Universität Wien

180405 PS Kein Anschluss unter dieser Nummer (2009S)

Eine Mediengeschichte des Telefons

4.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 18 - Philosophie
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

Vorbesprechung/Themenvergabe: Fr, 13.03.2009, 10-12 Uhr c.t., NIG HS 3F. Die Termine der Blockveranstaltungen (3 Blöcke mit je 4 Seminar-Doppelstunden) sind:
Block 1: Fr., 03.04.2009, 10-13 Uhr und 14-16 Uhr und Sa, 04.04.2009, 10-12.30 Uhr und 14-16 Uhr; Block 2: Fr. und Sa., 08./09.05.2009 (gleiche Zeiten); Block 3: 05./06.06.2009 (ebenfalls gleiche Zeiten)

Weitere Informationen sowie aktuelle Änderungen finden sich in Bälde auf meiner Homepage unter der Adresse http://homepage.univie.ac.at/sebastian.vehlken/

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 45 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine

Zur Zeit sind keine Termine bekannt.

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

gemeinsam mit Jan Müggenburg, Initiativkolleg "Naturwissenschaften im historischen Kontext"

Vielleicht verläuft die Aktualitätskurve eines Mediendiskurses nicht selten invers zur Putzigkeit der darin inhärenten Anekdoten. Wenn also Kulturgeschichten des Telefons etwa mit jenem Nonsens-Satz betitelt werden, den der hessische Tüftler Johann Philipp Reis 1861 durch seinen "Ferntonapparat" schickte, deutet dies zunächst hin auf eine gnadenlose Antiquiertheit von Telefongeschichte(n) in Zeiten digitaler Vernetztheit: "Das Pferd frisst keinen Gurkensalat" - dieser Satz vermediensteinzeitlicht geradezu Gebrauch und Technik eines Geräts, dessen historisches und theoretisches Erregungspotenzial längst in einer ubiquitären Alltäglichkeit verstummt ist, in der so etwas wie "Festnetz" nicht nur abgemeldet ist, sondern zunehmend auch wird.
Dieses Seminar setzt nun keineswegs an zur romantischen Rehabilitierung eines oftmals vernachlässigten mediengeschichtlichen Stiefkinds, eines immer schon im Verschwinden begriffenen Mediums, sondern fragt umgekehrt, ob in diesem ständigen Verschwinden nicht gerade die unhintergehbare theoretische Produktivität des Telefons zu suchen und zu finden ist. Denn wenn Medien stets dahin tendieren, ihre eigene Beteiligung an medialen Prozessen zu löschen und unwahrnehmbar zu werden (Vogl/Engell 1999), dann kann das Telefon als ein Präzedenzfall des Medialen gelesen werden, der auf mehrfache Weise Verschwinden produziert: Theorien von Marshall McLuhan, Paul Virilio, Vilèm Flusser oder Friedrich Kittler werden unsere Suche nach dem Verschwinden begleiten - nach einem Verschwinden von Zeiten, Körpern, Räumen und Speichern in Übertragungen. Dieses diskursive Spannungsfeld könnte durch Begriffspaare wie Anwesenheit/Abwesenheit, Entkörperlichung/Stimme, Ferne/Nähe oder Anruf/Rückruf systematisiert werden, in der das Telefon als Effektor einer spezifischen Vernetzung menschlicher und nichtmenschlicher Akteure gedacht werden kann.
Zweitens intrigiert in einer Mediengeschichte und Epistemologie des Telefons sein elektromagnetisches Spannungsfeld: Eine zweite Fluchtlinie des Seminars wird mithin eine Archäologie seiner Materialität bilden, welche die Unwahrnehmbarkeit des Mediums wahrnehmbar macht. Was sind die physikalischen, apparativen, technologischen Prinzipien und Entwicklungen, in denen sich ein Medium des Verschwindens herausbilden konnte und Form angenommen hat? Behandelt werden hier Texte aus der Frühgeschichte des Telefons und der Fernübertragung, etwa von James Clerk Maxwell, Alexander Bell, Philipp Reis oder Guglielmo Marconi.
Und drittens wird uns interessieren, inwiefern das Telefon als eine Art atavistisches Medium in anderen Medientechnologien haust und weiterlebt (etwa sein Relaisprinzip in Shannons Schaltalgebra) und wie sich in seiner Genealogie neue Relationen ausbilden. Wie also verschränken sich Telefon und Digitale Technologien? Dieses neuerliche Feld könnte sich etwa zwischen den Begriffen Analog/Digital, Adressierung/Verortung oder Mobilität/Erreichbarkeit aufspannen.
Aus diesem dreifachen epistemologischen, technikgeschichtlichen und atavistischen Spannungspotenzial wird das Seminar Schnitte sezieren, in denen sich Übertragung, Vernetzung und Verschwinden exemplarisch kristallisieren, und in denen das "unterschätzteste Medium" Telefon (Münker/Roesler) neu eingeschätzt und zu schätzen gelernt werden kann.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Kurzreferat mit Thesenpapier, Journal der Seminardiskussion, abschließende Seminararbeit (ca. 12-15 Seiten)

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsstoff

Zu jeder der Blockveranstaltungen werden (zumeist kürzere) Texte vorbereitet und anhand von Kurzreferaten vorgestellt, die zudem anhand eigener Thesen die Diskussion eröffnen und anleiten. Die Ergebnisse der Diskussionen werden von den Seminarteilnehmer/innen in persönlichen "Telefonbüchern" journalhaft aufbereitet. Desweiteren werden wir Schlüsseltexte gemeinsam erarbeiten und die Tragweite von Telefon-Diskursen auch anhand von Filmbeispielen illustrieren. Von den Teilnehmer/innen wird die Lektüre aller Texte und eine muntere Beteiligung an der Diskussion erwartet. Abschließender Prüfungsbestandteil eine Seminararbeit (ca. 12-15 Seiten), die einen der behandelten Themenbereiche (gerne auch anhand einer Telefontechnologie oder -anwendung) bearbeitet.

Literatur

Stefan Münker/Alexander Roesler (Hg.): Das Telefonbuch. Frankfurt/M. 2000.
Avital Ronell: The Telephone Book. Technology, Schizophrenia, Electric Speech. Lincoln/London 1989.
Seth Shulman: The Telephone Gambit. Chasing Alexander Graham Bell's Secret. New York/London: 2008.
Ulrich Lange/Klaus Beck/Axel Zerdick (Hg.): Telefon und Gesellschaft. Beiträge zu einer Soziologie der Telefonkommunikation. 4 Bände. Berlin 1989-90.


Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

BA M 7.3, § 3.2.4

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:36