Universität Wien

210086 SE BAK14: SE Geschlecht und Politik (2017S)

Feministische Materialismen. Untertitel: Die Relevanz von Materalität für feministische Theorie

6.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 21 - Politikwissenschaft
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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https://politikwissenschaft.univie.ac.at/studium/informationen-fuer-studierende/#c176951

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Details

max. 50 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Mittwoch 08.03. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 15.03. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 22.03. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 29.03. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 05.04. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 26.04. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 03.05. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 10.05. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 17.05. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 24.05. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 31.05. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 07.06. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 14.06. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 21.06. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock
Mittwoch 28.06. 11:30 - 13:00 Hörsaal 2 (H2), NIG 2.Stock

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Es handelt sich um ein sehr theorielastiges Seminar. Interesse an der Auseinandersetzung mit feministischer Theorie und kritischen und praktischen Konsequenzen, die aus ihr gezogen werden können, ist notwendig.

Bei der Einschätzung des Zeitaufwands ist die regelmäßige Lektüre jedenfalls einzukalkulieren. Sie ist zentral für das Seminar, da methodisch v.a. die Diskussion der Texte im Vordergrund steht.

Zum Inhalt:

Dieses Seminar versucht, die Genealogie der feministischen Theorie zu Materialität aufzuarbeiten. Dies geschieht durch die historische Rekonstruktion von vier verschiedenen theoretischen Schritten in der Entwicklung des materialistischen Feminismus.
Der erste Block behandelt die anglophone marxistisch-materialistische feministische Tradition, die sich in den siebziger Jahren im kritischen Diskurs mit androzentrischem Arbeiterbewegungs-Marxismus entwickelte. Für die Debatten waren Fragen wie die Fortpflanzungsarbeit, der unterdrückende Charakter und die Funktionalität der Familie und ihre Beziehung zum Staat oder die Natur des Patriarchats (im Gegensatz zum Kapitalismus) entscheidend. Autoren wie Rosemary Hennessy drücken am deutlichsten das implizite Verständnis der Materialität aus. Sie argumentiert, dass es die Suche nach einer Grundlage der subjektiven Erfahrungen, Ideologien und Diskurse in den sozialen Strukturen ist, die für den Materialismus zentral ist.

Während dieser erste materialistische Feminismus feministisch war, verblieb er immer auch marxistisch. Der französische Materialismus-Feminismus stellt den impliziten Universalismus dieser Verbindung zum Marxismus in Frage. Theoretikerinnen um die französische Zeitschrift Nouvelles questions feminists, die Affinitäten mit Simone de Beauvoir hatten – am berühmtesten waren die Werke von Christine Delphy oder Monique Wittig – produzierten einen materialistischen Feminismus, der dem radikalen Feminismus viel näher war als dem Marxismus. Es wendete die Kritik des Marxismus an Klasse und Regimen der Produktion auf Familienstrukturen an und argumentierte, dass es das Patriarchat sei, das in erster Linie überwunden werden müsse. Interessanterweise entstand auch ein Materialismus, der stark anti-essentialistisch war und daher für sein Verständnis von Gender als sozialer Konstruktion von Interesse ist.

Der dritte Strang entstand in der deutschen Debatte und verdankt viel dem Erbe der Frankfurter Schule. Sein Materialismus ist dialektisch, erweitert jedoch das Thema des ursprünglichen marxistischen Feminismus durch die Betonung von Fragen der Philosophie der Naturwissenschaften, der Naturbeziehungen und der Aufklärungskritik und des idealen modernen Subjektcharakters. Sein dialektischer Charakter führt berühmte Exponenten wie Regina Becker-Schmidt und Gudrun-Axeli Knapp dazu, nach dem Charakter der Totalität zu fragen - was definiert den historischen Charakter der Materialität als soziale Beziehung? Eine mögliche Antwort wird in der Kritik der instrumentellen Vernunft, der Technik und der Natur gesucht, ein Fokus der Gemeinsamkeiten zum letzten und neuesten Materialismus aufweist.

Dieser jüngste Materialismus mit dem selbst gegebenen Namen "New Materialism" steht im Widerspruch zu den bisherigen, weil er wenig mit Fragen der marxistischen Tradition zu tun hat. Er basiert auf poststrukturalistischen und konstruktivistischen Positionen und stützt sich stark auf die Philosophie von Gilles Deleuze und Henri Bergson. Donna Haraway, die oft als erste Proponentin des NM verstanden wird, war in ihrer Ausrichtung politischer als viele jüngere Autor_innen - sie konzentrieren sich auf Naturwissenschaften, Wissenschafts- und Technologiestudien und Ontologiefragen und sind damit nicht explizit "politisch" im materialistischen Sinn. Es wird kritisch hinterfragt, ob und wie sich der New Materialism auf "alte" Materialismen bezieht und was das für emanzipatorische Kämpfe bedeutet.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Schriftliche Zusammenfassung zu jedem gelesenen Text inkl. Impulsfragen
Referat in Kleingruppe (Abgabe eines schriftlichen Konzepts und mündl. Besprechung mit LV Leiter spät. 1 Woche vor Referatstermin)
Seminararbeit

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

60% der Zusammenfassungen zeitgerecht abgegeben
Aktive Beteiligung an Referat
Seminararbeit abgegeben

Wenn gegeben, Maßstab:
30% Zusammenfassungen
30% Referat
40% Seminararbeit

Mitarbeit kann die ersten beiden Teilnoten verbessern.

Prüfungsstoff

Literatur

Arruza, Cinzia. 2013. Dangerous. Liaisons. The marriage and divorces of Marxism and Feminism. Pontypool: Merlin Press.
Becker-Schmidt, Regina. 1989. "Identitätslogik und Gewalt - Zum Verhältnis von Kritischer Theorie und Feminismus." beiträge zur feministischen theorie und praxis no. 24:51-64.
Becker-Schmidt, Regina. 2003a. "Erkenntniskritik, Wissenschaftskritik, Gesellschaftskritik. Positionen von Donna Haraway und Theodor W. Adorno kontrovers diskutiert." IWM Working Paper no. 1:1-26.
Becker-Schmidt, Regina. 2003b. Zur doppelten Vergesellschaftung von Frauen. Soziologische Grundlegungen, empirische Rekonstruktion. gender politik online. Gender in den Sozialwissenschaften: 1-18, http://www.fu-berlin.de/sites/gpo/soz_eth/Geschlecht_als_Kategorie/Die_doppelte_Vergesellschaftung_von_Frauen/becker_schmidt_ohne.pdf.
Beer, Ursula. 1989. "Objektivität und Parteilichkeit - ein Widerspruch in feministischer Forschung. Zur Erkenntnisproblematik von Gesellschaftsstruktur " In Klasse. Geschlecht. Feministische Gesellschaftsanalyse und Wissenschaftskritik, 162-213. Bielefeld: AJZ.
Bergson, Henri. 2002. "Philosophical Intuition." In Key Writings, 233-48. New York: Continuum.
Braidotti, Rosi. 2011. Nomadic Theory. The Portable Rosi Braidotti. New York: Columbiar University Press.
Coole, Diana, and Samantha Frost, eds. 2010. New Materialisms: Ontology, Agency, and Politics. Durham: Duke University Press Books.
Dalla Costa, Mariarosa, and Selma James. 1997. "Women and the Subversion of the Community." In Materialist Feminism. A Reader in Class, Difference and Women's Lives, edited by Rosemary Hennessy and Chrys Ingraham, 40-54. New York/London: Routledge.
De Landa, Manuel. 2006. A New Philosophy of Society. Assemblage Theory and Social Complexity. London/New York: Continuum.
Deleuze, Gilles. 1995. Difference and Repetition. New York: Columbia University Press.
Delphy, Christine. 1984. Close to Home. A materialist analysis of women's oppression. London: Hutchinson.
Delphy, Christine. 2000. "The Invention of French Fminism: An Essential move." Yale Frech Studies no. 97:166-197.
Dolphijn, Rick, and Iris van der Tuin. 2012. "Introduction. A "New Tradition" in Thought." In New Materialism. Interviews & Cartographies, 85-93. Ann Harbor: Open Humanities Press.
Eisenstein, Zillah. 1979. Capitalist patriarchy and the case for socialist feminism New York: Monthly Review Press.
Federici, Silvia 2004. Caliban and the Witch. Women, the Body and Primitive Accumulation. London: Turnaround Publisher Services.
Fraser, Nancy. 2013. "Feminism, Capitalism, and the Cunning of History." In Fortunes of Feminism. From State-Managed Capitalism to Neoliberal Crisis, edited by Nancy Fraser, 209-227. London/New York: Verso.
Gardiner, Jean. 1975. "Women's Domestic Labour." New Left Review no. 89:47-58.
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Haraway, Donna. 1991. "A Cyborg Manifesto. Science, Technology, and Socialist-Feminism in the Late Twentieth Century." In Simians, Cyborgs and Women: The Reinvention of Nature, edited by Donna Haraway, 149-181. New York: Routledge.
Hartmann, Heidi. 1981. "The Unhappy Marriage of Marxism and Feminism. Towards a more progressive Union " In Women and Revolution, edited by Lydia Sargent. Boston: South End.
Hennessy, Rosemary. 1993a. Materialist feminism and the politics of discourse. New York: Routledge.
Hennessy, Rosemary. 1993b. "Women's Lives / Feminist Knowledge: Feminist Standpoint as Ideology Critique." Hypatia no. 8 (1):14-34.
Jónasdóttir, Anna G. 1991. Why Women Are Oppressed. Philadelphia: Temple University Press.

Weitere Literatur (Literaturliste J-Z...) wird im Seminar bekanntgegeben !

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:38