Universität Wien

180091 VO-L Psychosomatik heute (2022S)

Psychoanalytische Perspektiven

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 18 - Philosophie

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Details

Sprache: Deutsch

Prüfungstermine

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Donnerstag 10.03. 09:45 - 11:15 Hörsaal III NIG Erdgeschoß
Donnerstag 17.03. 09:45 - 11:15 Hörsaal III NIG Erdgeschoß
Donnerstag 24.03. 09:45 - 11:15 Hörsaal III NIG Erdgeschoß
Donnerstag 31.03. 09:45 - 11:15 Hörsaal III NIG Erdgeschoß
Donnerstag 07.04. 09:45 - 11:15 Hörsaal III NIG Erdgeschoß
Donnerstag 28.04. 09:45 - 11:15 Hörsaal III NIG Erdgeschoß
Donnerstag 05.05. 09:45 - 11:15 Hörsaal III NIG Erdgeschoß
Donnerstag 12.05. 09:45 - 11:15 Hörsaal III NIG Erdgeschoß
Donnerstag 19.05. 09:45 - 11:15 Hörsaal III NIG Erdgeschoß
Donnerstag 02.06. 09:45 - 11:15 Hörsaal III NIG Erdgeschoß
Donnerstag 23.06. 09:45 - 11:15 Hörsaal III NIG Erdgeschoß

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Psychoanalytische Theorien bilden bis heute die Basis einer Reihe von relevanten Konzepten zur Entstehung und zum Verlauf psychosomatischer Erkrankungen. In der Phänomenologie wurden zum Verständnis leiblicher Phänomene oftmals psychoanalytische Theoreme herangezogen. Die Lehrveranstaltung ermöglicht Studierenden, ihre Kenntnisse in psychoanalytischen wie in phänomenologischen Forschungsmethoden zu vergrößern und bietet einen Einblick in aktuelle psychosomatische Forschungsfragen. Die geplante Veranstaltung vermittelt den Teilnehmer*innen zudem Fähigkeiten, mit denen sie sich produktiv an einem transdisziplinären Diskurs beteiligen können.
Die Psychosomatik ist ein in die Antike zurückreichender Zugang zum Menschen, in welchem Körper, Seele und deren Zusammengehörigkeit in den Vordergrund gerückt werden. In die Medizin wurde der Ausdruck „psychisch-somatisch“ Anfang des 19. Jahrhunderts eingeführt. Ein psychosomatisches Verständnis des Menschen wurde in den letzten 100 Jahren als sogenanntes ganzheitliches Verständnis oftmals kritisch gegen eine vor allem (apparate-)technisch ausgerichtete, „naturwissenschaftlich dominierte“ Medizin eingefordert, welch letztere dabei mit cartesischen Zerstückelungstendenzen qualifiziert wurde. Inzwischen ist die psychosomatische Medizin ein medizinisches Fachgebiet geworden, das in die meisten anderen medizinischen Fächer hineinreicht.
Die von Edmund Husserl ausgehende phänomenologische Erforschung der Leiblichkeit stellt sich einer solchen Tendenz traditionell entgegen. Mit ihrer facettenreichen Konzeptualisierung bei Maurice Merleau-Ponty, mit wichtigen späteren Resonanzen (etwa Bernhard Waldenfels), aber auch mit wirkmächtigen Neuansätzen (Jean-Luc Nancy) betont sie wie Sigmund Freud eine enge Verflechtung zwischen dem Körperlichen und dem Seelischen. Freud versteht das Unbewusste als eine Vermittlung zwischen Körper und Seele. Körper, wie sie nicht nur in Behandlungen, sondern auch in der bildenden Kunst, im Film, in der Literatur oder in der Alltagskultur auftauchen, werden gespürt, phantasiert, gedacht. In der Psychoanalyse steht die Vielfalt der Körper, ihres Erlebens und ihrer Thematisierung in der Behandlung im Vordergrund. Es ist dazu ein weniger strukturiertes Erleben des Körpers, wie es in psychotischen Zuständen vorkommt, von unterschiedlich strukturierten Erfahrungen zu unterscheiden. Dabei können einzelne Partialzonen und Partialtriebe für die Körpergestaltung leitend, das unbewusste Bild des Körpers wichtig werden. Seine jeweilige Strukturierung erhält der Körper von Anfang an in Auseinandersetzung mit seinen Objekten. Zentral für ein psychoanalytisches Körperverständnis ist nicht nur die bisexuelle Anlage des Menschen, sondern auch jene Matrix, die als Sexuales unabhängig von der Geschlechterdifferenz gedacht wird.
Die Lehrveranstaltung bietet eine Einführung in verschiedene Konzepte, die historisch wie gegenwärtig das psychoanalytische Denken psychosomatischer Phänomene geprägt haben. Im Rahmen rezenter gesellschaftlicher Entwicklungen hat sich in den letzten Jahrzehnten einiges am traditionellen Verständnisses von Sexualität und Geschlecht verändert. Dies wird angesichts der Bedeutung von Sexualität für das psychoanalytische Verständnis von Erkrankungen ebenso zu berücksichtigen sein wie jener Einschnitt in den vergangenen zwei Jahren einer Pandemie, in der Kulturen der Berührung unter einem soziosomatischen Druck zu Kulturen des Abstandhaltens gemacht wurden.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Schriftliche Prüfung (Fragen, teilweise Multiple Choice, teilweise mit freiem Text zu beantworten)

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

60 % richtige Antworten: genügend
70 % richtige Antworten: befriedigend
80 % richtige Antworten: gut
90% und mehr richtige Antworten: sehr gut

Prüfungsstoff

Inhalt der Vorlesung

Literatur

Alloa, Emmanuel / Thomas Bedorf, Christian Grüny, Tobias Nikolaus Klass (Hg.) (2012): Leiblichkeit. Geschichte und Aktualität eines Konzepts. Tübingen: Mohr Siebeck.
Bion, Wilfred R. (1962a): Learning From Experience, in: ders.: Seven servants. New York: Jason Aranson, 1977, 1–111.
Bion, Wilfred R. (1962b): The Psycho-Analytic Study of Thinking. International Journal of Psycho-Analysis 43, 306–310.
Bronstein, Catalina (2011): On Psychosomatics: The Search for Meaning. International Journal of Psycho-Analysis 92, 173–195.
Canguilhem, Georges (2004): Gesundheit – eine Frage der Philosophie. Berlin: Merve Verlag.
Cleghorn, Elinor (2021): Unwell Women. Misdiagnosis and Myth in a Man-made World. New York: Dutonn.
David-Menard, Monique (2005): Deleuze et la psychanalyse: L’altercation. Paris: PUF.
Deleuze, Gilles / Guattari, Felix (1974): Anti-Oedipus. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Dimen, Muriel (2000): The Body as Rorschach. Studies in Gender and Sexuality 1, 9–39.
Dolto, Françoise (1987): Das unbewusste Bild des Körpers. Weinheim, Berlin: Quadriga.
Freud, Sigmund / Breuer, Josef (1895): Studien über Hysterie, GW I, 75–312.
Freud, Sigmund (1898): Die Sexualität in der Ätiologie der Neurosen, GW I, 491–516.
Freud, Sigmund (1905): Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, GW V, 27–145.
Freud, Sigmund (1917): Letter from Sigmund Freud to Georg Groddeck, June 5, 1917. The International Psycho-Analytical Library 105, 36–38 (dt.: Briefe 1873–1939, hg. v. Ernst u. Lucie Freud. Frankfurt/Main: Fischer, 1960).
Freud, Sigmund (1923): Das Ich und das Es, GW XIII, 237–289.
Heinroth, Johann Christian A. (1818): Lehrbuch der Störungen des Seelenlebens, oder der Seelenstörungen und ihrer Behandlung. Zweyter oder praktischer Teil. Leipzig: Vogel.
Kadi, Ulrike (2020): Körper: Wissen und Schreiben, in: Kadi, Ulrike / Gerhard Unterthurner (Hg.): Macht – Knoten – Fleisch. Topographien des Körpers bei Foucault, Lacan und Merleau-Ponty. Stuttgart: Metzler Verlag, 213-232.
Knafo, Danielle / Rocco Lo Bosco (2020): The New Sexual Landscape and Contemporary Psychoanalysis. London: confer.
Klein, Melanie (1930): Die Bedeutung der Symbolbildung für die Ich-Entwicklung. Gesammelte Schriften I/1, Stuttgart-Bad Cannstatt: frommann-holzboog, 1997, 347–368.
Lacan, Jacques (1991): Das Seminar. Buch II (1954-1955) Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse. Berlin, Weinheim: Quadriga.
Laplanche, Jean (2007): Sexual. La sexualité élargie au sens freudien 2000-2006. Paris: PUF.
Marty, Pierre/ De M’Uzan, Michel (1978): Das operative Denken („Pensée opératoire“). Psyche 32 (10), 974–984.
Merleau-Ponty, Maurice (1945): Phänomenologie der Wahrnehmung. Berlin: De Gruyter 1966.
Nancy, Jean Luc (2000): Corpus. Berlin: diaphanes.
Nemiah, John Case / Sifneos, Peter (1970): Affects and phantasy in patients with psychosomatic disorders, in: Hill, O. W. (Hg.): Modern trends in psychosomatics. London: Butterworth.Rosenfeld 2001.
Schur, Max (1955): Comments on the Metapsychology of Somatization. The Psychoanalytic Study of the Child 10, 119–164.
Waldenfels, Bernhard (2000): Das leibliche Selbst. Vorlesungen zur Phänomenologie des Leibes. Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Young-Bruehl, Elisabeth (2001): Are Human Beings „By Nature“ Bisexual? Studies in Gender and Sexuality 2, 179–213.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Mo 10.10.2022 10:29