Universität Wien

160306 PS Literatur und Psychoanalyse - eine theoretische Konstellation (2009S)

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

Details

Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Montag 09.03. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 16.03. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 23.03. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 30.03. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 20.04. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 27.04. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 04.05. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 11.05. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 18.05. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 25.05. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 08.06. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 15.06. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 22.06. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG
  • Montag 29.06. 13:00 - 15:00 Hörsaal Berggasse 11 EG

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Gibt es ¿ nach dem Siegeszug des Methodenpluralismus ¿ noch eine Gretchenfrage in der Literaturwissenschaft? Eine Entscheidungsfrage, die wirklich Gleiches und Ungleiches trennt? Vielleicht. Im ¿Doktor Faustus¿ lässt Thomas Mann seinen Teufel sagen: ¿Psychologie ¿ daß Gott erbarm, hältst du`s noch mit der? Das ist ja schlechtes, bürgerliches, neunzehntes Jahrhundert! Die Epoche ist ihrer jämmerlich satt, bald wird sie das rote Tuch für sie sein, und der wird einfach eins über den Schädel bekommen, der das Leben stört durch Psychologie.¿ Der Teufel hat ¿ wie immer ¿ recht und unrecht zugleich. Er übersieht, dass Psychologie selbst sehr leicht zur therapeutischen Keule werden kann, die alles betäubt und/oder zurechtklopft, was sich am normalen Gang des Lebens stößt. Adorno (der Thomas Mann als advocatus diaboli diente) wusste, wie viel das kritische Denken den Subversionen der Freudschen Psychoanalyse zu verdanken hat und wie sehr sie im Lauf des 20. Jahrhunderts umgebogen (¿revidiert¿) wurde in ein therapeutisches Instrument, deren höchstes Ziel die reibungslose Befolgung des Realitätsprinzips darstellt: ¿was diesem nicht gehorcht, sei immer nur ¿Flucht¿, Anpassung an die Realität wird zum summum bonum. Die Realität liefert zu vielen realen Grund, sie zu fliehen, als daß eine Entrüstung über Flucht anstünde.¿ Der Schriftsteller mag vielleicht ein Elfenbeinturmbewohner sein, der der Wirklichkeit entsagt, aber das entscheidende Moment ¿ die Kehrseite seiner Abkehr ¿ ist, dass er der Welt ein Werk entgegenstellt, welches trotz seiner Ver-Rücktheit, nämlich dank seines strukturalen Zwanges, seiner formalen ¿Stimmigkeit¿, wiederum gesellschaftliche Anerkennung zu finden weiß. Eine psychoanalytische Literaturwissenschaft, die zu sehr auf die Verweigerungsdynamik des Schriftstellers achtet, verliert diese produktive Dimension leicht aus den Augen. Es ginge, wollte man die Konstellation von Psychoanalyse und Literatur(wissenschaft) tatsächlich als eine kritische reartikulieren, genau um das Umgekehrte: nicht die Psychopathographien der Autoren, nicht die neurotischen oder psychotischen Züge, die sich angeblich in ihre Texte eingeschrieben haben, interessieren; auch nicht die Hinter-Fragung ödipaler, narzisstischer oder anderer phylo- bzw. ontogenetischer Tiefenstrukturen, sondern im Brennpunkt müsste allein das Eigengewicht der Sprache stehen, die Materialität des Buchstabens, das Spiel der Signifikanten, das sich im literarischen Text vielfältig ent-spinnt. Auf der Couch des Literaturwissenschafters liegt die Sprache selbst: ihre Träume, ihre Verzählungen, ihre Witze, ihre Versprechen. Wie in Freuds ¿Traumdeutung¿ nicht der latente Inhalt das Wesentliche der Interpretation ausmacht, sondern die ¿Traumarbeit¿, der sprachanaloge Übersetzungsprozess (Verschiebung, Verdichtung¿), so will auch eine kritische psychoanalytische Literaturwissenschaft die semeo-logische Dynamik von Texten bewusst machen, ihre poetische, d. h. selbstreferentielle Signifikantenbewegung analysieren, die jede Sinn- und Subjekteinheit der Aussage unterwandert, aufspaltet, vervielfältigt. Wenn es darum geht, wie Sprache funktioniert, so geht es noch vielmehr darum, wie Sprache nicht funktioniert: dass der literarische Text die Möglichkeit einer ungebrochenen Kommunikation radikal in Frage stellt, weil er auf die Unheimlichkeit, auf das Un-Wesen jedes Zeichens aufmerksam macht. Die Sprache, so souverän sie auch gehandhabt wird, ist immer auch die Sprache des Anderen. Literatur beschreibt Sprache, beschreibt sie als unbeherrschbar: so wird sie zur Kritik der Herrschaft, zur Kritik an Ideologie, die immer Sprache vereinheitlicht, im ¿gesunden Menschenverstand¿ kurzschließt. Die Frage nach der Krankheit des Schriftstellers oder nach dem Wahnsinn des Textes wird dadurch hinfällig: Literatur ist ¿ mit Deleuze gesprochen ¿ ¿ein Zustand der Gesundheit.¿

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Mitarbeit; schriftliche Arbeit

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Das Proseminar will die grundlegenden und wichtigsten Texte zu der oben skizzierten strukturalistisch-materialistischen Ausrichtung einer psychoanalytischen Betrachtungsweise von Literatur und Sprache vermitteln (Freud, Lacan, Adorno, Kristeva, Deleuze, Zizek...)

Prüfungsstoff

Gemeinsame Besprechung der Texte; Diskussionen

Literatur


Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Diplomstudium: VL 113; BA M3

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:36