Universität Wien

190083 VO BM 5 Bildungswissenschaftliche Theorienbildung (IP) (2025S)

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 19 - Bildungswissenschaft

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Details

Sprache: Deutsch

Prüfungstermine

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Mittwoch 30.04. 09:00 - 13:00 Hörsaal 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Mittwoch 14.05. 09:00 - 13:00 Hörsaal 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Mittwoch 28.05. 09:00 - 13:00 Hörsaal 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5
  • Mittwoch 11.06. 09:00 - 13:00 Hörsaal 5 Hauptgebäude, Tiefparterre Stiege 9 Hof 5

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Die Vorlesung führt in die Bildungswissenschaftliche Theorienbildung ein, vermittelt durch zentrale Denkfiguren und Konzepte im Bereich Inklusion und Inklusiver Pädagogik. In Anlehnung an Annedore Prengels (1993) Pädagogik der Vielfalt wird Inklusive Pädagogik nicht als spezialisierter Ansatz für bestimmte Gruppen von (ausgrenzungsgefährdeten) Menschen verstanden, sondern als allgemeine Pädagogik, die an der grundlegenden Vielfalt aller Lernenden ansetzt. Bildung wird dabei als Raum der Anerkennung und des Werdens (aller Menschen in Interdependenz) begriffen, in dem Gleichheit und Differenz nicht als Gegensätze, sondern als sich gegenseitig bedingende Prinzipien betrachtet werden.
Auch Inklusion wird hierbei nicht als feststehende (Ziel-)Größe definiert, sondern als dynamischer, komplexer und verflochtener Prozess wandelbarer Grenzakte, die sich durch die spezifischen Verbindungen und Wechselwirkungen (Intra-Aktionen) zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Akteuren in verschiedenen Kontexten jeweils unterschiedlich manifestieren (Koenig & Schön, 2024). Ziel dieser Vorlesung ist es, Studierende mit einer inklusionspädagogischen Denkweise und Theoriebildung vertraut zu machen und Inklusion als relationales Phänomen sowie als transformative Praxis auf individueller und kollektiv-systemischer Ebene begreifbar zu machen.
Die Lehrveranstaltung thematisiert inklusive Pädagogik im Kontext aktueller Diskurse und Debatten zu globalen gesellschaftlichen Herausforderungen inmitten sich affektiv zuspitzender polykrisenhafter Phänomene des Anthropozäns. Einleitend werden insbesondere Debatten zu Diversität, „Wokeness“ und Identitätspolitik aufgegriffen, die häufig instrumentell polarisiert geführt werden. Inklusion wird dabei nicht nur als sozial- oder bildungspolitische Aufgabe, sondern als gesamtgesellschaftliche Herausforderung betrachtet – als Angelpunkt einer umfassenderen Auseinandersetzung um Zugehörigkeit, Macht und Zukunftsgestaltung in einer unweigerlich pluralen Welt. Vor diesem Hintergrund werden aktuelle Angebote der Inklusionsforschung zur bildungswissenschaftlichen Theoriebildung und Weltdeutung diskutiert, darunter:
Das Trilemma der Inklusion nach Mai-Anh Boger (2019) macht die Widersprüche zwischen den Prinzipien Dekonstruktion, Empowerment und Normalisierung sichtbar und zeigt, dass jeweils nur zwei dieser Dimensionen gleichzeitig realisiert werden können.
Jasbir Puars (2017) biopolitisches Verständnis von Debilität, Befähigung und Behinderung verdeutlicht, wie gesellschaftliche Normierungsprozesse bestimmte Körper entlang neoliberaler Verwertungslogiken hervorbringen und regulieren.
Arseli Dokumacis (2023) Konzept der Activist Affordances beschreibt, wie Menschen mit Behinderungen durch alltägliche Praktiken restriktive Strukturen unterlaufen und sich widerständige Handlungsspielräume erschließen.
Ansätze einer kritisch-posthumanistischen Disability Studies (in Education) und Inklusionsforschung (Goodley et al., 2021; Naraian, 2020) hinterfragen anthropozentrische Inklusionskonzepte, indem sie die Rolle materieller, technologischer und diskursiver Verflechtungen in Bildungsprozessen betonen.
Die Vorlesung beleuchtet Inklusion über den gesamten Lebensverlauf hinweg, sowohl aus der Perspektive marginalisierter Gruppen als auch mit Blick auf (inklusiv-)pädagogische Handlungsfelder. Dabei wird das Verhältnis von Theorie und Praxis im Sinne eines dialektischen Verständnisses herausgearbeitet, insbesondere mit Bezug auf Paulo Freires kritische Pädagogik, die Theorie nicht als abstrakte Wissensform, sondern als Mittel zur Reflexion und Transformation gesellschaftlicher Wirklichkeiten begreift.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Didaktisch folgt die Vorlesung in Teilen dem Inverted Classroom-Ansatz: Studierende bereiten ausgewählte Texte im Vorfeld vor, um die Inhalte in der Lehrveranstaltung gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Theorieimpulse werden fallweise durch Gastvorträge von Betroffenen und Praktiker*innen ergänzt.
Schriftliche Prüfung am Ende der Lehrveranstaltung. Im Laufe des Semesters wird es die Möglichkeit geben im Rahmen freiwilliger Teilleistungen Zusatzpunkte auf die Prüfung anrechnen zu können.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Im Rahmen der Prüfung müssen von 100 möglichen Punkten mindestens 61 Punkte für eine positive Beurteilung erreicht werden. Die Prüfung wird aus zwei Teilen bestehen. Einem Multiple Choice Teil sowie einem qualitativen Teil. In diesem werden die Studierenden auf der Grundlage von Praxisvignetten, sowohl Beziehungen zu den theoretischen Inhalten herstellen als auch Praxis- und Handlungsstrategien ableiten.
Der Notenschlüssel sieht wie folgt aus:
100 % - 91 % Sehr Gut
90 % - 81 % Gut
80 % – 71 % Befriedigend
70 % - 61 % Genügend
0 % - 60 % Nicht Genügend

Prüfungsstoff

siehe oben

Literatur

Boger, M. A. (2019). Theorien der Inklusion. Die Theorie der trilemmatischen Inklusion zum Mitdenken. Münster: edition assemblage,
Dokumaci, A. (2023). Activist affordances: How disabled people improvise more habitable worlds. Duke University Press.
Goodley, D., Lawthom, R., Liddiard, K., & Runswick-Cole, K. (2021). Key concerns for critical disability studies. The International Journal of Disability and Social Justice, 1(1), 27-49.
Kafer, A. (2013). Feminist, Queer, Crip. Indiana UP.
Koenig, O., Pomeroy, E., Seneque, M., & Scharmer, O. (2024). Emergent Literacies, Cartographies and Ecologies for World-Making. Journal of Awareness-Based Systems Change, 4(2).
Koenig, O., & Schön, P. (2024). Intra-Aktionen und Grenz-Akte des Wandels. Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie, 1-13.
Léger, M. J. (Ed.). (2023). Identity trumps socialism: The class and identity debate after neoliberalism. Taylor & Francis.
Naraian, S. (2020). What Can “inclusion” Mean in the post-human Era?. Journal of disability studies in education, 1(1-2), 14-34.
Puar, J. K. (2017). The right to maim: Debility, capacity, disability. Duke University Press.
Tronto, J. C. (2018). Care as a political concept. In Revisioning the political (pp. 139-156). Routledge.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

BM 5 VO (IP+SP)

Letzte Änderung: Fr 28.03.2025 13:26