Universität Wien

130073 VO Literaturtheorie (VO): Literatur und Psychoanalyse (2016S)

"Gedanken an Freud natürlich" - Kafkas berühmte Tagebuchnotiz vom 23. September 1912, in der er den intuitiven Entstehungsprozess seines "Urteils" rekapituliert, zeigt deutlich auf, wie sehr von Beginn an moderne Literatur und psychoanalytische Theorie aufeinander verwiesen waren. Ein eindeutiger Hinweis, zweifellos, und trotzdem steckt darin auch etwas Verschleierndes, Enigmatisches, wird doch nicht weiter präzisiert, mit keinem Wort nicht, wodurch sich die "Natürlichkeit" bzw. Selbstverständlichkeit der Gedanken, die der Autor gehabt haben will, bestimmt. Was meinte Kafka, wenn er Freud sagte? Oder noch vertrackter gefragt: Was meinen wir, wenn wir Freud mit Kafka sagen? Es durfte gerätselt werden und es wurde gerätselt, über ein Jahrhundert lang wurde gerätselt, enträtselt und wieder verrätselt, so dass bis heute die psychodynamischen Verhältnisse zwischen den Werken der Literatur und den Theorien des Unbewussten alles andere als geklärt, geordnet und übersichtlich sind, ja auf keinen Fall unumstritten. Noch immer bieten die neuralgischen Schnittstellen in der Autor/Text/Leser-Konstellation, in denen sich der "literarische Komplex" des Unbewussten am "theoretischen Komplex" des Literarischen reibt, die glanzvollsten Leerstellen an und damit Projektionsflächen für die ambivalentesten Urteile und Vorurteile.
Jeder Text hat ein Unbewusstes, jedes Unbewusste erzeugt einen Text - principium aller psychoanalytischen Literaturanalyse. Es geht also um das Unbewusste, seine Theorie, seine Entfaltung, seine Widerspenstigkeit, seinen unendlichen Ent-Zug in der Schrift, im Akt der Artikulation, im Versprechen der Sprache. Denn ES verspricht sich immer, sagt immer mehr, als es sagen wollte, sagt immer etwas anderes, als es zu sagen vorgibt... Das Unbewusste ist der Ort, an dem das Verdrängte wiederkehrt, wo es wi(e)derkehrt in entstellter Form, als Traum, als Witz, als Wahn und letztendlich auch als jener verwunschene Wunsch nach dem wahren Wort, den wir Literatur nennen.

Details

Sprache: Deutsch

Prüfungstermine

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Donnerstag 03.03. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6
Donnerstag 10.03. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6
Donnerstag 17.03. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6
Donnerstag 07.04. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6
Donnerstag 14.04. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6
Donnerstag 21.04. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6
Donnerstag 28.04. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6
Donnerstag 12.05. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6
Donnerstag 19.05. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6
Donnerstag 02.06. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6
Donnerstag 09.06. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6
Donnerstag 16.06. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6
Donnerstag 23.06. 15:00 - 16:30 Hörsaal 34 Hauptgebäude, Hochparterre, Stiege 6

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Es soll also gezeigt werden: a) wie Freuds Psychoanalyse - Stichwort Ödipus, Hamlet, Coppelius - aus literarischen Quellen geschöpft wurde; b) was Freud - durch die Analyse der Traumarbeit, des Witzes und der alltäglichen Fehlleistungen - zum Verständnis der poetischen Funktion der Sprache beigetragen hat; c) wie sehr sich Literatur - psychoanalytisch überinterpretiert - als Sub- und Perversion gesellschaftskonformer Formationen verstehen lässt; und d) wie der Mensch - begriffen als unheimlichstes aller Lebewesen - so grundsätzlich der Sprache unterworfen ist, dass jedes Bewusstsein als "literarischer Komplex", als schrecklich-schöner "Familienroman" gelesen werden kann.
Das Spektrum der besprochenen Texte reicht hier von den Grundlagenschriften des "Diskursstifters" Freud ("Traumdeutung", "Vergessen von Eigennamen", "Das Unheimliche"...) über Jacques Lacans "Seminar zu Poes 'Der entwendete Brief'", Herbert Marcuses "Triebstruktur und Gesellschaft", Paul Ricoeurs "Die Interpretation", Jacques Derridas "Schauplatz der Schrift", Gilles Deleuzes "Anti-Ödipus", Julia Kristevas "Die Revolution der poetischen Sprache" oder Tzvetan Todorovs "Einführung in die fantastische Literatur" bis hin zu aktuellen Positionen wie Pierre Bayards "Kriminalkritik" oder Slavoj Zizeks "pervertierte" Ideologieanalyse.
Die besprochenen Texte werden in relevanten Auszügen via Moodle bereitgestellt; zur Einstimmung empfiehlt sich die (Re)Lektüre von Kafkas "Das Urteil".

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsstoff

Literatur


Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

BA M3

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:34