Universität Wien

180133 VO Ethik der Vulnerabilität (2020S)

3.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 18 - Philosophie

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Details

Sprache: Deutsch

Prüfungstermine

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Dienstag 10.03. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 17.03. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 24.03. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 31.03. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 21.04. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 28.04. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 05.05. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 12.05. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 19.05. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 26.05. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 09.06. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 16.06. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 23.06. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß
  • Dienstag 30.06. 15:00 - 16:30 Hörsaal II NIG Erdgeschoß

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Ziele: Das Konzept der Vulnerabilität erlebt in aktuellen Debatten zu Moral und Ethik (auch der Bereichsethiken wie der Medizinethik, der Ethik der Mensch-Tier-Beziehung etc.), der Politik sowie der Menschenrechte eine richtiggehende Hochkonjunktur. Überall scheint von vulnerablen Gruppen und Individuen die Rede zu sein, die die Legitimität von Normen und Strukturen auf die Probe stellen. Aber was genau ist unter Vulnerabilität zu verstehen? Welche Art der Verantwortung verbindet sich damit? Und in welchem Verhältnis steht Vulnerabilität zu Werten wie Autonomie und Emanzipation?
In dieser Lehrveranstaltung sollen daher Ansätze der Moralphilosophie sowie der Politischen Philosophie behandelt und diskutiert werden, für die der Begriff der Vulnerabilität zentral ist (etwa jene von Judith Butler, Erinn Gilson, Martha Fineman, Bryan Turner sowie auch Emmanuel Levinas). Die Studierenden sollen lernen, wie dieses Konzept im zeitgenössischen Diskurs verhandelt wird, diese Ansätze kritisch reflektieren, und verstehen, welche Methoden sich damit verbinden.

Inhalte: Grundsätzlich sollen ethische Ansätze vorgestellt und diskutiert werden, die Vulnerabilität und Angewiesenheit als zentrale Kategorien in den Vordergrund rücken. Robert Goodin und Alasdair MacIntyre haben schon vor mehr als 20 Jahren versucht, den Begriff der Vulnerabilität als Gegenentwurf zu ratiozentristischen Theorien der Moralphilosophie ins Feld zu führen. Letztere dienen innerhalb der Vorlesung als Kontrastfolien, denn sie gründen moralische Verpflichtung oftmals auf rationale Fähigkeiten wie Autonomie (Kant), Selbstbewusstsein (Singer), Zustimmungsfähigkeit (Carruthers, Scanlon) oder gesellschaftliche Teilhabe (Rawls). Alle diese Ansätze sind aber implizit oder explizit selektiv und produzieren menschliche marginal cases bzw. schließen nichtmenschliche Individuen aus. Bei Goodin und MacIntyre erscheint aber die Vulnerabilität als ein zu behebender oder zumindest auszugleichender Makel; wir wären dann also verpflichtet, die „besonders Vulnerablen“ (typische, allzu typische Beispiele wären Kinder, Menschen mit Behinderung oder Tiere) besonders zu schützen.
Im Kontrast dazu hat die rezente Debatte - vor allem innerhalb der feministischen Ethik, aber auch darüber hinaus - den Weg verfolgt, moralische Verpflichtung als grundgelegt in allgemein geteilter, existentieller Abhängigkeit und Vulnerabilität zu verstehen (dies geschieht nicht selten im Rekurs auf Emmanuel Levinas’ Grundlegung der Ethik durch Vulnerabilität – z.B. bei Judith Butler). Dem wurde und wird aber auch immer wieder entgegengehalten, dass sich mit einem einseitigen Fokus auf die Verletzlichkeit Begriffe bzw. Werte wie Autonomie, Empowerment und Emanzipation in den Hintergrund rücken und eine „therapy culture“ (Furedi) unterstützt wird, innerhalb derer Individuen und Gruppen Anerkennung nur finden, wenn sie sich vulnerabilisieren (lassen). Außerdem könnte damit der Kampf um diese Anerkennung eine perfide Unterwanderung ethischer Berücksichtigung mit sich bringen, etwa wenn sich hegemoniale Gruppen und Strukturen mit dem Verweis auf ihre Vulnerabilität gegen Kritik immunisieren (man denke nur an die zahllosen, bspw. nationalistischen Versuche, die eigene Lebensart als bedroht durch [das] Andere darzustellen).
Die Vorlesung soll unterschiedliche Zugänge zur Vulnerabilität zur Darstellung bringen, analysieren, kritisch reflektieren und gegeneinander abwägen, um letztlich zu einem notgedrungen fragmentarischen Gesamtbild einer Ethik der Vulnerabilität zu gelangen.

Methode: Vortrag, der (fast;-) jederzeit mit Fragen und Diskussionspunkten unterbrochen werden darf.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Schriftliche Prüfung am Semesterende, drei weitere Prüfungstermine im darauf folgenden Semester.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Die Prüfung wird positiv beurteilt, wenn 60% des Erwartungshorizonts (Reproduktion des in der Vorlesung dargestellten Stoffes sowie kritische Auseinandersetzung damit) erfüllt werden.

Prüfungsstoff

Der Inhalt der Vorlesung.

Literatur

(vorläufig):
Butler, J.: Gefährdetes Leben. Politische Essays. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2005. 

Butler, J.: Raster des Krieges. Warum wir nicht jedes Leid beklagen. Frankfurt am Main: Campus, 2010.
Crary, A.: Inside Ethics. On the Demands of Moral Thought. Harvard: Harvard University Press, 2016. Fineman, M.: The Autonomy Myth. A Theory of Dependency. New York: The New Press, 2005.
Gilson, E.: The Ethics of Vulnerability. A Feminist Analysis of Social Life and Practice. New York: Routledge, 2014.
Goodin, R.: Vulnerabilities and Responsibilities. An Ethical Defense of the Welfare State. The American Political Science Review 79 (3), 1985, 775-787.
Goodin, R.E.: Protecting the Vulnerable. A Reanalysis of Our Social Responsibilities. Chicago/London: University of Chicago Press, 1985.
Levinas, E.: Totalität und Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität. München: Fink, 1987.
Levinas, E.: Jenseits des Seins oder anders als Sein geschieht. Freiburg: Alber, 1992.
MacIntyre, A.: Dependent Rational Animals. Why Human Beings Need the Virtues. Chicago: Open Court, 1999.
Mackenzie, C./Rogers, W./Dodds, S.: Vulnerability. New Essays in Ethics and Feminist Philosophy. Oxford: Oxford University Press, 2013.
Nussbaum, M.: Die Grenzen der Gerechtigkeit. Behinderung, Nationalität und Spezieszugehörigkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 2010.
Petherbridge, D. (2016): What’s Critical about Vulnerability? Rethinking Interdependence, Recognition, and Power. Hypatia 31(3): 589-604.
Turner, B.: Vulnerability and Human Rights. Essays on Human Rights. Pennsylvania: The Pennsylvania University Press, 2006.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Fr 12.05.2023 00:18