210055 SE BAK9: Politische Theorien und Theorienforschung (2022W)

Einer kritischen Theorie der Gesellschaft sticht bei dem Gedanken an eine Politisierung von theologischen oder gar messianischen Ideen zunächst deren Gefahr, für fundamentalistische oder nationalistische Projekte missbraucht zu werden, ins Auge. Allerdings zeichnet sich bereits in den 1920er Jahren mit dem Denken Franz Rosenzweigs ein alternativer Weg ab, das Messianische gerade als Kritik an einer solchen Nutzbarmachung zu verstehen. Tief beeinflusst von dessen Stern der Erlösung entwickeln Gershom Scholem, Walter Benjamin und Theodor W. Adorno eine theologische Terminologie, die sich gegen Herrschaft positioniert und sich nicht als deren Rechtfertigung einsetzen lässt. Die Motive, deren sie sich dazu bedienen, stammen aus dem Repertoire der jüdischen Theologie und Mystik und werden spätestens bei Benjamin und Adorno materialistisch-negativ gewendet: zentral steht die Idee des Messianischen und die damit in Verbindung stehenden Kategorien der Erlösung, der Gerechtigkeit und einer alternativen Form, Zeitlichkeit nicht-linear zu denken. Dahinter steht ein Verständnis von Säkularisierung nicht als ein Verschwinden von religiösen Strukturen aus dem Bereich des Politischen, sondern als deren Übertragung und Übersetzung ins Feld des Profanen.

Ziele und Methoden: Die vorliegende Lehrveranstaltung hat zunächst zum Ziel, die theologische Terminologie Gershom Scholems, Walter Benjamins und Theodor W. Adornos zu kontextualisieren und für den Bereich des Politischen zugänglich zu machen. Die gemeinsame Lektüre und Diskussion von Schlüsselpassagen aus einschlägigen Texten dieser Denker soll helfen, die zentralen Motive ihrer eigenwilligen Politischen Theologie zu erschließen. Dabei ergeben sich auch zentrale Einsichten in die Querbezüge des Denkens Gershom Scholems, Walter Benjamins und Theodor W. Adornos, die bis ins Spätwerk des letzteren erkenntlich bleiben.