130035 SE Masterseminar: Autobiographien und Biographien im Wandel (2016S)

Seit dem großen Erfolg der sog. Autofiktion, die durch die umfangreiche autobiographische Romanserie des norwegischen Schriftstellers Karl Ove Knausgård Min kamp weltweit zu einem Charakteristikum gegenwärtiger skandinavischer Literatur geworden ist, wecken autobiographische Texte und Gattungen erneut das Interesse vieler Leser. Liegt dies an der neuen medialen Star- oder Heldenrolle, die AutorInnen zu spielen bereit sein müssen? Schon Strindberg war bestrebt, dass sich seine schillernde Autorfigur in Werk und Leben zugleich provokativ entfaltete. Im Rahmen der digitalen Distribution erreicht die selbstausliefernde Beichte, die stets als inszenierter Dialog mit der Leserschaft zu betrachten ist, heute eine ganz neue Dimension. Das Seminar verfolgt eine literaturhistorische Linie vom Tagebuch, das zur Selbstvergewisserung des Subjekts beitrug, über unterschiedliche Spielarten von autobiographischen und biographischen Werken bis hin zu skandinavischen Blogs.

August Strindberg: En dåres försvarstal, 1888/ 1893, Beichte eines Toren (dt. von Emil Schering; div. Ausgaben)

Karl Ove Knausgård: Min kamp 1, Oslo 2009 (übs. von Paul Berf: Sterben, 2011).

Leonora Christina: Jammersminde (verfasst ca. 1693; dt. von Hanns Grössel: Denkwürdigkeiten der Gräfin Leonora Christina Ulfeldt, 1968.

Königin Christina von Schweden: Ausgewählte Schriften; dt. von Anni Carlsson: Memoiren und Aphorismen, 1967) (http://www.svenskaakademien.se/sites/default/files/kristina.pdf)

Dabei wird auch ein Roman berücksichtigt, der sich auf exemplarische Weise mit der der sozialen Subjektkonstituierung auseinandersetzt: Carl Frode Tiller: Indkredsning, Oslo 2007 (dt. von Ina Kronenberger: Kennen Sie diesen Mann, 2015).

Zusätzlich wird der Aspekt des biographischen Genres als einer autobiographischen Positionierung veranschaulicht anhand von Lotta Lundbergs Timme noll, Stockholm 2014 (dt. von Nina Hoyer: Zur Stunde Null, 2015).

Theoretische Grundlage ist Martina Wagner-Egelhaaf: Autobiographie, 2005. (Für weitere mögliche Seminararbeitsthemen werden u.a. Beate Grimsrud, Bodil Malmsten, Karen Blixen und Thorkild Bjørnvig, Friederike Brun, H.C. Andersen und Claus Beck-Nielsen vorgeschlagen.)

Die sechs genannten Schwerpunkt-Werke werden (in Original oder Übersetzung) gemeinsam gelesen, und die studentischen Moderationsabschnitte leiten sich aus diesen gemeinsamen Lektüren sowie den Themen der DREI GASTVORTRÄGE ab, die im Rahmen dieses Seminars gehalten werden:

12.4. Autofiktion als literarisches und theoretisches Konstrukt (Marie Lindskov Hansen, M.A., Doktorandin am Nordeuropa-Institut HU Berlin/ Germanistik FU Berlin)

24.5. Drottning Kristinas brev till Ebba Sparre - galanta brev eller
kärleksbrev? (Prof. Eva Hættner Aurelius, Språk- och litteraturcentrum, Universität Lund)

7.6. Gefängnisbekenntnisse einer treuen Verräterin: Leonora Christinas Jammers Minde (1693/ 1869) (Helene Peterbauer, M.A., Doktorandin an der Abteilung Skandinavistik der Universität Wien)