Universität Wien

180172 VO Gesundheit: Ideal oder gefährliche Drohung? (2020W)

3.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 18 - Philosophie

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

Sprache: Deutsch

Prüfungstermine

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Wie von der Studienprogrammleitung empfohlen, werde ich die Vorlesung im Wintersemester digital abhalten. Konkret bedeutet dies, dass ich die Vorlesung an den Montagsterminen in digitaler Form halte und wie sonst auch für Fragen und Diskussionen zur Verfügung stehe, entweder via Collaborate oder Zoom, je nach technischer Verfügbarkeit. Insofern ist für die Teilnahme diesmal eine Anmeldung für die VO erforderlich, weil sonst kein Zugang zu Moodle möglich ist.
Die Vorlesung (also mein Part) steht jeweils im Anschluss als Videodatei auf Moodle zur Verfügung.
Die Vorlesung selbst besteht, wie sonst im Hörsaal, zum überwiegenden Teil aus einem Vortrag meinerseits. Ich werde diese Vorträge wie üblich von Zeit zu Zeit unterbrechen, um Raum für Fragen und Diskussionen zu eröffnen. Gegen Ende der Vorlesung gibt es ebenfalls die Möglichkeit, zu diskutieren und nachzufragen. Im Übrigen steht Ihnen während der LV auch die Möglichkeit zur Verfügung, Fragen und Kommentare mittels Chat an mich oder alle Anwesenden zu posten.
Im Übrigen wird die VO durch Folien und gelegentliche Videosequenzen unterstützt. Die Folien finden Sie im Anschluss an die LV auf Moodle. Dort werde ich auch weitere Materialien (mit Ausnahme des Readers) zur Verfügung stellen.
Darüber hinaus biete ich die Möglichkeit weiterführender Nachfragen und Gespräche nach vorheriger Terminvereinbarung (über E-Mail) in meinem Büro in der Alser Straße 28/2/22, 1090 Wien, jeweils montags und dienstags (beginnend mit Montag, dem 05.10.2020), ab 17:00, an.
Ein Reader wird wie stets bis spätestens Ende Oktober zur Verfügung stehen. Für Fragen im Vorfeld der VO können Sie mich jederzeit über die E-Mail-Adresse gerhard.donhauser@univie.ac.at kontaktieren.

Bitte loggen Sie sich am 12. Oktober gegen 15:00 (gerne schon früher) auf Moodle ein und klicken Sie dann denn Collaborate-Button "12_10_20". Vielen Dank im Voraus!

Montag 12.10. 15:00 - 16:30 Digital
Montag 19.10. 15:00 - 16:30 Digital
Montag 09.11. 15:00 - 16:30 Digital
Montag 16.11. 15:00 - 16:30 Digital
Montag 23.11. 15:00 - 16:30 Digital
Montag 30.11. 15:00 - 16:30 Digital
Montag 07.12. 15:00 - 16:30 Digital
Montag 14.12. 15:00 - 18:00 Digital
Montag 11.01. 15:00 - 16:30 Digital
Montag 18.01. 15:00 - 16:30 Digital
Montag 25.01. 15:00 - 16:30 Digital

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Ziele: Erarbeitung eines differenzierten und kritisch-reflexiven Zugangs zum Themenkreis Recht und Politik, dem Verhältnis von Recht und Ethik/Moral, den Möglichkeiten, autoritäre politische Verhältnisse unter Berufung auf scheinbar wünschenswerte Ziele zu etablieren sowie eine Klärung der Begriffe autoritäre, totale und totalitäre Herrschaft aus philosophischer Perspektive und in ideengeschichtlicher Dimension; Einführung in eine Reihe zentraler Themen Politischer Philosophie und Ideologiekritik.

Inhalte: In ihrem 2009 veröffentlichten dystopischen Roman „Corpus Delicti“ schildert Juli Zeh einen Staat oder ein Gemeinwesen, das sich selbst als „METHODE“ bezeichnet, und dem die Gesundheit seiner Bürgerinnen und Bürger als höchster Zweck gilt. Dies bedeutet nicht zuletzt, dass Menschen verpflichtet werden, alles zu tun, um sich gesund zu erhalten, etwa ein staatlich vorgegebenes Sportprogramm zu absolvieren oder über ihre Ernährungsgewohnheiten Buch zu führen. Überwachungs- und Repressionsmaßnahmen sollen entsprechendes Verhalten gewährleisten. Wer beispielsweise raucht oder sich in einer nicht gesundheitsförderlichen Weise ernährt, wird gerichtlich verfolgt, bestraft und anschließend im Sinne der Staatsziele „resozialisiert“. Ist jemand gar nicht auf Linie zu bringen, kann er oder sie auf unbestimmte Zeit eingefroren werden. Einzelne begehren dagegen auf, manche bilden Gruppen und fordern ein Recht auf Krankheit, allesamt werden sie als Terroristen verfolgt. Nun mag man einige naheliegende Einwände geltend machen. Ist es nicht in der Tat unerträglich, dass Menschen offenbar wider alle Vernunft Taten setzen und Forderungen erheben, die ihren Status als Menschen selbst in Frage stellen? Gibt es nicht wenigstens ein summum bonum, auf das man sich vernünftigerweise wird einigen können, also beispielsweise, dass Menschen gesund sein sollen? Sagt nicht schon das Alltagsverständnis, dass Gesundheit „das Wichtigste“ sei? Und dann kommen Leute mit einem „Recht auf Krankheit“? Aber was heißt das eigentlich, „Gesundheit“?
Dass man Gesundheit sehr leicht zu einem Anknüpfungspunkt für repressive Strukturen machen kann, bewies im 17. Jahrhundert der aus Hall in Tirol stammende Arzt und gegenreformatorische Schriftseller Hippolytus Guarinonius (1572–1654), „ganz nebenbei“ Erfinder des antijüdischen Kults um den (gänzlich fiktiven) „Anderl von Rinn“. 1610 veröffentlichte er einen umfangreichen Traktat zur menschlichen Gesundheit: „Die Grewel der Verwüstung Menschlichen Geschlechts“. Darin wird die Wendung „Gesondt“ im Sinne kirchlicher Religiosität sehr weit gefasst und zentral bedeutsam. Wer gesund sein wolle, müsse im Sinne der „Christlichen Philosophiae“ leben. Die Obrigkeit habe nachzuhelfen.
Was kann nicht alles ungesund sein, und wie prekär wird es, wenn erst Ideologien mächtig werden, die den „gesunden Volkskörper“ im Blick haben und alles von ihm fernhalten, was ihm schadet? Hinzu kommen Hinweise auf die Kosten der „Volksgesundheit“, die durch Uneinsichtige verursacht würden, Raucherinnen und Raucher, gewiss, aber auch Personen, die sich nicht hinreichend „gesund“ ernähren, unerwünschte Sportarten ausüben oder gezielte und nur ihrem eigenen Besten dienende Bewegung verweigern. Schon diese paar Assoziationen lassen ganz gut erkennen, wie repressiv auch das summum bonum Gesundheit werden kann, wenn es nur hinreichend hoch veranschlagt und entsprechend definiert wird. Dass es sich bei alledem keineswegs um theoretische oder literarische Spekulation handelt, kann leicht auch an einigen spezifischen staatlichen Maßnahmen (weltweit) seit Februar/März 2020 im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie nachvollzogen werden.

Methoden: Vortrag des LV-Leiters, teils unter Einbeziehung von Lektüren der Studierenden nach Möglichkeit auch Diskussionen.
Ein Reader mit wichtigen Texten, die alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer lesen sollten, wird zur Verfügung gestellt.
Spezifika der Lehre in digitaler Form: Vgl. bitte die Anmerkungen zu den Terminen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Digitale mündliche Prüfung (für einen positiven LV-Abschluss sind mindestens 50 von 100 Punkten zu erreichen). 1. Termin: 01.02.21; 2. Termin: 02.03.21. (Änderung: 29.10.20; gilt jedenfalls für die Termine 1 und 2.) Weitere Details finden Sie auf Moodle.
Erlaubte Hilfsmittel: Reader.

Benotung:
1 (sehr gut): 100 - 90 Punkte
2 (gut): 89 - 81 Punkte
3 (befriedigend): 80 - 71 Punkte
4 (genügend): 70 - 51 Punkte
5 (nicht genügend): 50 oder weniger Punkte

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab
Eine eigenständige, reflektierte Beschäftigung mit den Themen der LV soll im Rahmen der Prüfungsarbeit erkennbar sein. Wichtiger als die Reproduktion von Wissensbeständen ist aus meiner Sicht erkennbare Beschäftigung mit Themen und Problemstellungen der VO. Deshalb werden bei der Prüfung offene Fragen gestellt, die in so beantwortet werden sollen, dass eine kohärente und konsistente Argumentation Ausdruck findet, desgleichen eine zumindest rudimentäre Beschäftigung mit themenrelevanter Literatur und Bezugnahme auf diese. 4 Fragen werden angeboten, 2 sind zu behandeln. Verwendung von themenrelevanter Literatur ist möglich. Im Übrigen wird jede Form von Mitarbeit positiv bewertet, auch dies fließt insofern in die Beurteilung ein.

Prüfungsstoff

Alles in der Vorlesung Thematisierte.

Literatur

Agamben, Giorgio, Ausnahmezustand (= Homo sacer II. 1). Aus dem Italienischen v. Ulrich Müller-Schöll (Frankfurt am Main 2004).
Agamben, Giorgio, Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben. Aus dem Italienischen v. Herbert Thüring (2. Aufl. Frankfurt am Main 2002).
Albright, Madeleine: Faschismus. Eine Warnung. Übers. v. Bernd Jendricke, Thomas Wollermann, Kollektiv Druck-Reif (Köln 2018).
Arendt, Hannah: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Antisemitismus, Imperialismus, Totalitarismus (9. Aufl. München 2003).
Donhauser, Gerhard: Angst und Schrecken. Beobachtungen auf dem Weg vom Ausnahmezustand zum Polizeistaat in Europa und den USA (Wien 2015).
Donhauser, Gerhard: Das kälteste aller kalten Ungeheuer. Vom Staat und seinen Krisen. (Wien 2019).
Donhauser, Gerhard: Kafkaesk? Staatliche Repression und literarische Widerständigkeit. In: Bstieler, Michaela et al. (Hg.): K[uns]t als gesellschaftskritisches Medium (Bielefeld 2018) 119 – 133.
Foucault, Michel, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Übers. v. Walter Seitter (Frankfurt am Main 1994).
Foucault, Michel: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1. Übers. v. Ulrich Raulff u. Walter Seitter (7. Aufl. Frankfurt am Main 1994).
Frances, Allen: Normal. Gegen die Inflation psychiatrischer Diagnosen. Übers. v. Barbara Schaden (Köln 2013).
Harari, Yuval Noah: Homo Deus. Eine kurze Geschichte von Morgen. Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn (München 2017).
Hobbes, Thomas: Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines kirchlichen und bürgerlichen Staates. Hg. u. eingeleitet v. Iring Fetscher, übers. v. Walter Euchner. (6. Aufl. Frankfurt am Main 1994).
Kafka, Franz: Der Proceß. Roman in der Fassung der Handschrift. Hg. v. Malcolm Pasley (Frankfurt am Main 1993).
Marsh, Henry: Um Lebens und Tod. Aus dem Englischen v. Katrin Behringer (München 2015).
Mukherjee, Siddharta: Der König aller Krankheiten. Krebs - eine Biographie. Aus dem Englischen v. Barbara Schaden (Köln 2012).
Schmitt, Carl: Die Diktatur (7. Aufl. Berlin 2006).
Schmitt, Carl: Politische Theologie (7. Auf. Berlin 1996).
Schroubek, Georg R.: „Zur Frage der Historizität des Andreas von Rinn“, in: Buttaroni, Susanna / Musial, Stanislaw (Hg.), Ritualmord. Legenden in der europäischen Geschicht (Wien/Köln/Weimar 2003) 173–196.
Silberman, Steve: Geniale Störung. Übers. v. Harald Stadler (Köln 2017).
Snyder, Timothy: Black Earth. Der Holocaust und warum er sich wiederholen kann. Übers. v. Ulla Huber u. Karl Heinz Siber (München 2015).
Zeh, Juli: Corpus Delicti. Ein Prozess (Frankfurt am Main 2009).

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Fr 12.05.2023 00:18