144015 VU Koranexegese II (tafsir) (2024W)

Die Lehrveranstaltung „Koranexegese II (tafsīr)“ befasst sich mittels eines intradisziplinären Zugangs aus sunnitischer und schiitischer Perspektive mit den Methoden der Auslegung des Korans sowie den Koranwissenschaften. Die Lehrveranstaltung konzentriert sich auf die fortgeschrittene Analyse des Korantextes und die verschiedenen hermeneutisch-exegetischen Ansätze. Sie ist so aufgebaut, dass die Studierenden zunächst die Fähigkeit entwickeln sollen, einen historisch-systematischen Einblick in die Entstehung und Entwicklung des Korans zu gewinnen. Ziel ist es dabei, sich nicht nur mit der Surenchronologie zu befassen (Mikrokontext), sondern den allgemeinen historischen Kontext, in der der Koran entstanden ist, zu durchleuchten (Makrokontext). Für den Makrokontext spielt die Interaktion des Korans mit jüdischen und christlichen Traditionen eine zentrale Rolle. Für die Entwicklung koranexegetischer Ansätze ist zudem die Schriftwerdung des Korans zentral. Daher beleuchtet die Lehrveranstaltung frühislamische Manuskripte. Ausgehend von diesem Vorwissen sollen zunächst die klassische Exegese und ihre methodischen Grundlagen anhand ausgewählter Primärquellen erörtert werden. Im Anschluss daran wird den Studierenden die Möglichkeit geboten, verschiedene koranexegetische Zugänge (z.B. historisch-kritisch, sufisch, modernistisch) an ausgewählten Themen mit zeitgenössischer Relevanz anzuwenden. Dadurch soll den Studierenden ermöglicht werden, nicht nur über koranexegetische Ansätze theoretisch zu reflektieren, sondern praktische Kompetenzen zu erwerben, um mit schwierigen Passagen des Korans kritisch umzugehen, etablierte Meinungen historisch-kritisch aufzuarbeiten und alternative Zugänge zu erproben. Die Auseinandersetzung mit modernen Zugängen der Koranforschung, wie Digital Humanities, bildet den innovativen Abschluss des Kurses.

Insgesamt sollen die Studierenden nach Abschluss dieser Lehrveranstaltung eine tiefgehende und analytische Kenntnis des Korans und seiner Interpretationsmethoden erlangen. Sie werden in der Lage sein, den Koran und etablierte, koranexegetische Ansichten aus der Vormoderne aus einer theologischen, historischen und hermeneutischen Perspektive kritisch zu analysieren, und seine Botschaft in ihrer vollen Tiefe und Komplexität zu erfassen.

Seminarplan:

1 Einführende Sitzung: Offenbarungsverständnis - Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Offenbarungsverständnisses in den monotheistischen Glaubensrichtungen
2 Kontextualisierung der Offenbarung: Koranexegese im Kontext der Umwelt- und Intertexte
3 Der/Das Andere im koranischen Milieu? Juden und Christen im Offenbarungskontext und der Koranexegese
4 Handschriftenforschung der frühen Koran-Manuskripte
5 Grenzen und Möglichkeiten der Koranexegese
6 Einblicke in den klassischen Tafsīr- Ibn Ǧarīr aṭ-Ṭabarī (gest.319/923 und Abū Ǧaʿfar aṭ-Ṭūsī (gest. 460/1067)- Die Erschaffung Adams und seiner Frau im Koran und in der sunnitischen und schiitischen Koranexegese
7 Die zweite klassische Phase des Tafsīr: Al-Biqāʿīs (gest. 809–85/1407–80) Bibelintegration versus aṣ-Ṣuyūṭīs (gest. 911/1505) Hadith-Zentrierung im Kontext der Jesus-Erzählung im Koran
8 Diskussion/Fragen
9 Weibliche Persönlichkeiten im Koran und der Exegese: Maria, die Mutter Jesu
10 Sufische (mystische) Koranexegese anhand des Beispiels des al-Ḫidr und Q 18
11 Zauberei, Magie und Dämonenwesen in Koran und der Exegese
12 Die Beziehung Mensch und Natur (Tiere und Pflanzen) im Koran und der Exegese
13 Sexualität und Ehe im Koran und der Exegese
14 Neue Wege in der Koranauslegung und -forschung (Digital Humanities, KI und weitere Neuerungen im Lichte der Koranstudien)
15 Abschluss und Feedback