Universität Wien
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230010 UE B4 Guided Reading: Karl Marx und der Beginn der soziologischen Gesellschaftstheorie (2025S)

Klassische soziologische Texte

4.00 ECTS (2.00 SWS), SPL 23 - Soziologie
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

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Hinweis: Ihr Anmeldezeitpunkt innerhalb der Frist hat keine Auswirkungen auf die Platzvergabe (kein "first come, first served").

Details

max. 25 Teilnehmer*innen
Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

  • Mittwoch 19.03. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre
  • Mittwoch 26.03. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre
  • Mittwoch 02.04. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre
  • Mittwoch 09.04. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre
  • Mittwoch 30.04. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre
  • Mittwoch 07.05. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre
  • Mittwoch 14.05. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre
  • Mittwoch 21.05. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre
  • Mittwoch 28.05. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre
  • Mittwoch 04.06. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre
  • Mittwoch 11.06. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre
  • Mittwoch 18.06. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre
  • Mittwoch 25.06. 13:15 - 14:45 Seminarraum H10, Rathausstraße 19, Stiege 2, Hochparterre

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Es war die Religionskritik der europäischen Aufklärung, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts die kognitiven Voraussetzungen der soziologischen Gesellschaftstheorie geschaffen hat. Denn eine Gesellschaft, die sich immer deutlicher als ein von Menschen gestaltetes und gestaltbares Konstrukt erwiesen hat, noch länger auf der Grundlage eines religiös begründeten Weltbildes zu deuten - das wurde zusehends nicht nur in den Wissenschaften, sondern auch in den wirtschaftlichen, politischen oder rechtlichen Systemen infrage gestellt.

Es war Karl Marx, der als erster ein säkulares Verständnis der menschlichen Gesellschaft und ihrer historischen Entwicklung auf den Weg brachte. Er begriff die menschliche Gesellschaft als eine neuartige Organisationsform des Lebens, die sich aus der Naturgeschichte heraus entwickelt hatte. Das faszinierende an einer Auseinandersetzung mit Marx' Theorie ist dabei nicht nur, dass die intellektuellen Anstrengungen, derer es bedurfte, um von der alten, religiös-metaphysische Subjektlogik in die neue, säkulare Prozesslogik zu wechseln, in seinen Texten gegenwärtig sind. Faszinierend ist auch zu sehen, dass in seiner Theorie, die er über einen jahrzehntelangen Zeitraum ausgearbeitet hat, sich schon all die differenzierungstheoretischen, schichtungstheoretischen, zivilisationstheoretischen, historisch-genetischen oder gendertheoretischen Perspektiven auf die moderne Gesellschaft finden, die in der soziologischen Gesellschaftstheorie des 20. Jahrhunderts zum Thema wurden und sich zu eigenen Theorieparadigmen und Forschungssträngen fortentwickelt haben.

Zentrales Ziel dieses Seminares wird es sein, sich mit dem Marxschen Verständnis der modernen Gesellschaft als kapitalistischer Gesellschaft und ihrer historischen Entstehung zu befassen. Zu diesem Zweck werden wir einige Texte aus der Frühphase seiner Entwicklung, vor allem aber aus seinem theoretischen Hauptwerk "Das Kapital. Zur Kritik der politischen Ökonomie" lesen und ausführlich diskutieren. Deutlich soll dabei werden,

- dass Marx die moderne Ökonomie als eine Ökonomie verstanden hat, die sich erst im Prozess der Geschichte (Subsistenzökonomie - präkapitalistische Marktökonmie - kapitalistische Marktökonomie) gebildet hat;
- worin sich die Organisationsform der kapitalistischen Ökonomie als gesellschaftliches Teilsystem von den präkapitalistischen Ökonomien der vormodernen Gesellschaften unterscheidet
- wie Produktivität und Destruktivität mit der systemimmanenten Rationalität der kapitalistischen Ökonomie verbunden sind
- welche Perspektiven sich im Anschluss an Marx auf die sozialen, kulturellen, ökologischen und politischen Folgeprobleme einer von einer kapitalistischen Marktökonomie dominierten Gesellschaftsentwicklung entwickeln lassen.
- Weiter ist zu fragen, wie das analytische Potential der Marxschen Theorie mit Blick auf den neolilberalen und neuerdings neonationalen Kapitalismus der Gegenwart zu bestimmeni ist. Welche Relevanz hat sie im Kontext aktueller soziologischer Gesellschaftstheorie und Gesellschaftsdiagnostik?
- Weshalb eine sachlich differenzierte Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung der kapitalistischen Ökonomie und ihres systemimmanten Krisen- und Katastrophenpotential in den schulischen Lehrplänen und schulischen Sozialisationsprozessen in Österreich und vielen Ländern des Globalen Nordens so gut wie keine Rolle spielt, wird uns schließlich ebenso beschäftigen wie die Frage, welche Funktion dieser blinde Fleck bezüglich der Reproduktion und Legitimation von gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnissen hat - sowohl innerhalb der Gesellschaften des Globalen Nordens als auch im Verhältnis der Gesellschaften des Globalem Nordens und Globalen Südens.

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Textlektüre, Referate, Arbeit in Kleingruppen, Diskussionen im Plenum, kleinere schriftliche Arbeiten, aktive Teilnahme und Anwesenheit

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Hinweis der SPL Soziologie:
Alle Studierenden, die einen Lehrveranstaltungsplatz erhalten haben, sind zu beurteilen, sofern sie sich nicht zeitgerecht abgemeldet haben oder unverzüglich nach Wegfall des Hindernisses einen wichtigen Grund für die Nichtdurchführung der Abmeldung glaubhaft machen.
Bei Vorliegen eines solchen Grundes (zB eine längere Erkrankung) kann d* Studierende auch nach Ablauf der Frist von der LV abgemeldet werden.
Über das Vorliegen eines wichtigen Grundes entscheidet die Lehrveranstaltungsleitung. Der Antrag auf Abmeldung ist unverzüglich zu stellen.
Für eine positive Beurteilung der Lehrveranstaltung ist die positive Absolvierung aller Teilleistungen erforderlich.
Im Zuge der Beurteilung kann eine Plagiatssoftware (Turnitin in Moodle) zur Anwendung kommen.
Die Verwendung von KI-Tools (z. B. ChatGPT) für die Produktion von Texten ist nur dann erlaubt, wenn dies von der Lehrveranstaltungsleitung ausdrücklich gefordert wird (z. B. für einzelne Arbeitsaufgaben).
Zur Sicherung der guten wissenschaftlichen Praxis kann die Lehrveranstaltungsleitung eine mündliche Reflexion ("Notenrelevantes Gespräch") der abgegebenen Seminararbeit vorsehen, die erfolgreich zu absolvieren ist.
Wurde eine Teilleistung erschlichen, d.h. etwa bei einer Prüfung oder einem Test geschummelt, bei einer schriftlichen Arbeit plagiiert oder auch Unterschriften auf Anwesenheitslisten gefälscht, wird die gesamte Lehrveranstaltung als "nicht beurteilt" gewertet und entsprechend erfasst.
Dies uns weitere Bestimmungen finden sie im studienrechtlichen Satzungsteil: https://satzung.univie.ac.at/studienrecht/.
Wenn Sie eine prüfungsimmanente Lehrveranstaltung bereits dreimal negativ absolviert haben und sich für einen vierten Antritt anmelden wollen, kontaktieren Sie bitte die StudienServiceStelle Soziologie während der Anmeldephase (vgl: Zusatzinformation "Dritte Wiederholung bei prüfungsimmanenten Lehrveranstaltungen" https://soziologie.univie.ac.at/info/pruefungen/#c56313)

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Verständnis der kognitiven und gesellschaftlichen Entstehungsbedingungen soziologischer Theorie - Reflexion des Bedingungsverhältnisses der kognitiven und normativen Dimension von Kritik - Verständnis der Problematisierung der kognitiven Grundlagen kritischer Gesellschaftstheorie im 20. Jahrhundert und Analyse der Problemlösungsstrategien in neueren soziologischen Theorien

Zusammensetzung der Note (Teilleistungen):

1. Kurzreferat in Kleingruppen (ca. 20 Min.) + Handout (Notenanteil: 30 %)
2. Gruppenmemos (20%)
3. Kleinere schriftliche Arbeiten, gegebenenfalls auch im Rahmen einer Seminarsitzung (Ausarbeitung von seminarrelelevanten und auf die Seminartexte bezogene Fragen) (50 %)
4. Aktive Mitarbeit, Anwesenheitspflicht

Prüfungsstoff

Seminartexte, Seminarvorträge, gemeinsam im Seminar analysierte Materialien

Konzeptionell-didaktische Info: Von den Mitgliedern des Seminares wird die Bereitschaft erwartet, sich die zentralen Texte des Seminares in analoger Form verfügbar zu machen und sich mit Hilfe von Exzerpten aktiv mit ihnen auseinanderzusetzen. Die bisherigen Seminarerfahrungen haben gezeigt, dass das Niveau der Rezeptionsintensität von Seminartexten als auch das Niveau der kognitiven Akkomodation an argumentativ elaborierte Semantiken auf der Basis digitaler Bildschirmmedien häufig zu "oberflächlich" bleibt. In diesem Zusammenhang gilt es im Blick zu behalten, dass die Dynamik als auch die Funktionalität der digitaltechnologischen Entwicklungen in den gegenwärtigen Gesellschaften in erster Linie von Kapitalinteressen bestimmt werden. Dies erklärt auch, weshalb die staatliche Digitalisierungspolitik selbst in demokratisch regierten Gesellschaften gegenwärtig ohne hinreichende Risikoanalyse betrieben wird und die wissenschaftlich vorliegende Erkenntnisse hierzu weitgehend ignoriert werden. Eines ist aber schon jetzt überdeutlich erkennbar: Allein die Tatsache, dass in den USA, Österreich oder anderen Ländern im Globalen Nordens der Verbreitungsgrad von Smartphone und Co. unter den Erwachsenen bei 90% und mehr liegen dürfte und immer mehr und auch immer früher Kinder und Jugendliche an die digitalen Bildschirmtechnologien und ihre Applikationen angeschlossen werden, kann keineswegs schon gewährleisten, dass ihre Nutzer:innen die Kompetenz erwerben, ethnonationalistische Identitätsideologien und krude Verschwörungstheorien kritisch zu distanzieren. Im Gegenteil ist zu beobachten, dass kognitiv komplexere und globalpolitisch höchst bedeutsame Informationen über das ökologisch und gesellschaftlich (z.B. durch den Machtzuwachs der Vermögenseliten) riskante Katastrophenpotential eines globalisierten Kapitalismus aus dem Fokus der Wahrnehmung geraten und zu kontingenten Ereignissen im endlosen Strom von irgendwelchen Tiktok-Videos und Social-Media-News zu werden drohen oder schon geworden sind. Inzwischen ist sogar die Frage zu stellen, ob es eine zumindest implizite Strategie der politisch einflussreichen Eliten des fossil-industriellen und "digitalen Kapitalismus" sein könnte, durch die Audiovisualisierung von algorithmisch selegierten Weltereignisse im "kommerziallen Internet" (Staab) die intellektuellen Grundlagen einer Politik der demokratischen Gesellschaftsgestaltung zu unterminieren und durch die Förderung von Prozessen der Entintellektualisierung, Isolierung und Infantilisierung einem autokratisch regierten Oligarchen-Kapitalismus politisch zum Durchbruch zu verhelfen. Wie soziologische Aufklärung als Generierung einer spezifischen kognitiven und demokratiepolitisch fundamental bedeutsamen Reflexionskompetenz unter den aktuellen gesellschaftlichen und medientechnologischen Bedingungen gelingen kann, wird im Rahmen dieses Seminares ergebnisoffen zu erörtern sein.

Literatur

Bourdieu, Pierre (1998), Der Neoliberalismus. Eine Utopie grenzenloser Ausbeutung wird Realität, in: ders., Gegenfeuer 1, Konstanz 2000: UVK, S. 120-129.
Brand, Ulrich/ Wissen, Markus (2024), Kapitalismus am Limit. Ökoimperiale Spannungen, umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven, München: oekom.
Dux, Günter (2006), Moral und Gerechtigkeit als Problem der Marktgesellschaft, Wien: Picus.
Hegel, Georg W.F. (1986), Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. Werke 12 (Hrsg. v. Eva Moldenhauer und Karl Markus Michel), Frankfurt/M.
Kraemer, Klaus (2000), Marktgesellschaft, in: Kneer, Georg/ Nassehi, Armin/ Schroer, Markus (Hg.), Soziologische Gesellschaftsbegriffe. 2. Auflage, München u.a.: UTB, S. 280-304.
Marx, Karl (1837), Brief an den Vater, in: MEW 40, Berlin/DDR: Dietz 1973, S. 3-12.
Marx, Karl (1844), Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, in: MEW 1, Berlin: Dietz 1988, S. 378-391.
Marx, Karl (1845/46), Die deutsche Ideologie. Kritik der neuesten Philosophie in ihren Repräsentanten Feuerbach, B. Bauer, Stirner, und des deutschen Sozialismus in seinen verschiedenen Propheten, in: ders./Engels, Friedrich, MEW 3, Berlin 1983.
Marx, Karl (1848), Manifest der Kommunistischen Partei, in: MEW 4, Berlin: Dietz 1972, S. 459-493.
Marx, Karl Marx (1867), Das Kapital. Zur Kritik der politischen Ökonomie. MEW 23, Berlin 1986: Dietz.
Theweleit, Klaus (1977), Männerphantasien. 1 Band, Frankurt/M.: Verlag roter Stern.

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Im auslaufenden Bachelorstudiengang Soziologie: Äquivalent zu BA T1 UE Grundlagen Theorien ("Klassiker*innen lesen)

Letzte Änderung: Do 23.01.2025 19:26