Universität Wien

180109 PS Kants kategorischer Imperativ im Lichte von Lacan, Zupancic und Badiou (2015W)

Ethik im Schatten der Globalisierung

4.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 18 - Philosophie
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Details

max. 45 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Donnerstag 15.10. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 22.10. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 29.10. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 05.11. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 12.11. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 19.11. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 26.11. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 03.12. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 10.12. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 17.12. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 07.01. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 14.01. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 21.01. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock
Donnerstag 28.01. 16:45 - 18:15 Hörsaal 3F NIG 3.Stock

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Ethik gilt zu Recht als eine Disziplin, die ausschließlich philosophisch begründet werden kann. Ausgehend von einer philosophisch geschärften Perspektive muss jedoch hinterfragt werden, was in nichtphilosophischen Zusammenhängen unter Ethik verstanden wird. Besonders die Fusion von Wirtschaft und Ethik irritiert als hoch problematischer Komplex. Bereits Karl Kraus entgegnete einem jungen Mann, der bekundet hatte, Wirtschaftsethik studieren zu wollen: Sie werden sich entscheiden müssen. Eine Synthese beider Bereiche wäre einerseits wünschenswert, andererseits existiert wohl kaum eine Sphäre, die den Kriterien einer aufklärungsphilosophisch begründbaren Ethik mehr widerspräche als jene der globalisierten Marktwirtschaft.
Den radikalsten Schnitt in der Geschichte der Ethik repräsentiert zweifellos Kants kategorischer Imperativ. Das Revolutionäre dieses Konzepts liegt darin, dass seine universale Form alle partikulären Inhalte tradierter Sittlichkeit suspendiert. Als moralisch gut sei ausschließlich jener subjektive Wille zu beurteilen, der im Sinne aller gewolt oder als objektives Gesetz behauptet werden kann. Der formale Anspruch auf Universalität widerspricht bei Kant der sinnlichen Natur individueller Begierden. Diese Aporie zwischen Vernunft und Sinnlichkeit blieb bei Kant ungelöst. Hegel kritisierte die abstrakte Dimension der Kantischen Moralität, um, über seine Anerkennungsdialektik vermittelt, zu einem konkreteren Modell der Sittlichkeit zurückzukehren, deren Ideal er in der antiken Polis verwirklicht sah. Doch auch das entwicklungsgeschichtlich hergeleitete Sittengesetz Hegels weist eine Schwäche auf, nämlich diejenige, dass gesellschaftliche Institutionen auch Anerkennungszwänge verkörpern, die jenen Mut gefährden, den Kant dem Subjekt der Aufklärung abverlangte: sich seines eigenen Verstandes ohne Anleitung anderer zu bedienen. Die Wahrheit jeder radikal aufklärerischen Ethik wird somit zwischen Kant und Hegel liegen. Diese Auffassung vertrat auch der Liberale John Rawls in seinen Vorlesungen über die ‚Geschichte der Moralphilosophie’.
In materialistischer Hinsicht ist jede idealistische Ethik einer skeptischen Reduktion zu unterwerfen. Marquis de Sade verfasste in ‚Die Philosophie im Boudoir’ eine Parodie der Kantschen Ethik, indem er deren vernünftigen Imperativ durch einen des nackten Genießens pervertierte. Diese Verkehrung zog Jacques Lacan in ‚Kant mit Sade’ heran, um Freuds Lustprinzip mit Kants Sittengesetz zu verknoten. Lacan kehrte letztlich wieder zum universalistischen Standpunkt der Moderne zurück, jedoch mit der Einschränkung, dass die absolute Form des Gesetzes die materielle Struktur der Triebe nicht abstrakt ausschließen dürfe.
In ‚Das Reale einer Illusion’ differenziert Alenka Zupancic Lacans Rückkehr zu Kant in politischer Absicht weiter aus, wobei sie auch auf Alain Badiou Bezug nimmt, der in seiner ‚Ethik’ ebenfalls auf Lacans Topologie des Mangels zurückgreift, um die ethische Illusion als solche anzugreifen. Badiou setzt dieser seine genuin politische Philosophie entgegen, die auf eine Kritik der neoliberalen Ideologie abzielt. Die von Badiou entworfene politische Ontologie sei jedoch nach wie vor an eine universalistische Ethik der Wahrheit gebunden, die es Subjekten überhaupt erst ermögliche, sich vom Bösen (Trugbild, Verrat und Desaster) abzugrenzen. So erweist auch Badious Denken der kopernikanischen Revolution Kants seine Treue. Der Imperativ dieser dialektisch-materialistischen Ethik laute: Weitermachen!

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Abhalten eines Referats oder Abgabe einer schriftlichen Arbeit.
Die Beurteilung der Lehrveranstaltung basiert auf folgenden Faktoren:
1.) Anwesenheit und Mitarbeit: 20%;
2.) Referat oder schriftliche Arbeit: 80%;
Minimalanforderungen: a) Anwesenheit: max. 3 Termine dürfen versäumt werden, anderenfalls sind Entschuldigungen und eine Anwesenheits-Kompensation zu erbringen, die mit dem LV-Leiter zu vereinbaren ist; b) Das Referat ist auch in schriftlicher Form und in einem Umfang von mindestens 10 Seiten abzugeben; c) die schriftliche Arbeit hat, wenn kein Referat gehalten wurde, mindestens 15 (bis zu 20) Seiten zu umfassen.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Unterscheidung der Kantischen Moralität vom prämodernen Modell der Sittlichkeit; Darstellung des Widerspruchs zwischen Sinnlichkeit und Vernunft in der Kants Moralität; dialektische Vermittlung dieses Widerspruch bei Hegel; Einführung in die poststrukturalistische Logik des Mangels; Aufzeigen einer möglichen Rückkehr von dieser zur antagonistischen Position Kants.

Prüfungsstoff

Referate zu den Texten aus der Literaturliste sowohl durch die TeilnehmerInnen als auch durch den Lehrveranstaltungsleiter; gemeinsame Lektüre und Diskussion zentraler Passagen der Originaltexte (Close reading) im Seminar; Verteilung ausgewählter Textpassagen über Moodle.

Literatur

Ausgewählte Passagen aus:
T. W. Adorno: Probleme der Moralphilosophie, Frankfurt a. Main 1997
Alain Badiou: Ethik, Wien 2003
G. W. Hegel: Phänomenologie des Geistes, Frankfurt a. M. 1993
Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft / Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, in: ders.: Werkausgabe Band VII, Frankfurt am Main 1993
Jacques Lacan: -Kant mit Sade-, in: ders.: Schriften II, Weinheim 1986
Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Berlin 1976
John Rawls: Geschichte der Moralphilosophie, Frankfurt a. M. 2004
Ernst Tugendhaft: -Antike und moderne Ethik-, in: ders.: Probleme der Ethik, Wien 1984
Alenka Zupancic: Das Reale einer Illusion, Frankfurt a. M. 2002
Slavoj Zizek: Sade - die Wahrheit Kants?, Wien 1991

Zusatzliteratur für Interessierte:
Dominik Finkelde: Exzessive Subjektivität. Eine Theorie tathafter Neubegründung des Ethischen nach Kant, Hegel und Lacan, München 2015

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

BA M 6.1

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:36