Universität Wien

210034 LK BAK5: Theoriegeschichte und Theoriedebatten (2022W)

6.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 21 - Politikwissenschaft
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung
VOR-ORT

Eine Anmeldung über u:space innerhalb der Anmeldephase ist erforderlich! Eine nachträgliche Anmeldung ist NICHT möglich.
Studierende, die der ersten Einheit unentschuldigt fernbleiben, verlieren ihren Platz in der Lehrveranstaltung.

Achten Sie auf die Einhaltung der Standards guter wissenschaftlicher Praxis und die korrekte Anwendung der Techniken wissenschaftlichen Arbeitens und Schreibens.
Plagiierte und erschlichene Teilleistungen führen zur Nichtbewertung der Lehrveranstaltung (Eintragung eines 'X' im Sammelzeugnis).
Die Lehrveranstaltungsleitung kann Studierende zu einem notenrelevanten Gespräch über erbrachte Teilleistungen einladen.

An/Abmeldung

Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 50 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Dienstag 11.10. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock
Dienstag 18.10. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock
Dienstag 25.10. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock
Dienstag 08.11. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock
Dienstag 15.11. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock
Dienstag 22.11. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock
Dienstag 29.11. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock
Dienstag 06.12. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock
Dienstag 13.12. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock
Dienstag 10.01. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock
Dienstag 17.01. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock
Dienstag 24.01. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock
Dienstag 31.01. 09:45 - 11:15 Hörsaal 3 (H3), NIG 2. Stock

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

In Anlehnung an die ‚VO Theoriegeschichte und Theoriedebatten‘ wird sich der Lektürekurs nach einer Erörterung der Rolle politischer Theorie innerhalb der Politikwissenschaft vertiefend mit einer Auswahl klassischer wie gegenwärtiger politischer Theorien befassen. Dabei wird die Geschichte des politischen Denkens schlaglichtartig ausgehend vom Konzept der politischen Gewalt beleuchtet werden.

Mit seiner Betonung gewaltförmiger Aspekte der Formierung, Reproduktion und Veränderung der gesellschaftlichen wie politischen Ordnung kann der Begriff der politischen Gewalt in der Geschichte des politischen Denkens einen hohen Stellenwert beanspruchen: Aus Perspektive politischer Gewalt hat Politik konstitutiv immer auch mit der Unterstützung und Rechtfertigung oder der Begrenzung und Kritik von Gewalt zu tun. Politiktheoretische Auseinandersetzungen mit Gewalt befassen sich etwa mit den Fragen, was unter politischer Gewalt zu verstehen ist und welche Formen sie annimmt; in welchem Zusammenhang sie mit dem Staat, der Macht, mit Politik und Herrschaft steht; mit welchen gesellschaftlichen und politischen Strukturen, Praktiken, Akteur:innen und Diskursen sie in raumzeitlich spezifischen Konstellationen verbunden ist; sowie auch damit, wie sie in politischen Prozessen gerechtfertigt, kritisiert, unterstützt oder überwunden wird.

In vielen neuzeitlichen und klassisch-modernen politischen Theorien kommt der Konstruktion eines anthropologisch oder politisch begründeten gesellschaftlichen Gewaltproblems die Funktion zu, die Herstellung einer bestimmten politischen Ordnung über die Staatsgewalt und die Inanspruchnahme von (vermeintlich) legitimer Gewalt gegenüber willkürlicher, illegitimer Gewalt zu begründen. Demgegenüber zeichnen sich gegenwärtige politische Theorien eher durch einen bescheideneren und analytischen Begriff politischer Gewalt aus, der sich auf Handlungen der direkten physischen Schädigung von Menschen durch Menschen zu politischen Zwecken bezieht, mit denen Entscheidungen über das gesellschaftliche Zusammenleben und die politische Ordnung forciert oder verhindert werden. Zugleich verweisen nicht zuletzt einige vieldiskutierte Konzepte neuerer politischer Theorien, etwa jene der „strukturellen Gewalt“ (Johan Galtung), der „symbolischen Gewalt“ (Pierre Bourdieu), der „epistemischen Gewalt“ (Gayatri Chakravorty Spivak) oder etwa der „normativen Gewalt“ (Judith Butler), darauf, dass Gewalt nicht einfach auf physischen Zwang und nicht bloß auf Handlungen reduziert werden kann. Neben analytischen Zugängen zu politischer Gewalt wird vermehrt auch wieder die Frage des Verhältnisses von Gewalt und Gewaltlosigkeit in transformativen politischen Praktiken diskutiert.

Diese und andere Fragen wird der Lektürekurs entlang der folgenden Ansätze vorstellen und im Rahmen sozial- und theoriegeschichtlicher Kontextualisierung diskutieren: der gemeinwohlorientierten Rechtfertigung der Philosophenherrschaft bei Platon; des bürgerhumanistischen politischen Realismus bei Niccolò Machiavelli; der Staatsvertragstheorie, Naturrechtslehre und des Liberalismus bei John Locke; der konservativ-liberalen Staatstheorie von Montesquieu sowie der darin vertretenen Idee einer moderierenden Kombination von Gewalten; der materialistischen Kritik von Herrschaft und Klassengewalt bei Karl Marx und Friedrich Engels; der Konzeption des Staates als Beanspruchung des legitimen Gewaltmonopols in der Herrschaftssoziologie von Max Weber; der Kritik der Gleichsetzung von Macht und Gewalt im neoaristotelischen freiheitlichen Republikanismus bei Hannah Arendt; der poststrukturalen Machtanalytik und ihrer Unterscheidung strategischer Machtformen bei Michel Foucault; der materialistischen Analyse von Staatsgewalt, Staatsapparat und Staatsmacht bei Bob Jessop; dem Plädoyer von Slavoj Žižek, der systemischen Gewalt des globalisierten Kapitalismus eine Gegengewalt entgegenzusetzen sowie der dekonstruktivistischen Konzeption einer „Macht der Gewaltlosigkeit“ bei Judith Butler.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Die Leistungsüberprüfung bezieht sich auf die Abgabe kleinerer Übungen (regelmäßige kurze Thesenpapiere zu Seminartexten) während des Semesters sowie eine Abschlussarbeit über ein Thema des Seminars im Umfang von zumindest 10 Textseiten. Zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis kann zu den Abgaben sowie zur Seminararbeit eine mündliche Reflexion durchgeführt werden, die erfolgreich zu absolvieren ist.

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Die regelmäßige Anwesenheit (max. zwei Fehlstunden), Mitarbeit und Bereitschaft zur wöchentlichen vorbereitenden Lektüre und Diskussion kurzer Texte wird vorausgesetzt. Die Anwesenheit in der ersten Einheit ist erforderlich. Die Teilleistungen (i) der Abgaben während des Semesters sowie (ii) der Seminararbeit werden mit jeweils 50% in der Gesamtnote gewichtet, wobei beide Teilleistungen positiv zu absolvieren sind. Mitarbeit wird in der Endnote berücksichtigt.

Prüfungsstoff

Die LV ist prüfungsimmanent.

Literatur

Althusser, Louis (1987): Machiavelli, Montesquieu, Rousseau; Hamburg.
Althusser, Louis (2012): Über die Reproduktion; Hamburg.
Anter, Andreas (1995): Max Webers Theorie des modernen Staates. Herkunft, Struktur und Bedeutung; Berlin.
Arendt, Hannah (2019/1963): Über die Revolution; München.
Arendt, Hannah (2017/1970): Macht und Gewalt; München.
Beck, Teresa Koloma / Schlichte, Klaus (2017): Theorien der Gewalt zur Einführung, 2. Aufl.; Hamburg.
Bevc, Tobias (2012): Politische Theorie. 2. Aufl.; Konstanz.
Blaikie, Norman (2007): Approaches to Social Enquiry. 2nd Ed.; Cambridge.
Bobbio, Umberto (2006/1994): Rechts und Links: Gründe und Bedeutungen einer politischen Unterscheidung; Berlin.
Bröckling, Ulrich / Feustel, Ulrich (Hg., 2010): Das Politische denken. Zeitgenössische Positionen; Bielefeld.
Butler, Judith (2010): Raster des Krieges. Warum wir nicht jedes Leid beklagen; Frankfurt/M.
Butler, Judith (2020): Die Macht der Gewaltlosigkeit. Über das Ethische im Politischen; Berlin.
Celikates, Robin / Gosepath, Stefan (2013): Politische Philosophie; Stuttgart.
Deppe, Frank (2013): Niccolò Machiavelli. Zur Kritik der reinen Politik; Köln.
Enzmann, Birgit (Hg., 2013): Handbuch Politische Gewalt. Formen, Ursachen, Legitimation, Begrenzung; Wiesbaden.
Foucault, Michel (2005): Analytik der Macht; Frankfurt/M.
Foucault, Michel (2010): Kritik des Regierens; Berlin.
Göhler, Gerhardt / Iser, Mattias / Kerner, Ina (Hg., 2011): Politische Theorie. 25 umkämpfte Begriffe zur Einführung, 2. Aufl.; Wiesbaden.
Hay, Colin (2002): Political Analysis. A Critical Introduction; Basingstoke.
Hebekus, Uwe / Völker, Jan (2012): Neue Philosophien des Politischen zur Einführung; Hamburg.
Jessop, Bob (2008): State Power. A Strategic-Relational Approach; Cambridge.
Jessop, Bob (2016): The State. Past, Present, Future; Cambridge.
Kreisky, Eva / Löffler, Marion / Spitaler, Georg (Hg., 2012): Theoriearbeit in der Politikwissenschaft; Wien.
Lemke, Thomas (2003): Eine Kritik der politischen Vernunft. Foucaults Analyse der modernen Gouver-nementalität; Hamburg.
Locke, John (2003/1690): Über die Regierung; Stuttgart.
Machiavelli, Niccolò (1986/1513): Der Fürst; Stuttgart.
Marchart, Oliver (2007): Neu beginnen. Hannah Arendt, die Revolution und die Globalisierung; Wien.
Marchart, Oliver (2010): Das unmögliche Objekt. Eine postfundamentalistische Theorie der Gesellschaft; Berlin.
Marx, Karl / Engels, Friedrich (1848): Manifest der kommunistischen Partei; in: Dies.: Marx-Engels-Werke. Bd 4; Berlin; 461-493.
Meine, Anna / Riescher, Gisela / Rosenzweig, Beate (Hg., 2020): Einführung in die Politische Theorie. Grundlagen, Methoden, Debatten; Stuttgart.
Montesquieu (2011/1748): Vom Geist der Gesetze; Stuttgart.
Müller-Salo, Johannes (Hg., 2018): Gewalt. Texte von der Antike bis in die Gegenwart; Stuttgart.
Platon (1994): Sämtliche Werke, Bd 2; Reinbek bei Hamburg.
Rae, Gavin / Ingala, Emma (Hg., 2019): The Meanings of Violence. From Critical Theory to Biopolitics; London.
Ryan, Alan (2012): On Politics. A History of Political Thought from Herodotus to the Present; London.
Sharpe, Matthew / Boucher, Geoff (2010): Žižek and Politics. A Critical Introduction; Edinburgh.
Straßenberger, Grit (2015): Hannah Arendt zur Einführung; Hamburg.
Weber, Max (1919-1920): Wirtschaft und Gesellschaft – Soziologie. Unvollendet 1919-1920; in: Borchardt, Knut et al. (Hg., 2013): Max-Weber-Gesamtausgabe. Bd I/23; Tübingen.
Weber-Fas, Rudolf (Hg., 2003): Staatsdenker der Moderne. Klassikertexte von Machiavelli bis Max Weber; Tübungen.
Wood, Ellen Meiksins (2011): Citizens to Lords. A Social History of Western Political Thought from Antiquity to the Late Middle Ages; London.
Wood, Ellen Meiksins (2012): Liberty and Property. A Social History of Western Political Thought from Renaissance to Enlightenment; London.
Žižek, Slavoj (2011/2009): Gewalt. Sechs abseitige Reflexionen, 2. Aufl.; Hamburg.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Mi 24.08.2022 15:08