Universität Wien

190092 SE Theorie und Praxis der Schulentwicklung (2012S)

Interpretation von Vermittlung und Aneignung im Unterricht

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 19 - Bildungswissenschaft
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Montag 05.03. 17:00 - 20:00 (Großer Seminarraum, Garnisongasse 3/2. Stock, 1090 Wien)
Montag 19.03. 17:00 - 20:00 (Großer Seminarraum, Garnisongasse 3/2. Stock, 1090 Wien)
Montag 26.03. 17:00 - 20:00 (Großer Seminarraum, Garnisongasse 3/2. Stock, 1090 Wien)
Montag 16.04. 17:00 - 20:00 (Großer Seminarraum, Garnisongasse 3/2. Stock, 1090 Wien)
Montag 23.04. 17:00 - 20:00 (Großer Seminarraum, Garnisongasse 3/2. Stock, 1090 Wien)
Montag 30.04. 17:00 - 20:00 (Großer Seminarraum, Garnisongasse 3/2. Stock, 1090 Wien)
Montag 07.05. 17:00 - 20:00 (Großer Seminarraum, Garnisongasse 3/2. Stock, 1090 Wien)
Montag 14.05. 17:00 - 20:00 (Großer Seminarraum, Garnisongasse 3/2. Stock, 1090 Wien)
Montag 21.05. 17:00 - 20:00 (Großer Seminarraum, Garnisongasse 3/2. Stock, 1090 Wien)

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Im Rahmen des Seminars wird anhand von wörtlichen Transkripten von stattgefundenen Unterrichtsstunden rekonstruiert wie Vermittlungsbemühungen der Lehrer/in und Aneignungsinteressen von Schüler/innen einer Klasse im Unterricht zusammentreffen. Die Untersuchung des Zusammentreffens von Vermittlung und Aneignung im Unterricht geschieht durch qualitative Strategien der Interpretation. Die Interpretationsarbeit im Seminar basiert auf konzeptuellen Überlegungen über die Struktur von Unterricht, Aneignung und Vermittlung, die wie folgt skizziert werden können:

Struktur von Unterricht
In Schule findet Vermittlung institutionell gerahmt als Unterricht statt: Die Aufgabe der Vermittlung fällt dem/der Lehrer/in zu, das Aneignen dem/der Schüler/in. Bei schulischer Vermittlung wenden sich beide subjektiv konstruierend einem Objekt der Wirklichkeit zu, der von einem Unterrichtsgegenstand repräsentiert wird. Ziel der Interpretationsarbeit ist es die weitgehend von Lehrer/innen bestimmte Struktur von Unterricht zu erschließen. Die Erschließung umfasst zwei Teilbereiche: Erstens ist zu rekonstruieren wie der Gegenstand in der Praxis der Vermittlungsarbeit von Lehrer/innen präsentiert wird, zweitens wie die vermittelnde Person ihn für das Verstehen der Lernenden didaktisch erschließt. Außerdem ist der Prozess der Interaktion zu rekonstruieren, durch den Unterricht zwischen Lehrer/innen und Schüler/innen unter institutionellen Rahmenbedingungen entsteht und aufrechterhalten wird.

Aneignung als Ausgangspunkt von Vermittlung
Aneignung bezeichnet die Auseinandersetzung eines Subjekts mit den Objekten der umgebenden Welt. Wissen über den Prozess der Aneignung von Informationen über Erkenntnisobjekte bildet die Grundlage jeder Vermittlung, die darauf abzielt, Lernende in ihrem Aneignungsbemühen zu unterstützen. Ohne expliziten Bezug auf den Prozess des Aneignens ist keine Konzeption von Vermittlung möglich. Die Divergenz von Aneignung und Vermittlung macht deutlich, dass für das Verstehen von Unterricht eine Beforschung der objektspezifischen Aneignungsprozesse nicht hinreichend sein kann. Das Verstehen von Aneignungsprozessen bildet jedoch einen sinnvollen Ausgangspunkt für Vermittlung. Daher ist die Beforschung objektbezogener Aneignungsprozesse in das Vorhaben fachspezifischer Vermittlungsforschung notwendigerweise mit einzubeziehen. Schüler/innen werden hierbei als Expert/innen ihrer eigenen Aneignungspraxis verstanden.

Vermittlung durch Lehrer/innen
Vermittlung kann sich gegenüber dem aneignenden Subjekt und dem anzueignenden Objekt nur legitimieren, wenn es sich aus Sicht des Subjekts lohnt, das Objekt über den Umweg der Vermittlung zu erreichen. Durch Vermittlung entsteht das Problem, dass Aneignende nicht mehr am Erkenntnisobjekt selbst arbeiten sondern an bereits vorgegebenen Repräsentationen des Objekts. Diese Repräsentationen treten im Unterricht als Schulbuch-Kapitel oder Arbeitsblätter verdinglicht auf. Vertraut sich das Subjekt der Vermittlung an, ersetzt der vom Vermittelnden vorgegebene Gegenstand teilweise die Auseinandersetzung mit dem Objekt. Im Seminar wird anhand von aufgezeichneten und transkribierten Unterrichtsstunden rekonstruiert welche Konsequenzen sich in Folge der Entfernung von Aneignenden und Objekt zeigen.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

- Anwesenheit (mindestens 75%)
- aktive Mitarbeit im Seminar, in den Projektgruppen und online
- Kurzpräsentation ausgewählter Literatur, Erstellung eines Handouts
- Seminararbeit

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Ziel der Lehrveranstaltung ist es,
(1) einen forschenden Blick auf die Praxis der Arbeit von Lehrer/innen und Schüler/innen zu werfen,
(2) Methoden der Interpretation dieser Praktiken theoretisch und praktisch kennenzulernen und auszuprobieren,
(3) durch das Üben im Interpretieren von Handlungen Reflexionsfähigkeit in Bezug auf pädagogische Arbeit in Schulen zu fördern.

Prüfungsstoff

Um eine Basis für die systematische Auseinandersetzung mit der Praxis von Vermittlung und Aneignung zu schaffen, soll vorbereitend Literatur aufgearbeitet werden, die mit dem Vorhaben in Verbindung steht. Die Aufarbeitung von Literatur lässt sich in drei Bereiche gliedern: Erstens sollen durch lesen und diskutieren von Texten konzeptuelle Grundlagen zu den Begriffen Vermittlung, Aneignung, Praxis und Handeln erarbeitet werden. Zweitens soll der Zusammenhang von Professionalität und der Interpretation von Praxis thematisiert werden. Drittens sollen durch Texte zu qualitativer Forschung Strategien für die Interpretation von Praxis erlernt werden, um eine Grundlage für die Interpretation von Unterricht zu schaffen.

Nach der Aufarbeitung von Literatur werden die erarbeiteten Strategien anhand einzelner Beispiele eingeübt, um Routine für die folgende Interpretation transkribierter Unterrichtsstunden zu gewinnen. Die Interpretationen von transkribierten Unterrichtsstunden erfolgen in Projektgruppen und stützen sich auf das interpretative Paradigma der Sozialforschung und eine rekonstruktive Methodologie. Im Rahmen des Seminars werden entsprechend den Arbeitsprinzipien einer Forschungswerkstatt gemeinsam Transkripte von Unterrichtsstunden interpretiert. Arbeitsprinzipien der Forschungswerkstatt sind nachzulesen unter www.uni-bielefeld.de/aquarium

Literatur

Konzeptuelle Grundlagen Vermittlung, Aneignung, Praxis, Handeln:
Breidenstein, G. (2008). Allgemeine Didaktik und praxeologische Unterrichtsforschung. In M. A. Meyer, M. Prenzel, St. Hellekamps (Hrsg.), Perspektiven der Didaktik (Sonderheft der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 9/2008, S. 201-218). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Breidenstein, G. (2010). Überlegungen zu einer Theorie des Unterrichts. In Zeitschrift für Pädagogik, 56(6), 869-887.
Gruschka, A. (2005). Unterrichten als widersprüchliche Einheit von Erziehung, Didaktik und Bildung unter den institutionellen Bedingungen der allgemeinbildenden Schule. Frankfurt/Main: Institut für Pädagogik der Sekundarstufe.
Gruschka, A. (2011). Pädagogische Forschung als Erforschung der Pädagogik. Eine Grundlegung. Opladen: Budrich.
Pollmanns, M. (2010). Zur Aneignungsseite des Unterrichts. Pädagogische Fallstudie unterrichtlicher Lern- und Bildungsprozesse. In: R. Egger, B. Hackl (Hg.): Sinnliche Bildung? Pädagogische Prozesse zwischen vorprädikativer Situierung und reflexivem Anspruch. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. 108-122.

Zusammenhang von Professionalität und Interpretation von Praxis:
Dausien, B. (2007). Reflexivität, Vertrauen, Professionalität. Was Studierende in einer gemeinsamen Praxis qualitativer Forschung lernen können. Forum Qualitative Sozialforschung 8(1), http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0114-fqs0701D4Da3.
Helsper, W. (2002). Wissen, Können, Nicht-Wissen-Können. Wissensformen des Lehrers und Konsequenzen für die Lehrerbildung. In Zentrum für Schulforschung und Fragen der Lehrerbildung (Hrsg.), Die Lehrerbildung der Zukunft. Eine Streitschrift (S. 67-86). Opladen: Leske und Budrich.
Neuweg, G. H. (2011). Das Wissen der Wissensvermittler. In E. Terhart, H. Bennewitz, M. Rothland (Hrsg.), Handbuch der Forschung zum Lehrerberuf (S. 451-477). Münster: Waxmann.
Rothkopf, E. (2008). Reflections on the Field: Aspirations of Learning Science and the Practical Logic of Instructional Enterprises. Educational Psychology Review,( 20(3), 351-368.

Strategien für die Interpretation von Praxis: Qualitative Forschung
Corbin, J.; Strauss, A. (2008,3). Basics of Qualitative Research. Thousand Oaks: Sage. (Kap. 1-11, S.1-262)
Hildenbrand, B. (2004). Gemeinsames Ziel, verschiedene Wege: Grounded Theory und Objektive Hermeneutik im Vergleich. Sozialer Sinn 2004/2, S. 177-194.
Hildenbrand, B. (2007). Mediating Structure and Interaction in Grounded Theory. In Bryant, A. & Charmaz, K. (Eds.), The Sage Handbook of Grounded Theory. London: Sage. 539-564.
Lempert, L. B. (2007). Asking Questions of the Data: Memo Writing in Grounded Theory. In Bryant, A. & Charmaz, K. (Eds.), The Sage Handbook of Grounded Theory. London: Sage. 245-264.
Wernet, A., (2006). Einführung in die objektive Hermeneutik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.


Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:37