Universität Wien

170600 SE MA 1.1. "Inszenierungsformen und ästhetische Wahrnehmung" (2021W)

Der orale Raum. Aus den Innereien der Performancekunst

Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung
GEMISCHT

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 30 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Beginn am 11.10. online (Zoom) oder Präsenz wird (je nach Situation) über moodle bekanntgegeben

Montag 04.10. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 11.10. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 18.10. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 25.10. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 08.11. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 15.11. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 22.11. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 29.11. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 06.12. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 13.12. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 10.01. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 17.01. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 24.01. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde
Montag 31.01. 18:30 - 20:00 Seminarraum 2 2H415 UZA II Rotunde

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Der Mund als Ein- und Ausgang sozialer Verbindungen, als Grenze zwischen Innen- und Außenraum des Körpers, verschafft Lust, Begehren und Macht. Durch ein Netzwerk an Synapsen, Zellgewebe, Ausbuchtungen und Verzweigungen geht es in den Bauchraum. Für Francois Rabelais fungierte der Bauch als Modell des Makrokosmos, als Weltaneignung. In seinem während einer Dürrekatastrophe entstandenen Roman (1532-1564) Gargantua und Pantagruel verschlingt Pantagruel die (Um)Welt, als wolle er sich diese restlos einverleiben. Im oralen Raum sitzt die Zunge, die mit dem Schmecken verbunden ist, die Geschmacksknospen evozieren zugleich Lust und Ekel. Der Eros des Oralen, die Frau als Objekt des Begehrens kann bei Salvador Dalí (Les Dïners de Gala) untersucht werden. Das sexualisierte Leibgericht Körper führt über den Mund und somit auch zur Ent-Mündigung der Frau. Das Essen ist jene Triebbefriedigung, die im Sinne von Dalí eine erotisch-kannibalische Verschmelzung mit der Welt erreicht. Dalí nennt den Mund die "Siegesallee" (Dalí: Retrospektive, München 1980, S. 239). Bazon Brock spricht vom "Mund als Weltorgan" (Brock, Bazon: Der Mund ist ein Weltorgan, Frankfurt/Main 1990, S. 14). Der kulturelle Stellenwert der Organe, ihre symbolische Ordnung und strukturelle Bedeutung unterliegen Veränderungen. Als zentrales Stoffwechselorgan des Körpers ist die Leber zu nennen. Die Verbindung von Eingeweide und Sehergabe bezieht sich auf die Leber, die Platon in seiner Weltschöpfung Timaios einer eingehenden Betrachtung unterzieht. In der Opfergabe versteht Platon die Leber in ihrer Funktion als Leben und Tod spendendes Organ. Der „Sitz des Lebens“ ist nicht das Herz, sondern die Leber, in der Mitte der Eingeweide. In dem Gedicht und VIETNAM und thematisiert Erich Fried in seiner Kritik am Vietnamkrieg die von den US Amerikanern verwendeten Ausdrücke und die versteckten tödlichen Vorgangsweisen. Fried spricht das mythische Opfer Paradigma an. „[…] Befriedigung heißt auch, dass man ihnen die Leber herausschneidet und in die Luft wirft. Die Leber ist auch der Sitz des Mutes.“ (Fried, Erich: und VIETNAM und , Berlin, 1966, S. 11). Für den Aktions- und Objektkünstler Dieter Roth kennen die Metamorphosen des Verfalls, denen der Mensch und Roths Aktionen in gleicher Weise unterworfen sind, keine Sicherheit, keinen Stillstand. Der Mund und der Magen sind dabei die zentralen (inter)aktiven Körperteile. Roth begreift diese Materialwucherungen und Zersetzungsprozesse als körperimmanent, aus dem Körper quellen Teile seiner selbst: Verdauung. Roth über Dies ist Cremers Haufen "[...] mein Auge ist mein Mund meine Lider sind des Mundes Lippen meine Wimpern sind des Mundes Zähne. [...] mein Gehirn ist des Mundes Magen meine Bilder sind des Mundes Verdauung [...]." (Roth, Dieter: Mundunculum, Hamburg 1974, S. 14f. ) Die wahrgenommene Außenwelt verschmilzt mit ihrer körperlichen Einverleibung, die Welt wird durch die Verschlingung mit dem Mund in den Magen zur Verdauung transportiert. Roth versteht den Mund als Zentrales Organ, als Schlüsselstelle des Körpers, an dem der Verdauungsvorgang beginnt und in den Magen-Darm-Trakt führt, in dem für Roth der elementare Vorgang stattfindet. Die (Haut)Durchlässigkeit der Körpergrenzen und die Zugänglichkeit der Körperinnenräume durch medizinische Verfahren nutzt die libanesische Künstlerin Mona Hatoum in ihrer Videoinstallation Corps étranger (1994). Der belgische Künstler Wim Delvoye inszeniert in seiner prozessorientierten Installation Cloaca die menschliche Verdauung als öffentlichen Vorgang. Die Assoziation zum Getränk Coca Cola ist gewollt. Die in Acrylglas gegossenen Exkremente von Cloaca werden wieder in den Warenkreislauf eingespeist.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Methode und Ziele: Mund und Innereien wie Leber, Eingeweide und Knochen werden für ästhetische Verfahren und Körperinszenierungen eingesetzt. Wie kann der Körper als einzelner Körperteil/Organ, als Fragment dargestellt und wahrgenommen werden? Teile des Körpers werden in den Künsten hervorgehoben und inszeniert. Die Wechselbeziehung von Zerteilung und Zusammenfügung soll übergreifende Fragen nach den kulturellen Praktiken und ästhetischen Darstellungsmodi aufgreifen. Sind doch die Körperteile/Organe nur in der jeweiligen kulturellen und künstlerischen (imaginären) Bezugnahme auf ein Ganzes existent. Das Erkenntnisinteresse leitet sich von transdisziplinären Zugangsweisen und Fragestellungen ab, denkt body history, body art, Kultur- und Bildwissenschaft, Theatralitätsforschung zusammen und untersucht exemplarisch die Innereien in künstlerischen Prozessen, in der Performance Art. In Theorie und Praxis sollen in den darstellenden Künsten (auch im Sinne einer Mikroperformativität) die in ihrer (Selbst)verdauung zwischen Mensch und Welt interaktiven Körperteile in einem historischen Zeitrahmen untersucht werden. Die kulturelle Anatomie wird für die Performance Art fruchtbar gemacht.
Kriterien für den Abschluss bestehend aus 3 Teilen: 1) Forschungskonzept/Arbeitsgruppen, online Einreichung bis 8. November 2021; 1a) Besprechung (optional online) der Konzepte im November; 2) Werkstattgespräche in Präsenz Plena (optional online Plena) im Dezember/Jänner; 3) schriftl. Arbeit bis 10.4.2022

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Bewertungsschlüssel: Forschungskonzept/Arbeitsgruppe 30%, online Präsentation/Werkstattgespräch 30%, Schriftliche Seminar-Arbeit 40%.
1) Aufschlüsselung der Bewertung des Konzepts (max. 30 Punkte)
30-27 Punkte: Sehr gut; 26–23 Punkte: gut; 21–18 Punkte: befriedigend; 17-14 Punkte: genügend; ab 13 Punkte ungenügend; 2) Aufschlüsselung der Bewertung Werkstattgespräch (max. 30 Punkte) 30-27 Punkte: Sehr gut; 26–23 Punkte: gut; 12–18 Punkte: befriedigend;17- 14 Punkte: genügend; ab 13 Punkte ungenügend; 3) Aufschlüsselung der Bewertung der schriftlichen Arbeit (max. 40 Punkte) 40-35 Punkte: Sehr gut; 34–28 Punkte: gut; 27–21 Punkte: befriedigend; 20-14 Punkte: genügend; ab 13 Punkte ungenügend;

Prüfungsstoff

siehe moodle/Anforderungen

Literatur

siehe moodle

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Fr 01.04.2022 09:08