135824 KO Europäische Reiseschriftstellerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts: Gender und Genre (2025S)

Ziele: Einblick in die Poetik der Reiseliteratur als spezifisches Genre, generell und insbesondere in genderkritischer Perspektive; Kenntnis des Werkes einiger bedeutender Reiseschriftstellerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts; Fähigkeit zur eigenständigen kompetenten Analyse eines reiseliterarischen Werkes unter Berücksichtigung der im Kurs vermittelten literar-/kulturhistorischen und literaturtheoretischen Grundlagen.

Inhalte: Die z. T. bis heute von patriarchalischen Topoi geprägte Reiseliteratur stellt ein privilegiertes Terrain für die Aushandlung gesellschaftlicher Geschlechterverhältnisse dar. In diesem Seminar werden wir uns ausgehend vom Werk ausgewählter europäischer Reiseschriftstellerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts mit der Frage nach Gender und Genre beschäftigen: Wie wird Gender als soziokulturelles und diskursives Konstrukt reflektiert? Wie begegnen die Autorinnen den realen Herausforderungen des Reisens, insbesondere der weltweiten Fernreise als Frau allein? Wie positionieren sie sich gegenüber der maskulinistischen Tradition eines Genres, das häufig Exotik und Erotik assoziiert? Inwieweit inspiriert diese spezifische Schreibsituation formale Experimente? Als "friktionale Literatur" (Ottmar Ette) unterhält Reiseliteratur traditionell eine komplexe Beziehung zur Intertextualität, ja zur eigenen Literarizität; wie situieren sich die analysierten Texte in einem Spannungsfeld zwischen Einschreibung in eine alternative Tradition weiblicher Reiseliteratur und Auseinandersetzung mit einem männlich dominierten Kanon? Welche Rolle spielen – als Komplement zum bzw. in Interaktion mit dem literarischen Text – andere Medien (insbesondere Fotografie) im Rahmen der Reisenarration? Wie ist es um die politische und die ethische Dimension reiseliterarischen Schreibens bestellt? Inwieweit werden epochen-, kultur- und milieuspezifische Denkmuster und Stereotype (betreffend Geschlecht, Kultur, Ethnie, Religion etc.) reproduziert oder subvertiert? Wie wurden die behandelten Autorinnen und Texte in der Folge jeweils kritisch und kreativ rezipiert? Diese und weitere Fragen werden anhand eines ästhetisch wie thematisch vielfältigen Corpus zu diskutieren sein, das uns im Semesterverlauf u. a. nach Afghanistan, Indien, Japan, Lateinamerika, Nigeria, Sibirien und Tibet führen wird.
Im Zentrum unserer gemeinsamen Textarbeit werden – Corpus je nach Interessen und Sprachkenntnissen der LV-Gruppe flexibel konzipiert – Auszüge aus folgenden Werken stehen: Alexandra David-Néel, Voyage d’une Parisienne à Lhassa (1927; dt.: Mein Weg durch Himmel und Höllen. Das Abenteuer meines Lebens); Alma M. Karlin, Einsame Weltreise (1928); Ella Maillart, La Voie cruelle. Deux femmes, une Ford vers l’Afghanistan (1952; dt.: Der bittere Weg. Mit Annemarie Schwarzenbach unterwegs nach Afghanistan) und damit korrespondierend Annemarie Schwarzenbach, Alle Wege sind offen. Die Reise nach Afghanistan 1939/1940 (posthum 2000); Dervla Murphy, Full Tilt. Ireland to India with a Bicycle (1965); Anne Brunswic, Sibérie. Un voyage au pays des femmes (2006); Valerie Fritsch, Die Welt ist meine Innerei. Reisebriefe und Bilder (2012); Noo Saro-Wiwa, Looking for Transwonderland. Travels in Nigeria (2012).
Hinweis: Es wird selbstverständlich nicht erwartet, dass Sie für den Kurs sämtliche angeführten Werke zur Gänze lesen; freie Wahl eines Werkes für Präsentation/Abschlussarbeit, restliches Corpus in Auszügen.

Methoden: Einführungs- und Theoriemodule durch die LV-Leiterin; Präsentationen der LV-Teilnehmer*innen (individuell oder in Kleingruppen, je nach Wunsch und Anzahl der Teilnehmer*innen); kleine Lektüreaufgaben zur Vorbereitung auf die Sitzungen; gemeinsame Lektüre und Diskussion von Textbeispielen; schriftliche Abschlussarbeit.