Universität Wien

170210 PS Proseminar "Konzepte und Techniken von Schau/Spiel" (2022W)

Chor und Geschlecht

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 35 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Sonntag 23.10. 10:00 - 13:00 Hörsaal 2H510 UZA II Rotunde
Sonntag 06.11. 10:00 - 14:00 Hörsaal 2H510 UZA II Rotunde
Freitag 09.12. 16:45 - 18:15 Hörsaal 2H510 UZA II Rotunde
Samstag 10.12. 09:00 - 14:00 Hörsaal 2H510 UZA II Rotunde
Sonntag 15.01. 10:00 - 14:00 Hörsaal 2H510 UZA II Rotunde
Sonntag 29.01. 09:00 - 14:00 Hörsaal 2H510 UZA II Rotunde

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Die „Rückführung der Frau in den zentralen Konflikt“ – dies nannte der Regisseur, Schriftsteller, Bühnenbilder und Maler Einar Schleef, der für seine Wiederentdeckung des Chores für das Sprechtheater berühmt ist, einmal als wesentlichen Impuls seiner Theaterarbeiten. Das Zitat kann darum als Hinweis darauf gelesen werden, dass Fragen des Chores im Theater schon seit längerem explizit mit geschlechterpolitischen Fragestellungen verknüpft werden. Zugleich lässt sich mit Blick auf jüngere Entwicklungen feststellen, dass sich seit Schleefs „Pionierarbeiten“ das Feld chorischer Darstellungen in Theater und Performance ebenso deutlich erweitert hat, wie sich auch Fragen des Geschlechts intersektional diversifiziert haben. Das Seminar möchte sich den verwickelten Beziehungen zwischen Chorbildung und Geschlecht systematisch annähern. Dabei wird es zwei Schwerpunkte setzen. In einem ersten, historischen Teil werden wir uns mit der griechischen Antike beschäftigen und genau nachvollziehen, welche Rolle die weiblichen Chöre in drei antiken Tragödien („Sieben gegen Theben“, „Trachinierinnen“, „Troerinnen“) und zwei Komödien („Thesmophoriazusen“, „Frauen in der Volksversammlung“) spielen. Insbesondere wird es dabei um die Frage gehen, wie sich diese Chöre zu einer der historisch folgenreichsten Erbschaften der griechischen Polis des 5. Jahrhunderts verhalten: nämlich zur Differenzierung von städtischem Gemeinwesen und häuslicher Gemeinschaft, Polis und Oikos. Diese Zweiteilung ergab sich einerseits aus der Durchsetzung der attischen Demokratie, sofern diese wesentlich mit dem Gedanken einer (proto-)öffentlichen städtischen Sphäre verbunden war, die nicht mehr in den Macht- und Zuständigkeitsbereich von Adelshäusern und/oder oligarchischen Clans fallen sollte. Andererseits richtete sich mit ihr aber auch eine Geschlechterordnung ein, deren Kritik seit langem zu den wichtigsten feministischen Anliegen gehört. Denn im Athen des 5. Jahrhunderts waren die Angelegenheiten der Stadt und der Politik allein den freien männlichen Bürgen vorbehalten. Demgegenüber galt es als Aufgabe jener Frauen, die ihrerseits Bürgerinnenstatus beanspruchen konnten, die häusliche Wirtschaft zu verwalten (eine Tätigkeit, die auch die Befehlsgewalt über Sklaven und Sklavinnen einschloss). Für den Chor ist dagegen zu bedenken, dass er älter ist als der Dualismus von Polis und Oikos und seine geschlechtliche Codierung. Welche Rolle spielt er vor diesem Hintergrund in den besagten Theaterstücken aber genau? Wird er dort in die jüngere geschlechtliche Zweiteilung überführt, und wenn ja, geht in ihr auf, oder hat er das Potenzial, sie zu sprengen? Der zweite Schwerpunkt des Seminares ist dann jüngeren und aktuellen Theaterarbeiten gewidmet, die den Chor heute eben als eine theatrale Praxis begreifen, mit der sich Geschlechterordnungen und -zuschreibungen verhandeln und vielleicht auch subvertieren lassen. Nachdem wir uns zunächst noch einmal mit Schleefs Auffassung von Chor und Geschlecht auseinandergesetzt haben, werden wir uns darum mit aktuellen Chorarbeiten befassen: so etwa mit Inszenierungen von Marta Górnicka („The Chorus of Women“), Susanne Zaun „(Im Internet gibt es keine Mädchen. Eine Tirade“) oder auch She She Pop („Hexploitation“). Wie sind Chöre in diesen Arbeiten eingesetzt, und wie stellt sich das im Licht neuerer Forschungsansätze zu Geschlecht, Queerness, Relationalität oder „kinship“ (Donna Haraway) dar?

Das themenspezifische Seminar zielt auf eine historische und gegenwartsdiagnostische Auseinandersetzung mit geschlechterpolitischen Themen und ihrer möglichen Bearbeitung durch Theater. Gleichzeitig führt es mit dem Chor in eine der wichtigsten und vielfältigsten theatralen Darstellungsformen ein.

Ausgewählte antike Theaterstücke und zeitgenössische Inszenierungen (Aufzeichnungen) werden gemeinsam kritisch analysiert. Im Mittelpunkt stehen Diskussion sowie genaue Beschreibung und Lektüre; dabei sollen „Expert:innengruppen“ für weitere Impulse sorgen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Die LV soll mit einer schriftlichen Arbeit abgeschlossen werden. Außerdem gehören entweder die Teilnahme an einer Expert:innengruppe und damit an der gemeinsamen Leitung einer Seminardiskussion oder aber die Erstellung von drei Lektürekarten zu den verpflichtenden Anforderungen. Beide Leistungen werden mit je 50 % gewichtet.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Abwesenheit ist an maximal einem Blocktag möglich. Die Endnote ergibt sich aus dem Durchschnitt der gewichteten Einzelleistungen, wobei jede Einzelleistung erbracht werden muss. Werden eine oder mehrere Einzelleistungen nicht erbracht oder negativ beurteilt, kann die Gesamtnote nicht positiv sein (führt zur Abwertung).

Prüfungsstoff

Der Prüfungsstoff ergibt sich aus den Seminardiskussionen und -materialien.

Literatur

Einar Schleef, Droge Faust Parsifal, Frankfurt/M. 1997
Genia Enzelsberger, Monika Meister, Stefanie Schmitt, Auftritt Chor. Formationen des Chorischen im gegenwärtigen Theater, Maske und Kothurn, Wien 2012
Ulrihe Haß, Kraftfeld Chor. Aischylos Sophokles Kleist Beckett Jelinek, Berlin 2021

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Do 22.09.2022 10:49