Universität Wien
Achtung! Das Lehrangebot ist noch nicht vollständig und wird bis Semesterbeginn laufend ergänzt.

100102 PS NdL: Literatur und Revolution (2024W)

4.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 10 - Deutsche Philologie
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Dienstag 08.10. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 15.10. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 22.10. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 29.10. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 05.11. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 12.11. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 19.11. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 26.11. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 03.12. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 10.12. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 17.12. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 07.01. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 14.01. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 21.01. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Dienstag 28.01. 18:30 - 20:00 Seminarraum 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Die Revolution – von den einen als verstaubter Fetisch, als Marotte aus der Mottenkiste abgetan; von den anderen in mythisch überhöhter Heilserwartung angepriesen. Sie ist als „umwälzende Praxis“ (Marx) aus heutigen gesellschaftlichen Diskursen ebenso verschwunden, wie sie uns als Wiederkehr des „immer Neuen“ (Benjamin) von jedem Werbebanner entgegentritt. Sie ist ökonomisch, sozial, kulturell, ästhetisch und wissenschaftlich.

Die inhärente Widersprüchlichkeit der Revolution, die sich schon in ihrer Etymologie als qualitativer Um- und Aufbruch wie auch als ständige Wiederholung ankündigt, prägt ihre historischen Erscheinungsformen wie ihre literarischen Diskurse: Die Revolution ist nirgendwo zu sehen und überall zu finden. Sie ist unmöglich, bis sie unvermeidlich ist. Sie ruft mit Büchner „Friede den Hütten – Krieg den Palästen!“ und frisst doch ihre Kinder. Sie verkündet aus der siegessicheren Feder Freiligraths: „Ich war, ich bin, ich werde sein!“ und wiederholt diese Worte nach der Niederschlagung des Spartakusaufstands aus der verzweifelten Feder Rosa Luxemburgs unmittelbar vor ihrer Ermordung.

Literatur partizipiert auf vielfältige Weise an Phänomenen und Diskursen des Revolutionären – sei es, indem Schriftsteller*innen selbst auf den Barrikaden stehen, sei es, dass sie revolutionäre Ereignisse in Texten verarbeiten oder Ästhetiken und Schreibweisen revolutionieren. Gleichzeitig scheint der Revolution etwas irreduzibel Literarisches anzuhaften – sie schafft eigene Narrative, sie vollzieht sich in Episoden und Akten, sie erscheint ihren Akteur*innen allzu oft als Tragödie oder gar Farce, sie bringt die abenteuerlichsten Geschichten hervor, sie stiftet neue Signifikationsweisen und bringt von der Parole über das Manifest bis zur Parrhesia ihre eigene Literatur hervor. Die Affinität von Literatur und Revolution weist dabei über literatursoziologische Dimensionen hinaus: Beide erscheinen als unterschiedliche Realisationsweisen bzw. -versuche des „Noch-Nicht“ (Bloch) – dessen, was seine Wirklichkeit aus der Sphäre der Möglichkeit heraus entwickelt, des gleichermaßen Konkreten wie Utopischen.

In diesem lektüre- und diskussionsintensiven Proseminar werden Texte zu bzw. aus vier revolutionären Schlüsselepochen gemeinsam gelesen und bearbeitet:
- 1789ff: Französische Revolution, Haitianische Revolution
- 1848: Europäische Revolution
- 1917ff: Russische Revolution und internationale revolutionäre Welle
- 1968: Multidimensionale globale Revolte
Im letzten Teil des Seminars werden aktuelle und zukünftige Revolutionen im Zentrum stehen.

Erkenntnisleitend sollen dabei Fragestellungen sowohl nach den ästhetischen Verarbeitungs- und Hervorbringungsweisen des Revolutionären, wie auch literatursoziologische und wissenspoetologische Perspektiven sein.

Nicht zuletzt geht es darum, zu erörtern, wie in einer Zeit über Revolution nachgedacht, gesprochen und geschrieben werden kann, welche die Folgen ihres Eintretens wie auch ihres Ausbleibens, ihres Erfolges wie auch ihres Scheiterns erfahren hat – in einer Zeit, in welcher zwar „das Ende der Welt einfacher vorzustellen ist als das Ende des Kapitalismus“ (Fisher), in der jedoch gleichzeitig jeder IPCC-Bericht mit seinen nüchternen Befunden zum Fortschreiten der Klimakrise einen „Aufruf zur Revolution“ (Die Zeit, 4.4.2022) darstellt.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Schriftliche Beiträge aller Lehrveranstaltungstypen der SPL 10 können einer automatischen Plagiatsprüfung unterzogen werden; dazu zählen insbesondere Arbeiten der Pro-, Bachelor- und Masterseminarstufe, aber auch Lehrveranstaltungsprüfungen (z.B. Vorlesungsprüfung) und Teilprüfungen (z.B. Zwischentest, 'Hausübungen').

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen aus dem Angebot der SPL10 sind grundsätzlich anwesenheitspflichtig. Maximal zweimaliges Fehlen ist erlaubt. Eine konsequenzlose Abmeldung ist bei wöchentlichen Lehrveranstaltungen bis vor der dritten LV-Einheit möglich, bei 14-tägigen Lehrveranstaltungen und Blöcken bis vor dem zweiten Termin.

Umfang der Abschlussarbeiten: Proseminararbeiten 15 Seiten Haupttext
Das Hauptgewicht der Beurteilung liegt auf der schriftlichen Proseminararbeit.

Prüfungsstoff

Vorläufiger Seminarplan
(bei den Einheiten am 15.10., 26.11.+03.12. und 28.1. kann einer der beiden Texte individuell ausgewählt werden)

01.10.
Einführung

08.10.
Georg Büchner: Dantons Tod

15.10. Auswahlmöglichkeit
- Heinrich von Kleist: Die Verlobung in St. Domingo
- Heiner Müller: Der Auftrag

22.10.
Heinrich Heine: Die schlesischen Weber
Georg Büchner/Friedrich Ludwig Weidig: Der hessische Landbote

29.10.
Karl Marx/Friedrich Engels: Manifest der kommunistischen Partei
Elfriede Jelinek: Rein Gold

05.11.
Louise Aston: Meine Emancipation; Freischärler-Reminiszencen

12.11.
Johann Nestroy: Freiheit in Krähwinkel

19.11.
Rosa Luxemburg: Briefe aus dem Gefängnis; Die Ordnung herrscht in Berlin
Eugen Leviné: Rede vor Gericht

26.11. Auswahlmöglichkeit
- Anna Seghers: Aufstand der Fischer von St. Barbara

03.12. Auswahlmöglichkeit
- Bertolt Brecht: Leben des Galilei

10.12.
Peter Weiss: Die Ästhetik des Widerstands (Auszug)
Joseph Roth: Der stumme Prophet (Auszug)

17.12.
Theodor W. Adorno: Engagement

07.01.
Hans Magnus Enzensberger: Berliner Gemeinplätze
Ingeborg Bachmann: Eintritt in die Partei; Ich weiss keine bessere Welt; Interviews (Auszüge)

14.01.
Marlene Streeruwitz: Manifest und Testament

21.01.
Dietmar Dath: Maschinenwinter

28.01. Auswahlmöglichkeit
- Michael Scharang: Aufruhr
- Jana Volkmann: Der beste Tag seit langem

Literatur

Empfohlene weiterführende Literatur:

1789ff:
- Hans-Ulrich Thamer: Die Französische Revolution. 4., durchgesehene Auflage. München: C. H. Beck, 2013.
- Susan Buck-Morss: Hegel und Haiti. Für eine neue Universalgeschichte. Berlin: Suhrkamp, 2011.
- Florian Kappeler: Die deutsche Literatur der Haitianischen Revolution. Narrative des Globalen, der Handlungsmacht und des Fortschritts seit 1791

1848:
- Alexandra Bleyer: 1848. Erfolgsgeschichte einer gescheiterten Revolution. Ditzingen: Reclam, 2023.
- Hubert Lengauer: Ausübung der Freiheit. Literatur, Revolution und Zivilgesellschaft. In: Sigurd Paul Scheichl, Emil Brix (Hg.): "Dürfen's denn das?" Die fortdauernde Frage zum Jahr 1848. Wien: Passagen, 1999, S.47-56.
-Marion Freund: "Mag der Thron in Flammen glühn!" Schriftstellerinnen und die Revolution von 1848/49. Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag, 2004.

1917ff:
- Heiko Haumann (Hg.): Die Russische Revolution 1917. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2016 (utb 2950).
- Norbert Christian Wolf: Revolution in Wien. Die literarische Intelligenz im politischen Umbruch 1918/19. Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2018.
- Hansjörg Viesel (Hg.): Literaten an der Wand. Die Münchner Räterepublik und die Schriftsteller. München: Büchergilde Gutenberg, 1980

1968:
- Detlef Siegfried: 1968. Protest, Revolte, Gegenkultur. Ditzingen: Reclam, 2018.
- Sikander Singh (Hg.): 1968. Literatur und Revolution. Hannover: Wehrhahn, 2019.
- Bini Adamczak: Beziehungsweise Revolution. 1917, 1968 und kommende. Berlin: Suhrkamp, 2017

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Do 05.09.2024 12:05