Universität Wien

190277 VO Modul 2: Zentrale Begriffe und Konzepte der Psychoanalyse (2009S)

Freud, Lacan, Derrida - Wandel der psychoanalytischen Begriffe

2.00 ECTS (1.00 SWS), SPL 19 - Bildungswissenschaft

Anhand der Lektüre ausgewählter Texte von Freud, Lacan und Derrida wird der Wandel der Funktion einiger Schlüsselbegriffe der Psychoanalyse (Ödipuskomplex, Verdrängung, Verwerfung) untersucht.

Zeit : 16h - 18h
Ort: Hörsaal B der Hörsäle am Südgarten (Allgemeines Krankenhaus, Universitätsklinik für Psychiatrie, 1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20).
Erstmals am: 6.3.
weitere Termine: 3.4.,, 15.5., 19.6.; zusätzlicher Termin am 3.6. von 13-18h

Für die Absolvierung des Moduls2 des Erweiterungscurriculums Psychoanalyse (Grundlagen) muss eine zweite Lehrveranstaltung belegt werden, die einen workload von zumindest 2 ECTS aufweist.

Details

Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine

Zur Zeit sind keine Termine bekannt.

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Die Psychoanalytiker haben lange geglaubt, dass es nur ein einziges Mittel gebe, sich von dem gierigen Weib, das in ihren Augen die Mutter ist, zu befreien - den Vater. Nur durch die segensreiche Wirkung des Gesetzes des Vaters, meint Lacan (der "klassische" Lacan zumindest: seine Vorstellungen haben sich später etwas gewandelt), vermag das Kind aus der es beengenden ersten Identifizierung mit dem Objekt des Begehrens der Mutter herauszufinden. Schon in Freuds Der Mann Moses und die monotheistische Religion wurde die Wendung zum Vater als höher stehendem Prinzip gelobt: "Aber diese Wendung von der Mutter zum Vater bezeichnet überdies einen Sieg der Geistigkeit über die Sinnlichkeit, also einen Kulturfortschritt, denn die Mutterschaft ist durch das Zeugnis der Sinne erwiesen, während die Vaterschaft eine Annahme ist, auf einem Schluss und auf eine Voraussetzung aufgebaut."

Weil die Mutter für sich allein ein im Sinnlichen schwelgendes Ungeheuer ist, würde es also die Geistigkeit des Vaters brauchen um sich vor ihr zu retten. Nun hat aber das Bedauern der zunehmende Vaterlosigkeit und der Modernität insgesamt inzwischen an Glaubwürdigkeit eingebüsst. Warum noch an die armen Väter Forderungen stellen, wenn sie seit dem Untergang des Patriarchats längst schon ihre einstige Macht verloren haben? Und was ist denn eigentlich so ungeheuerlich an der Mutter?

Um hier weiterzukommen, müssen wir den von Freud postulierten Gegensatz zwischen mütterlicher Sinnlichkeit und väterlicher Geistigkeit etwas näher betrachten. Wie die Mutter mit dem Kind zusammenhängt, sagt man uns, sieht man ganz anschaulich bei der Geburt, was dann erklärt, warum die Mutter grundsätzlich unersetzbar ist. Wer der Vater ist, weiß man dagegen nie mit Sicherheit, sondern nur durch Spekulation: pater semper incertus est. Das Mütterliche klebt am Konkreten, der Vater erhebt uns zum Abstrakten, und deshalb bleibt die Mutter unersetzbar, während uns der Vater in das allgemeine Prinzip der Ersetzbarkeit einführt. Die modernen Errungenschaften der Medizin zeigen uns aber, dass das nicht so einfach ist. Obwohl niemals ganz auszuschließen ist, dass die Ergebnisse eines DNA-Tests vertauscht worden sein könnten, erleichtern sie die Feststellung der Vaterschaft. Umgekehrt gibt es zum Beispiel Leihmütter, deren Entbindung wir zusehen können ohne dadurch zu wissen, wessen Kind da eigentlich das Licht der Welt erblickt. Offensichtlich wird dadurch, dass die Funktion der Mutter genauso unsinnlich zu werden vermag wie jene, die man immer schon dem Vater zugeschrieben hat. Das Verhältnis zur Mutter, betont Derrida, ist also nicht unbedingt weniger fiktiv oder spekulativ als dasjenige zum Vater, und rückblickend kann man sogar vermuten, dass es immer schon so war. Selbst wenn die Mutter immer unersetzbar erscheinen muss, lässt sich nicht nur der Vater, sondern auch die Mutter ersetzen. Das mag ernüchternd und enttäuschend klingen, bringt aber zumindest mit sich, dass man die symbolische Funktion des Vaters, die uns zu Höherem hinaufziehen soll und deren Niedergang man gleichzeitig beklagt, eigentlich gar nicht unbedingt braucht. Die Mutter ganz allein könnte ausreichen um die notwendige Spannung zwischen Ersetzbarkeit und Untersetzbarkeit in die Vorstellungen ihrer Nachkommenschaft einzuführen. Das sagt natürlich gar nichts gegen die Väter, sondern bedeutet nur, dass die sie jetzt nur noch belastende Sonderstellung, die man ihnen weiterhin auferlegen will, auf einer Illusion beruhen könnte.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Prüfungsstoff

Literatur


Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

EC1 - Modul 2 + Diplomstudium 3.

Letzte Änderung: Fr 31.08.2018 08:52