210326 SE M4b :Spezialisierung SE Traditioneller und kritischer Keynesianismus (2014S)

Der englische Ökonom John Maynard Keynes (1883-1946) leitete einen grundlegenden Wandel im Verständnis der Funktionsweise kapitalistischer Markwirtschaften ein. Die Bedeutung seines 1936 veröffentlichten Hauptwerkes "Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes"; wurde von dem US-Amerikaner L.R Klein 1948 als revolutionär charakterisiert (The Keynesian Revolution). Der "Keynesianismus" bestimmte wesentlich die beschäftigungs- und wohlstandspolitischen Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Jedoch wurde die "neue Wirtschaftslehre" von 1980 an von der neoliberalistischen Rückeroberung der Mainstream-Position in die Defensive gedrängt, und das könnte zumindest teilweise auch durch die unvollständige Rezeption der Keynesschen Theorie durch den "Standardkeynesianismus" mit verschuldet sein. Denn die Rezeption des Keynesschen Gesamtwerkes, das in den 30 Bände umfassenden "Collected Writings" vorliegt, blieb bis heute lückenhaft. Vor allem ist Keynes' Analyse der langfristigen Entwicklung "reifer" kapitalistischer Ökonomien noch weitgehend unbekannt geblieben, und seine beschäftigungspolitischen Empfehlungen für den Übergang zu dauerhaft niedrigem Wachstum werden ignoriert. Gleiches gilt für Keynes' Überlegungen zur langfristigen demografischen Entwicklung. Diese Rezeptionsdefizite beschränken die Reichweite der alternativen wirtschaftspolitischen Handlungsvorschläge des in der Öffentlichkeit artikulierten "Standardkeynesianismus". - Anhand der Originalliteratur sollen im Rahmen des Seminars u. a. die verdrängten und ignorierten Komponenten des Keynesschen Gedankengebäudes dargelegt werden, was dann auch die Frage aufwirft, ob und wie weit die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Vorstellungen Keynes' über den realkapitalistischen Status quo hinausweisen.