180090 SE Michel Foucault: Die Regierung der Lebenden (2023W)

Michel Foucaults Collège de France Vorlesungen Die Regierung der Lebenden (1979/80) gelten als wichtiges Scharnier zwischen seinen machtanalytischen Überlegungen der 1970er Jahre, die um die Begriffe der Disziplin, Gouvernementalität und Biopolitik kreisen, und den subjektanalytischen Arbeiten seines Spätwerks, die nach den Selbsttechnologien und Wahrheitsprozeduren fragen, durch die die Menschen als Subjekte konstituiert werden. Damit einher geht die Verschiebung vom Begriff „Wissen-Macht“ zum Begriff „Regierung durch die Wahrheit“. Foucault beschreibt nun die Wahrheitspolitik einer Gesellschaft weniger als einen Kampf um die Wahrheit als eine „Regierung der Menschen durch die Wahrheit“, die ein komplexes Ensemble von Regierungstechniken, Wahrheitsakten und Subjektivierungspraktiken umfasst. Dies ist mit mit einer weitreichenden Veränderung des Untersuchungsgegenstandes und -zeitraums verbunden: Während Foucault in Die Geburt der Biopolitik die Rationalität des deutschen Ordo- und amerikanischen Neoliberalismus untersucht, wendet er sich nun den frühchristlichen Buß- und Geständnispraktiken zu, die, so Foucaults These, für unser modernes Verständnis von Wahrheit und Subjektivität prägend sind.

Das Seminar ist als ein theoriegeleitetes Lektüreseminar konzipiert. Im Fokus steht die gemeinsame Lektüre von Foucaults Vorlesungen Die Regierung der Lebenden unter Berücksichtigung der aktuellen Forschungsliteratur. Es richtet sich an Studierende, die mit Foucaults Arbeiten bereits bekannt sind oder bereit sind, sich in diese einzuarbeiten. Didaktische Elemente bilden – neben der gemeinsamen Seminardiskussion – die genaue Textlektüre, das regelmäßige Verfassen von Lektürereflexionen und das Peer-Feedback der Seminararbeitskonzepte. Die sichere Vertrautheit mit den Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens und die Bereitschaft, sich mit anspruchsvollen theoretischen Texten intensiv auseinanderzusetzen, werden vorausgesetzt.