Universität Wien

135032 PS PS Literaturtheorie: Transtextualität - Theoretische Fundierung und Praxisorientierung (2021S)

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung
GEMISCHT

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 30 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine

Dienstag 14.15-15.45 Uhr (vorerst digitale Lehre)
1. Einheit: 09.03.2021


Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

“The plot [of Jean Rhys Wide Sargasso Sea] is like the Sargasso Sea, where weeds tangle together and resist being unravelled; stories drift into one another inconclusively.” (Angela Smith)

Literarische Texte nehmen auf andere Texte Bezug. Manchmal offensichtlicher (Zitate, Parodien, re-writings,…), manchmal weniger offensichtlich oder sogar versteckt (Anspielungen, ‚Plagiate‘,…). Sowohl die Nationalphilologien als auch die Komparatistik haben sich seit ihren Anfängen mit solchen Text-Text-Beziehungen beschäftigt; ein genuin theoretisches Interesse weckten diese allerdings erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Julia Kristeva prägte 1967 den Intertextualitätsbegriff, der sich seither als Bezeichnung für solche Phänomene und ihre Erforschung durchgesetzt hat. Ist heute von Intertextualitätstheorien die Rede, sind damit Theorien der Beziehungen zwischen Texten gemeint.
Eine solche legte Gérard Genette in seinem Werk Palimpsestes. La littérature au second degré (1982) vor. Die Transtextualität fungiert darin als Überbegriff, der alles das bezeichnet, „was ihn [den Text] in eine manifeste oder geheime Beziehung zu anderen Texten bringt.“ Seinen Systematisierungsversuch aller Arten der Text-Text-Beziehungen gliedert Genette in fünf Typen: 1. Intertextualität („Beziehung der Kopräsenz zweier oder mehrere Texte“ wie Zitate, Plagiate und Anspielungen), 2. Paratextualität (Titel, Cover/Umschlag, Vorwort, Einleitung, Nachwort, Fußnoten,…), 3. Metatextualität („Kommentar“: Text, der sich mit einem Text auseinandersetzt), 4. Hypertextualität (ein Text ‚zweiten Grades‘, „der von einem anderen, früheren Text abgeleitet ist“), 5. Architextualität (Zugehörigkeit des Textes zu einer Gattung).
So wie es sich meist mit Versuchen allumfassender Systematisierungen verhält, geht auch dieses strukturalistische Schema Genettes nicht ganz auf. Die fünf Typen lassen sich nicht immer so sauber voneinander trennen, wie es die Systematik suggerieren möchte; Phänomene werden zum Teil in ihrer Komplexität reduziert, um sie theoretisch ‚passend‘ zu machen.
Was Genettes Begriffsrepertoire jedoch leisten kann und weshalb es auch im Mittelpunkt dieses Seminars steht: Es hilft dabei, Intertextualität auf allen Ebenen – vom Titel bis zum Nachwort, vom ‚Original‘ über re-writings bis hin zu Übersetzungen – zu beschreiben und überhaupt erst beschreibbar zu machen. Die Typologie der Transtextualität ist somit nicht nur theoretisch fundiert, sondern auch praxisorientiert. Wir werden uns im Seminar beiden Seiten widmen:
1.) Den theoretischen Fundamenten der Transtextualität in Palimpseste (und teilweise auch Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches), die uns auch mit anderen wichtigen Intertextualitätstheoretiker*innen wie Julia Kristeva, Harold Bloom oder Michel Riffaterre bekannt machen und die wir darüber hinaus um feministische, gendertheoretische und postkoloniale Zugänge zur Intertextualität („writing back“) ergänzen.
2.) Der Praxisrelevanz der Transtextualität, deren fünf Typen wir anhand eines literarischen Textes – Jean Rhys Wide Sargasso Sea (1966) – erproben. Wir werden uns also nicht nur mit theoretischen Texten, sondern auch mit einem für Komparatist*innen überaus spannenden Werk der Weltliteratur auseinandersetzen, in dem die Autorin der ‚madwoman in the attic‘ Bertha Antoinetta Mason (Rochester) aus Charlotte Brontës Jane Eyre (1847) eine Stimme verleiht und somit das kreative und politische Potential der Intertextualität aufzeigt.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

- Mitarbeit (regelmäßige Lektüre und Vorbereitung von Texten, Beiträge in Foren, aktive Teilnahme an BigBlueButton-Sitzungen)
- Präsentation
- Abgabe eines Themenvorschlags für die Abschlussarbeit
- Schriftliche Abschlussarbeit

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Lektüreaufwand:
Es ist ein Primärtext, Jean Rhys "Wide Sargasso Sea" bzw. auf Dt. "Sargassomeer" (Berlinger TB Verlag, 2009) oder, in der Neuübersetzung, "Die weite Sargassosee" (Schöffling & Co, 2015)
(wahlweise auf Englisch oder auf Deutsch), komplett zu lesen.

Darüber hinaus werden laufend kürzere theoretische und fiktionale Texte bzw. Textausschnitte (die in einem Reader oder auf Moodle bereitgestellt werden) zu lesen und vorzubereiten sein.

Mindestanforderung, um das PS positiv abzuschließen, ist eine regelmäßige Mitarbeit / Aktivität auf Moodle und in Videoschaltungen sowie die Abgabe einer Abschlussarbeit.

Die Endnote setzt sich aus vier Teilleistungen zusammen: Aktive Mitarbeit (15%), Präsentation (20%), Skizze der Abschlussarbeit/Themenvorschlag (15%), Abgabe der Abschlussarbeit (50%).

Prüfungsstoff

Die während des Semesters besprochene Literatur. Es wird empfohlen, sich den Primärtext als Buch oder E-Book im englischen Original oder in deutscher Übersetzung anzuschaffen. Weitere Texte und Textausschnitte werden in einem Reader oder auf Moodle zur Verfügung gestellt. Zusätzliche / weiterführende Literatur wird tw. in Form von Scans auf Moodle zur Verfügung gestellt.

Literatur

Primärliteratur:
Jean Rhys: Wide Sargasso Sea. London: Penguin 2000 [1966].

Dt. Übersetzungen:
Jean Rhys: Sargassomeer. Übers. von Anna Leube. Berlin: Berliner Taschenbuch Verlag 2009.
Jean Rhys: Die weite Sargassosee. Übers. von Brigitte Walitzek. Frankfurt: Schöffling & Co 2015.

Sekundärliteratur (Auswahl):
Gérard Genette: Palimpseste. Die Literatur auf zweiter Stufe. Aus dem Französischen von Wolfram Bayer und Dieter Hornig. 8. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2018 [1982].

Gérard Genette: Paratexte: Das Buch vom Beiwerk des Buches. Aus dem Französischen von Dieter Hornig. Mit einem Vorwort von Harald Weinrich. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2001 [1987].

Margarete Rubik / Elke Mettinger-Schartmann (Hg.): A Breath of Fresh Eyre: Intertextual and Intermedial Reworkings of Jane Eyre. Amsterdam/New York: Rodopi 2007.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

BA M3

Letzte Änderung: Do 04.07.2024 00:13