Universität Wien

135812 SE Krieg und/der Literatur: Stendhal - Lev Tolstoj - Stephen Crane - Joseph Conrad (2023S)

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 20 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Mittwoch 01.03. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 08.03. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 15.03. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 22.03. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 29.03. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 19.04. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 26.04. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 03.05. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 10.05. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 17.05. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 24.05. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 31.05. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 07.06. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 14.06. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 21.06. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 28.06. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Die Revolution in der Kriegsdarstellung des 19. Jhs. ging einher mit einer Revolution der narrativen Verfahren, die unmittelbar in der Entstehung des modernen Erzählens resultierte: innerer Monolog, Zeitlupentechnik, stream of consciousness, Multiperspektivik und vor allem der Entwicklung der Verfremdungstechnik als zentraler Errungenschaft eines Wahrnehmungs-realismus. In diesem Sinne war auch hier der „Krieg – Vater aller Dinge"
In Lev Tolstojs epochalem Roman Krieg und Frieden (1863/1868) werden erstmals konsequent diese Techniken in den berühmten Schlachtszenen eingeführt, darüber hinaus aber auch zu einer genuinen Romanpoetik ausgeweitet, die über die bloße Darstellung von Kampfhandlungen weit hinausgeht. Am besten ermisst man diese anarchistische narrative Kriegstechnik an der narrativen Nutzbarmachung der bei der russischen Abwehr der Invasion Napoleons 1812 aus Spanien übernommenen Guerilla-Taktik. Dabei agieren miteinander vernetzte, nicht hierarchisch aufgebaute Kleingruppen von Kämpfern autonom und bescheren der vertikalen, auf einen Anführer fixierte Heeresordnung Napoleons den Untergang. Die napoleonische Ordnung verkörpert letztlich eine monologische, zentristische Strategie, die nicht nur realiter, sondern auch narrativ außer Kraft gesetzt wird und durch eine völlig neue Erzähltechnik der inneren Erfahrung und der internen Polyphonie von Bewusstseinsebenen ersetzt wird. Am besten kann man die Radikalität dieser narrativen Kriegs-Technik ermessen, wenn man Tolstojs Roman mit Stendhals Darstellung der Schlacht von Waterloo in seinem Roman Die Karthause von Parma vergleicht – ein Prätext, der für Tolstoj durchaus relevant war und den er auch – trotz aller Unterschiede – hoch einschätzte. Von einer authentischen Innendarstellung kann freilich bei Stendhal keine Rede sein, dessen berühmter Roman letztlich auf die dezidiert äußerliche Dynamik des Picaro-Romans verweist. Dennoch ist auch hier die Technik des „inneren Monologs" rudimentär angelegt und bildet eine reizvolle Folie für die wesentlich komplexeren Innendarstellungen bei Tolstoj.
Stephen Cranes Kurzroman The Red Badge of Courage / Die rote Tapferkeits-medaille (1895) war jahrzehntelang Pflichtlektüre in angelsächsischen Schulen und ist zweifellos die erste amerikanische (Bürger-)Kriegsdarstellung, die längst zur Weltliteratur zählt. Auch in diesem Fall geht es um eine revolutionäre Innendarstellung, aber auch um die Ent-Heroisierung von Kriegsszenen, die den Kampf vom äußeren Schlachtfeld auf jenes der Innenwelt eines (jugendlichen) Helden verlagert, der – ähnlich wie bei Stendhal und Tolstoj – das Geschehen mit ungeschützten Sinnen und daher auch in all seiner absurden Grausamkeit und Panik vorführt. Eine wunderbare Monographie zu Crane hat zuletzt Paul Auster vorgelegt (Burning Boy / In Flammen, 2022), in welcher dieser Bürgerkriegsroman einen Ehrenplatz einnimmt.
Es ist auch kein Zufall, dass Stephen Crane in seinen letzten Lebensjahren im englischen Exil in enger Freundschaft und Nachbarschaft mit Joseph Conrad lebte und schrieb. Von ihm stammen eine ganze Reihe von Romanen, in denen der Krieg – auch der koloniale – eine zentrale Rolle spielt: Neben Lord Jim oder The Rover interessiert uns hier vor allem sein Klassiker The Heart of Darkness (1899), der nicht lange nach Cranes Red Badge of Courage erschien. Bei Conrad erreichen die von den drei anderen Autoren etablierten narrativen Kampfszenen eine radikale Ausweitung in eine fast ungreifbare Atmosphäre von Angst und Panik, die auf kongeniale Weise in Francis Ford Coppolas Apocalypsis Now (1979) Film geworden ist. Dabei kippt dieser paradigmatische Kriegsfilm in einen das Medium überschreitenden Filmkrieg um, der die Dreharbeiten selbst zum spektakulären Drama steigert (Dokumentation dazu 1991 von Eleanor Coppola: The Hearts of Darkness: A Filmmaker’s Apocalypse).
Methodisch geht es in diesem Seminar um die historische Rekonstruktion der jeweiligen Werke im Rahmen ihres Kontextes sowie vor allem um die

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Regelmäßige Teilnahme
Handout des Referats 1 Woche vor Termin
Lektüre der versendeten Unterlagen
Mündliche Präsentation des Referats
Teilnahme an Diskussion
Schriftliche Seminararbeit (mindestens 25 S.)

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab


Handout des Referats 1 Woche vor Termin (10% der Punkte)
Lektüre der versendeten Unterlagen
Mündliche Präsentation des Referats (20% der Punkte)
Teilnahme an Diskussion (10% der Punkte)
Schriftliche Seminararbeit (mindestens 25 S.) (60% der Punkte)

Prüfungsstoff

Da es sich beim Seminar um eine prüfungsimmanente Lehrveranstaltung handelt, gibt es keine abschließende Prüfung, sondern die genannten Teilleistungen.

Literatur


Primärliteratur:

Stendhal, Die Kartause von Parma (1839)
Leo Tolstoj, Krieg und Frieden (1863/68)
Steven Crane, The Red Badge of Courage / Die rote Tapferkeitsmedaille (1895)
Joseph Conrad, Heart of Darkness/ Herz der Finsternis (1899/1902)

Sekundärliteratur:

Thomas F. Schneider, Claudia Junk (Hg.), Krieg und Literatur, International Yearbook on War and Anti-War Literatur, Göttingen 2003.
Karsten Dahlmanns, Matthias Freise (Hg.), Krieg in der Literatur, Literatur im Krieg, Göttingen 2020.
Aage Hansen-Löve, „Krieg der Literatur. Tolstoj und das Kameraauge“, Wiener Slawistischer Almanach 69, 2012, 347-383.
— , „Am Ende des Tunnels… Tolstojs Tode“, Akzente 6, 2010, 514-537.
Cedric Watts, Conrad’s Heart of Darkness: A Critical and Contextual Discussion, Amsterdam/New York 2012.
Michael Strübel (Hg.), Film und Krieg. Die Inszenierung von Politik zwischen Apologetik und Apokalypse, Opladen 2002.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

MA M1

Letzte Änderung: Do 04.07.2024 00:13