Viele dieser gegenwärtigen Biographien erheben auch einen literarischen Anspruch. In der Biographie und Autobiographie feiert das Subjekt seine Wiederkehr. (Auto-)Biographien gehören zu den Grundlagen der Kultur, indem sie Vorstellungen vom Menschen entwerfen und ihn in seiner sozialen Umwelt situieren. Sie kommen einem Bedürfnis der Menschen entgegen, ihrem Leben Sinn zu verleihen, indem sie bedeutende Ereignisse daraus auswählen. Nicht erst der Biograph, der das Leben beschreibt, unterwirft dieses einer erzählerischen Ordnung. Die Menschen selbst sind es, die ihr Leben als etwas Erzählbares, Kohärentes erfahren, als etwas, das Entwicklungslinien und einer Logik folgt.
Dabei ist die (Auto-)Biographie ein hybrides Genre, das zwischen (historischem bzw. kulturwissenschaftlichem) Sachbuch und Literatur, Faktographie und Fiktion, zwischen Lebensbeschreibung und literarischer Konstruktion, zwischen einer wissenschaftlichen und einer literarischen Erkenntnisweise laviert. Dementsprechend befassen sich verschiedene Disziplinen mit der Analyse dieser Gattung, mit der Biographieforschung: Neben der Literaturwissenschaft auch die Geschichts- und die Kulturwissenschaften.
Richten wir als Literaturwissenschaftler*innen den Blick auf die moderne Literatur, so ist ein Befund zentral: Die moderne und insbesondere die Gegenwartsliteratur hat in der Frage der narrativen Kohärenz mit den klassisch-realistischen Erzählkonventionen radikal gebrochen. An die Stelle einer zusammenhängenden Lebenserzählung treten Fragmente und Splitter: diese Fragmentierung betrifft ebenso das beschriebene Leben wie den Beschreibenden/die Beschreibende, dem/der nur mehr ein fragmentiertes Wissen zur Verfügung steht. An die Stelle der Chronologie tritt ein sprunghafter Wechsel zwischen gegenwärtigem Erleben und Erinnerungen, an die Stelle einer einheitlichen, holistischen Sicht eine Vielfalt gleichberechtigter, oft widersprüchlicher Erzählperspektiven. Die Widersprüche im Leben werden nicht mehr übertüncht und harmonisiert, die Brüche nicht verdeckt, die Fugen nicht verkittet, die Lücken nicht geschlossen. So erfordern (auto-)biographische Texte gleichermaßen kritische Schreibende und kritische Leser*innen.
Im Namen dessen, was in der Realität als Leben erfahren wird, im Namen des Authentischen widersetzt sich die moderne Literatur den Normen und Erwartungen, die die Gesellschaft nach wie vor dem Leben der Individuen entgegenbringt. Der Lebenslauf als künstliches Konstrukt wird daher nicht als Produkt einer idealistischen, totalisierenden Weltanschauung betrachtet, sondern von den gesellschaftlichen Institutionen als Norm eingefordert. Dementsprechend besteht die Aufgabe des literarischen (auto-)biographischen Schreibens darin, kritisch zu analysieren, wie Subjekte sich selbst repräsentieren und erzählerisch einen sinnvollen Lebenslauf, einen ‚Lebensweg‘ konstruieren.
Solcher aktiver, konstruierender Produktions- und Rezeptionsprozess entspricht der Tatsache, dass sowohl die Autobiographie als auch die Biographie, die im Unterschied zur Autobiographie über den Tod der Person hinausgehen kann, auf Vergegenwärtigung angewiesen ist. Was über den Lebensverlauf erzählt werden kann, ist abhängig vom gegenwärtigen Vorgang der Beobachtung, Erinnerung oder Auswertung von Dokumenten. Narratologisch ausgedrückt konstituiert sich die (Auto-)Biographie im Spannungsverhältnis zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit, von synchroner und diachroner Perspektive. Die Vergegenwärtigung im Akt des (auto-)biographischen Schreibens wiederholt sich im Rezeptionsakt, der das (auto-)biographisch Erzählte in ein Eigenes verwandelt, es sich anverwandelt.
Ziel der Vorlesung ist die kritische Auseinandersetzung mit den genannten Problemstellungen. Die Studierenden haben während der Vorlesung Gelegenheit, zu den Ausführungen des Vortragenden Fragen zu stellen, und werden ermutigt, eigene Sichtweisen einzubringen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Schriftliche Prüfung über den Vorlesungsstoff vor Ort. Keine Hilfsmittel sind erlaubt.
Schriftliche Beiträge aller Lehrveranstaltungstypen der SPL 10 können einer automatischen Plagiatsprüfung unterzogen werden; dazu zählen insbesondere Arbeiten der Pro-, Bachelor- und Masterseminarstufe, aber auch Lehrveranstaltungsprüfungen (z.B. Vorlesungsprüfung) und Teilprüfungen (z.B. Zwischentest, 'Hausübungen').

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Es sind 7 Fragen zu je 10 Punkten zu beantworten. Davon müssen mindestens 4 richtig beantwortet werden bzw. muss bei teilweiser richtiger Beanwortung ein äquivalenter Wert (40 Punkte) erreicht werden, um die Prüfung positiv abzuschließen.
Notenschlüssel: 7 Fragen zu je 10 Punkten
Notenskala: max. Punkteanzahl: 70
ab 63: 1
ab 56: 2
ab 49: 3
ab 40: 4
kleiner gleich 39: 5

Prüfungsstoff

Der Stoff der gesamten Vorlesung

Literatur

Eric Achermann: Von Fakten und Pakten. Referieren in fiktionalen und autobiographischen Texten. In: Auto(r)fiktion. Literarische Verfahren der Selbstkonstruktion. Hg. von Martina Wagner-Egelhaaf. Bielefeld: transcript 2013, S. 23–53.
Hans Erich Bödeker: Biographie. Annäherungen an den gegenwärtigen Forschungs- und Diskussionsstand. In: ders. (Hg.): Biographie schreiben.Göttingen: Wallstein 2003, S. 9-63.
Thomas Böning: Dichtung und Wahrheit. Fiktionalisierung des Faktischen und Faktizierung der Fiktion. Anmerkungen zur Autobiographie. In: Gerhard Neumann / Sigrid Weigel (Hg.): Lesbarkeit der Kultur. Literaturwissenschaften zwischen Kulturtechnik und Ethnographie. München 2000, S. 343-373.
Pierre Bourdieu: Die biographische Illusion (Bios 3/1 (1990), S. 75–81). In: BIOS - Zeitschrift für Biographieforschung, Oral History und Lebensverlaufsanalysen, 32/1-2 (2019), S. 41-47.
Claudia Breger, Fritz Breithaupt: „Einleitung. Empathie und Erzählung“. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 82 (2008) H. 3, S. 351–354.
Paul J. Eakin: Fictions in Autobiography. Studies in the Art of Self-Invention. Princeton 1988.
Georg Feitscher: Kontemplation und Konfrontation. Die Topik autobiographischer Erzählungen der Gegenwart. Tübingen: Mohr Siebeck 2018.
Bernhard Fetz, Hannes Schweiger (Hg.): Spiegel und Maske. Konstruktionen biographischer Wahrheit. Wien 2006 (= Profile, Bd. 13).
Bernhard Fetz (Hg.): Die Biographie - Zur Grundlegung ihrer Theorie. Berlin, New York: De Gruyter 2009.
Bernhard Fetz, Wilhelm Hemecker (Hg.): Theorie der Biographie. Grundlagentexte und Kommentare. Berlin u.a.: De Gruyter 2011.
Michel Foucault: Das Leben der infamen Menschen [1977]. Deutsch von Hans-Dieter Gondek. In: Bernhard Fetz, Wilhelm Hemecker (Hg.): Theorie der Biographie. Grundlagentexte und Kommentare. Berlin u.a.: De Gruyter 2011, S. 257-275.
Manfred Frank: Die Unhintergehbarkeit von Individualität. Reflexionen über Subjekt, Person und Individuum aus Anlaß ihrer ,postmodernen‘ Toterklärung. Frankfurt/M. 1986.
Wilhelm Hemecker (Hg.): Die Biographie – Beiträge zu ihrer Geschichte. Unter Mitarbeit von Wolfgang Kreutzer. Berlin, New York: De Gruyter 2009.
Michaela Holdenried. Autobiographie. Stuttgart: Reclam 2000.
Ruth Klüger: Zum Wahrheitsbegriff in der Autobiographie [1996]. In: Anja Tippner, Christopher F. Laferl (Hg.): Texte zur Theorie der Biographie und Autobiographie. Stuttgart: Reclam 2016, S. 324-332.
Hermione Lee: Biography. A Very Short Introduction. Oxford: Oxford University Press 2009.
Jürgen Lehmann: Erkennen – Erzählen – Berichten. Studien zu Theorie und Geschichte der Autobiographie. Tübingen 1988.
Philippe Lejeune: Le pacte autobiographique (bis). In: ders.: Moi aussi. Collection Poétique. Paris: Seuil 1986, S. 13–36.
Nancy C. Miller: Andere darstellen: Gender und die Subjekte der Autobiographie [1994]. Übersetzt von Holger Hanowell. In: Anja Tippner, Christopher F. Laferl (Hg.): Texte zur Theorie der Biographie und Autobiographie. Stuttgart: Reclam 2016, S. 280-302.
Gunter Niggl: Zur Theorie der Autobiographie. In: Studien zur Autobiographie. Hg. von dems. Berlin: Duncker & Humblot 2012, S. 39–51.
Ulrich Raulff: „Das Leben – buchstäblich. Über neuere Biographik und Geschichtswissenschaft“. In: Grundlagen der Biographik. Theorie und Praxis biographischen Schreibens. Hg. v. Christian Klein. Stuttgart, Weimar 2002, S. 55–68.
Angelika Steidele: Poetik der Biographie. Berlin: Matthes & Seitz 2019.
Anja Tippner, Christopher F. Laferl (Hg.): Texte zur Theorie der Biographie und Autobiographie. Stuttgart: Reclam 2016.
Martina Wagner-Egelhaaf. Autobiographie. 2. Aufl. Stuttgart: Metzler 2005.
Frank Zipfel: Autofiktion. Zwischen den Grenzen von Faktualität, Fiktionalität und Literarität? In: Grenzen der Literatur. Zu Begriff und Phänomen des Literarischen. Hg. von Simone Winko, Fotis Jannidis und Gerhard Lauer. Berlin, New York: De Gruyter 2009, S. 285-314.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Fr 27.09.2024 17:46