Universität Wien

190106 SE M7.3 Entwicklungsprozesse in Beratung und Psychotherapie (2017S)

Biographische Erfahrungs- und Reflektionsprozesse in der psychosozialen Behandlung. Zur rekonstruktiven Analyse von Beratungsgesprächen.

5.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 19 - Bildungswissenschaft
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Anwesenheit bei der Vorbesprechung am 7.3.2017 unbedingt erforderlich.

  • Dienstag 07.03. 13:15 - 14:45 Seminarraum 7 Sensengasse 3a 2.OG
  • Freitag 24.03. 13:15 - 18:15 Seminarraum 1 Sensengasse 3a 1.OG
  • Samstag 25.03. 13:00 - 19:00 Seminarraum 1 Sensengasse 3a 1.OG
  • Freitag 28.04. 13:15 - 19:00 Seminarraum 1 Sensengasse 3a 1.OG
  • Samstag 29.04. 13:00 - 19:00 Seminarraum 1 Sensengasse 3a 1.OG

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Inhalte und Ziele:
Biographische Erfahrungs- und Reflektionsprozesse sind von grundlegender Bedeutung in der psychotherapeutischen Behandlung und in der psychosozialen Beratung. Dies hat in der fallbezogenen Berufsarbeit eine lange Tradition. Einerseits ist es aus professioneller Perspektive unerlässlich, die eigene, persönliche, subjektive Erfahrungsgeschichte der Behandlungs- und Beratungssuchenden nachvollziehen und verstehen zu können. Andererseits bildet für Beratungs-/Behandlungssuchende erst die eigene biographische Rekapitulation und Erfahrungsreflektion im geschützten Raum einer Psychotherapie oder Beratung eine Bedingung der möglichen Krisenbewältigung. Die Biographien der Klient*innen oder Patient*innen in die professionelle Arbeit miteinzubeziehen ist immer zeitaufwendig. Der geschützte Raum von Beratungs- oder Behandlungsbeziehungen gerät zunehmend unter Druck von Zeit- und Kostenersparnis und scheinbar effektivere Verfahren sollen den Bezug auf Biographie verzichtbar machen. Was bedeutenhieraus resultierende Einschränkungen für Behandlungs- und Beratungssuchende und für professionell Tätige?
In diesem Seminar soll die Bedeutung biographischer Entwicklungsprozesse im Rahmen von Beratung und Psychotherapie herausgearbeitet werden. Einen zentralen Fokus bilden biographische Erleidensprozesse in der Lebensgeschichte und in psychosozialen Beratungs- und Behandlungskontexten. In unterschiedlichen
Lebenssituationen wie im Fall chronischer Erkrankung, aber auch bei Langzeitarbeitslosigkeit sowie als Konsequenz von Verfolgung und Flucht kann der alltägliche Umgang mit der eigenen Existenz und die Annahme ihrer nachvollziehbaren Ordnung außer Kraft gesetzt werden. Soziale Realität manifestiert sich dann durch ungeordnete soziale Prozesse und Leidenserfahrungen. Entgegen einer verbreiteten (alltags-) theoretischen Tendenz, Einzelpersonen als rationale, autonome und einfallsreiche Akteure zu definieren, die ihr Leben selbstbewusst und zielgerichtet planen, gibt es immer wieder Lebenssituationen, in denen Personen ihre Fähigkeit verlieren, bewusst zu handeln und nur noch passiv auf überwältigende äußere Ereignisse reagieren können und sich selbst fremd werden. Anhand von biographischen Erzähldarstellungen sollen im Seminar Erleidensprozesse und Formen ihres Ausdrucks und ihrer De-Thematisierung (Fading-Out) herausgearbeitet werden. Das Konzept der 'biographischen Arbeit' soll diskutiert und am Beispiel autobiographisch-narrativer Darstellungen aufgezeigt werden.

Auf biographisches Erzählen in der Beratungssituation zu verzichten, kann als Zeitersparnis erscheinen, tatsächlich bildet es aber eine grundlegende Voraussetzung, um eine angemessene professionelle Unterstützung bei der Bewältigung biographischer Krisensituationen anbieten zu können.
Die eigenen Formen der Bewältigung von Erleidensprozessen durch die Beratungssuchenden und ihre mögliche Betroffenheit durch Diskriminierung und Exklusion können im Zuge des Erzählens zur Sprache kommen. Eigene Wünsche sowie frühere Versuche, aus einem Erleidensprozess heraus wieder eine
Handlungsorientierung zu gewinnen, können erinnert und reflektiert werden. Biographisches Erzählen kann daher 'biographische Ressourcen' entwickeln helfen, zur Orientierung und Unterstützung gerade auch bei der beruflichen Reintegration.
Handelt es sich um Beratungsprozesse im Kontext der Umsetzung von Maßnahmen so kann deren biographische Evaluation sinnvoll sein.
Schliesslich bildet biographisches oder interaktionsgeschichtliches Erzählen der Beratenden/Behandelnden eine wichtige Grundlage für die professionelle Selbstreflektion.

Einen weiteren Schwerpunkt des Seminars stellen Interaktionsprozesse in der Beratungs- und Behandlungssituation dar. Das psychoanalytische Konzept des Arbeitsbündnisses für die Behandlungsbeziehung sowie das Konzept der Beziehungsräume sollen hierzu erläutert und an Beispielen diskutiert werden.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsstoff

Literatur

Grundlagentexte:

Riemann, Gerhard (2010): Ein Forschungsansatz zur Analyse narrativer Interviews. In: Bock, Karin/ Miethe, Ingrid (hrsg.): Handbuch Qualitative Methoden in der Sozialen Arbeit. Opladen & Farmington Hills: Barbara Budrich. S. 223-231

Betts, Sandra, Aled Griffiths, Fritz Schütze, Peter Straus: Biographical Counselling: an Introduction. INVITE - Biographical Counselling in Rehabilitative Vocational Training - Further Education Curriculum, Module

Schütze, Fritz (1995): Verlaufskurven des Erleidens als Gegenstand der interpretativen Soziologie. In: H.-H. Krüger und W. Marotzki (Hrsg.): Erziehungswissenschaftliche Biographieforschung. Opladen: Westdeutscher Verlag, S. 116-157

Weitere Literatur:

Inowlocki, Lena, mit Ursula Apitzsch und Maria Kontos (2008): The method of biographical policy evaluation. In Apitzsch, Ursula and Maria Kontos (eds.) Self-Employment Activities of Women and Minorities. Their Success or Failure in Relation to Social Citizenship Policies, Wiesbaden: VS-Verlag

Inowlocki, Lena (1996): 'das reiht sich mir so nach und nach auf ne Perlenkette auf': Wie das Verstehen des Beraters abreißt, in: Rainer Kokemohr und Christoph Koller (Hrsg.): Migration und Interkulturelle Kommunikation. Reihe Interaktion und Lebenslauf, Deutscher Studienverlag, Weinheim 1996

Riemann, Gerhard (2005): Zur Bedeutung ethnographischer und erzählanalytischer Arbeitsweisen für die (Selbst-) Reflexion professioneller Arbeit. Ein Erfahrungsbericht. In: Völter, Bettina u. a. (Hrsg.): Biographieforschung im Diskurs. Wiesbaden, VS-Verlag

Stemmer-Lück, Magdalena (2004): Beziehungsräume in der sozialen Arbeit. Psychoanalytische Theorien und ihre Anwendungen in der Praxis. Stuttgart: Kohlhammer

Strauss, Anselm und Juliet Corbin (2004): Weiterleben lernen. Verlauf und Bewältigung chronischer Krankheit. Bern: Hans Huber, Kap. 5, 87-108

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

M7.3

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:37