Universität Wien

110216 PS Erweiterungsmodul Literaturwissenschaftliches Proseminar - Französisch (2012S)

Geschäftsromane und Geldgeschichten: Wirtschaft und Gesellschaft in der französischen Literatur des 19. bis 21. Jahrhunderts

6.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 11 - Romanistik
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

Voraussetzungen laut Studienplan:
BA (alt): Absolvierung des Grundmoduls Literaturwissenschaft
BA (ab WS 2011): Absolvierung der UE des Erweiterungsmoduls Literaturwissenschaft
Diplom/Lehramt (alt) : Absolvierung von 310- F dringend empfohlen, Lehramt (ab WS 2011): Absolvierung der StEOP und Absolvierung von 301-F dringend empfohlen

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 40 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch, Französisch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Mittwoch 14.03. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 21.03. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 28.03. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 18.04. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 25.04. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 02.05. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 09.05. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 16.05. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 23.05. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 30.05. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 06.06. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 13.06. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 20.06. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8
Mittwoch 27.06. 13:15 - 14:45 Seminarraum ROM 5 (3B-EG-41) UniCampus Hof 8

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

"La fiction d'affaires, une autre exception française?" fragt sich Chris Reyns-Chikuma in seiner Analyse von Frédéric Beigbeders (Anti-)Werbe-Roman "99 francs". Mit der französischen Tradition der "Geschäftsfiktion" bzw. des "Wirtschaftsromans" - höchst aktuell vor dem Hintergrund der ökonomischen Krisenzeit des frühen 21. Jahrhunderts - wird sich diese LV auseinandersetzen; ausgehend von drei Romanen sehr unterschiedlicher AutorInnen aus verschiedenen historischen Epochen, die die Wirtschaftswelten ihrer Zeit kritisch reflektieren, soll hier nicht nur ein Einblick in die französische Literatur der betreffenden Perioden geboten, sondern jeweils auch ein Stück französische und europäische Kultur-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte erschlossen werden. Im Zentrum der gemeinsamen Lektüre, Textanalyse und -interpretation werden folgende drei Werke stehen: Émile Zola, "L'Argent" (1891); Irène Némirovsky, "David Golder" (1929); Frédéric Beigbeder, "99 francs" (2000).
Um "Das Geld" - um Finanzspekulationen, Bankenskandale und Börsenturbulenzen - dreht sich alles in Émile Zolas gleichnamigem Roman, 18. Band des "Rougon-Macquart"-Zyklus; Zola, bedeutendster Repräsentant des naturalistischen Romans, bietet hier eine überaus kritische Perspektive auf die Geschäftswelt, aber auch die Politszene der Ära des späten "Second Empire". Irène Némirovsky, französische Schriftstellerin der Zwischenkriegszeit, entfaltet in ihrem Roman "David Golder", der die junge Autorin auf einen Schlag berühmt machte, rund um ihren Titelhelden ein (düsteres) Panorama des Finanzmilieus ihrer Epoche; mondänes Leben und Börsenkrachs, diverse historische Finanz- und Politskandale der zwanziger Jahre, die heraufziehende Weltwirtschaftskrise werden hier in literarischer Form verarbeitet. Unserer ökonomischen Gegenwart nähern wir uns mit Frédéric Beigbeders "99 francs", Gegenstand eines sorgfältig inszenierten Skandals, Abrechnung mit den Praktiken der zeitgenössischen Werbeindustrie (aus der Sicht eines Insiders: der Autor war selbst jahrelang als Werbetexter tätig), die hier als mächtige Manipulationsmaschinerie, als "Sekte" mit faschistoiden Zügen, ja als neuer "Totalitarismus" beschrieben wird - wobei der Autor seine Kritik an den Machenschaften der Werbebranche in diesem seinem "roman engagé" freilich in seine eigene charakteristische Werbe-Rhetorik verpackt.
Bei der Auseinandersetzung mit diesen drei Werken verbindet diese LV unterschiedliche Zugangsweisen: detaillierte Textanalyse und literaturtheoretische Reflexion einerseits, die Reflexion über Status und Funktion von Literatur im gesellschaftlichen Kontext andererseits. Die Beschäftigung mit den narrativen Strukturen dieser drei Werke wird nicht zuletzt die Gelegenheit bieten, die im Grundmodul erworbenen Kenntnisse der narratologischen Analyse von Erzähltexten zu festigen und zu vertiefen; ein weiterer literaturtheoretischer Schwerpunkt dieser LV wird die Intertextualitäts- bzw. Transtextualitätstheorie sein (jeder einzelne der hier behandelten Texte, Teil jener Tradition der "fiction d'affaires", zitiert direkt oder indirekt eine Fülle von Prätexten - und wirkt seinerseits paradigmenstiftend). Andererseits wird es wesentlich darum gehen, Literatur im historischen Kontext zu situieren und hinsichtlich ihrer politischen Implikationen, ihrer gesellschaftlichen Funktionen zu reflektieren: Inwieweit transportieren die betreffenden Autoren in ihren Texten jeweils dominante Ideologien (und auch Wirtschaftstheorien) ihrer Zeit? Inwieweit entfalten diese literarischen Texte aber auch einen kritischen Gegendiskurs, der dazu einlädt, gesellschaftliche Realitäten in einem anderen Licht zu betrachten? So wird gerade ausgehend von Beigbeders zeitgenössischem Roman die Frage nach dem kritischen Potential der Literatur zu stellen sein: Vermag Literatur relevante Kritik an gesellschaftlichen/ökonomischen Zuständen zu formulieren? Verfügt die literarische Fiktion gegenüber den "fictions utiles" (Christian Salmon) aus Politik, Wirtschaft und Werbung über Strategien narrativen Widerstands? Weitere Fragestellungen, die im Kontext dieser LV zu diskutieren sein werden, betreffen etwa die Relation von Geschäft & Geschlecht bzw. von literarisch reflektierter Wirtschaftsgeschichte und Geschlechtergeschichte, aber auch die Relation zwischen literarischer Repräsentation epochenspezifischer Wirtschaftswelten und Konstruktion nationaler/kultureller Identitäten (so spielt gerade die Börsen-/Finanz-/Geschäftsthematik bekanntlich eine beträchtliche Rolle in der Tradition des literarischen Antisemitismus; in diesem Zusammenhang wird auch die teilweise stark stereotypisierte Darstellung eines "jüdischen" Geschäftsmilieus bei Zola wie bei Némirovsky kritisch im literar-/kulturhistorischen wie im politisch-ökonomischen Kontext zu analysieren sein).
Kurz: Anhand dieser drei romanesken Stationen (je nach Interessenlage der LV-TeilnehmerInnen können auch weitere relevante Texte in die Analyse mit einbezogen werden) soll in dieser LV die Tradition der "Geschäftsromane und Geldgeschichten" in der französischen Literatur nachgezeichnet werden - von der Börsenwelt des 19. Jahrhunderts bis hin zur "économie fiction" (Christian Salmon) unserer Zeit.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Referat und Handout (Dt. oder Frz.), schriftliche Proseminararbeit (Dt. oder Frz., 10-15 Seiten), vorbereitete und reflektierte Mitarbeit.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Erweiterung und Vertiefung der im Grundmodul Literaturwissenschaft erworbenen Kenntnisse der Literaturtheorie und der Techniken wissenschaftlichen Arbeitens; Erwerb einer literaturwissenschaftlichen Terminologie (dt. / frz.); Überblick über die französische Literatur des 19. bis 21. Jahrhunderts im literar-, kultur- und sozialhistorischen Kontext; ausführliche Kenntnis dreier wichtiger AutorInnen der französischen Literatur sowie Überblick über die relevante Sekundärliteratur; Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit literaturwissenschaftlichen Theorien und zur reflektierten Anwendung von literaturwissenschaftlichen Methoden; Fähigkeit zur selbständigen Ausarbeitung und Präsentation eines literaturwissenschaftlichen Themas in mündlicher und schriftlicher Form.

Prüfungsstoff

Präsentation und Diskussion literaturtheoretischer Ansätze; Einführung in relevante Fachliteratur, Anleitung zu weiterführender selbständiger Recherche; Referate, einzeln oder in Kleingruppen, je nach Wunsch und Teilnehmerzahl (eine Themenliste zur Auswahl wird angeboten, eigene Vorschläge im Rahmen der LV-Thematik sind willkommen); selbständiges Verfassen einer schriftlichen Arbeit.

Literatur

Sämtliche in der LV behandelte Texte werden zu Semesterbeginn in der Bibliothek des Instituts für Romanistik verfügbar sein und sind unproblematisch jederzeit im (Internet-)Buchhandel zu beziehen. In der Institutsbibliothek wird überdies ein Handapparat eingerichtet, der relevante Literatur zu den behandelten Autoren und Werken sowie zu den wichtigsten theoretischen Schwerpunkten der LV enthält. Eine ausführliche Bibliographie wird ebenfalls zu Semesterbeginn zur Verfügung gestellt. Zur Vorbereitung auf die LV empfehle ich Ihnen, möglichst bald mit der Lektüre der Primärtexte zu beginnen.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Bachelor: AM/EM 34 F; Dipl.LA: 330- F

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:32