170602 SE MA 1.1. "Inszenierungsformen und ästhetische Wahrnehmung" (2022W)

„Künstler*innen, die seit den 1960er Jahren weltweit am häufigsten verfolgt und inhaftiert worden sind, waren Vertreter*innen der Performancekunst“ – konstatiert die Kunsthistorikerin Kristine Stiles, die diesem Kunstgenre wirkungsvolle Dimensionen des Widerstands gegen jegliche Formen der Dominanz zuspricht. Ihre Feststellung mag darin begründet sein, dass Performancekünstler*innen ihre Körper zum ästhetischen Gegenstand erheben und weniger ein Werk, vielmehr aber ihre körperliche Existenz selbst in die Gefahr von Kritik, Zensur oder Verbot gelangen lassen.
Die Lehrveranstaltung widmet sich den historischen Entwicklungen der Performancekunst, legt aber den Schwerpunkt auf ihre zeitgenössischen Erscheinungsformen und reflektiert diese aus einer theoretischen und kritischen Perspektive. Es wird zum einen darum zu tun sein, aktuelle ästhetische Tendenzen in der Performancekunst (Diskurse der Autofiktion, Praktiken postkolonialer Übersetzung, Formate der Pre- und Reenactments, Strategien des Delegierens etc.) in Augenschein zu nehmen. Zum anderen nähern wir uns aktuellen Diskursfeldern an, die die Ästhetik und Politik der Performancekunst in den letzten Dekaden intensiv beeinflusst und geprägt haben (Queerness, Posthumansimus, Dekolonialisierung, New Materialism etc.).
Ein weiteres Anligen des Seminars besteht darin, Künstler*innen und deren Arbeiten in den Vordergrund zu rücken, deren kunst- und kulturhistorische Bedeutung vor dem Horizont der westlich geprägten Diskurse und Gegenstandsbereiche der Performance Studies ein immer noch zu erforschendes Desiderat geblieben ist.