Universität Wien

135821 SE MA-SE: Der Chor der Querulanten: Zum Diskurs des Ressentiments (2024W)

bei Dostoevskij (Kellerloch) - Beckett (Molloy) - Bernhard (Untergeher)

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 30 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Mittwoch 02.10. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 09.10. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 16.10. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 23.10. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 30.10. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 06.11. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 13.11. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 20.11. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 27.11. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 11.12. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 08.01. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 15.01. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 22.01. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG
  • Mittwoch 29.01. 09:00 - 10:30 Seminarraum 3 Sensengasse 3a 1.OG

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Das Seminar bewegt sich zwischen dem im allgemeinen minderwertig eingeschätzten Diskurs der Querulanz und dem raffinierteren und komplexeren des Ressentiments: Beides sind Ausdrucksformen eines übergeordneten ,Wahns‘, der als Paranoia Psychologiegeschichte gemacht hat und individuell wie kollektiv in Erscheinung tritt ¬– heute mehr denn je. Der Querulant ebenso wie der ressentimentgeladene Rechthaber bilden beide zwei Varianten einer hypertrophen Weltklage, die sich als hybrides Mischgefühl – analog dem sadomasochistischen Habitus der Angst-Lust – vor allem in einem permanenten Redefluss erschöpft. Dieser übt unverdrossen an allem und jedem Kritik und bereitet dabei gleichzeitig ganz offensichtlich dem Zuhörer Unbehagen, dem Sprecher aber eine heimliche, verbissene Lust. Paranoisch ist dabei eine Perspektive, die für alles eine Erklärung bereithält und damit den größenwahnsinnigen Anspruch erhebt, Erklärungen für Missstände aller Art zu kennen, die von der Allgemeinheit oder den Verantwortlichen verborgen gehalten werden. Es geht dabei nicht bloß um, die philosophischen (Nietzsche, Scheler, Simmel) oder psychologischen Quellen (Kraepelin, Freud) von Querulanz und Ressentiment, sondern vor allem um die Nutzbarmachung dieses paranoiden Diskurstypus für die Literatur und ein enorm produktives Genre des entsprechenden Redetypus in der Moderne.

Während für den "Ressentimentmenschen" (Max Scheler 1912) etwa Nietzsches Genealogie der Moral (1867) und Dostoevskijs Aufzeichnungen aus dem Kellerloch (1864) paradigmatisch stehen, kann als Prototyp des Querulanten Kleists „Michael Kolhaas“ (1810) gelten. Nach Dostoevskijs Kellerloch konzentrieren wir uns auf einen der Romane Samuel Becketts: Murphy (1938) oder Molloy (1951) und schließlich auf die prototypischen Werke Thomas Bernhards ¬– etwa Wittensteins Neffe (1982) oder Der Untergeher (1983). Nicht zu übersehen ist bei all dem die unfreiwillige Tragi-Komik dieses Schreibzwangs, der vielfach irreführend mit einem spezifischen Autortypus assoziiert und biographisch verengt erscheint.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Anwesenheitskontolle, Diskussionsteilnahme, mündliche Präsentation und schriftliche Arbeit

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Mitarbeit: 20%
Mündliches Referat mit entsprechender Präsentation samt Handout: 30% (Handout immer einige Tage vor Termin)
Schriftliche Seminararbeit: 50% (Umfang 25 Seiten ohne Bibliographie)

Prüfungsstoff

Aktive Teilnahme an den Diskussionen nach den jeweiligen Referaten
Rechtzeitige und formal wie inhaltlich brauchbares Handout zur Vorbereitung der SeminartielnehmerInnen
Mündliche Präsentation mit Textbeispielen und argumentativen Thesen (in der Regel mit Power Point)
Schriftliche Arbeit (wissenschaftlich und sprachlich wie argumentativ korrekte Darstellung; eingehende Analyse von Textbeispielen; Berücksichtigung der wesentlichen Sekundärliteratur; Präsentation eigener Analyseansätze)

Literatur

Literatur: (Minimum)
Fjodor Dostojewskij, Aufzeichnungen aus dem Kellerloch, Stuttgar: Reclam 1984/2024.
Samuel Beckett, Molloy, übersetzt von Erich Franzen, Frankf/M.: suhrkamp (= suhrkamp taschenbücher. Band 2406).

Thomas Bernhard, Der Untergeher, Frankf./M.: suhrkamp 1983

Weitere theoretische Quellen:

Nietzsche, Genealogie der Moral, Kritische Studienausgabe in Band 5 (zusammen mit Jenseits von Gut und Böse und mit einem Nachwort von Giorgio Colli). Dieser erscheint auch als Einzelband unter der ISBN 978-3-423-30155-8

Max Scheler, "Das Ressentiment im Aufbau des Moralen" (als PDF im Internet), in: Abhandlungen und Aufsätze, Bd. 1, Leipzig 1915 (als Taschenbuch bei Vlg. Klostermann)

Simmel, Georg (1908): "Exkurs über den Fremden", in: Soziologie - Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Gesamtausgabe Band 11, [1992], Frankfurt am Main: Suhrkamp, 764-790.

Hödl, Hans Gerald (2014): "Der Begriff des Ressentiment als Kategorie kulturwissenschaftlicher Analyse. Ansatzpunkte bei Nietzsche, Scheler und Freud." In: Steffen Dietzsch / Claudia Terne [Hrsg.], Nietzsches Perspektiven. Denken und Dichten in der Moderne. Berlin-Boston: De Gruyter, 272–286.

Aage Hansen-Löve, "Querulanten und Querdenker: das Ressentiment", in: Romanverschwörung und Literaturparanoia (Manuskript)

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

MA M2

Letzte Änderung: Mo 23.09.2024 08:05