Universität Wien

230095 VO+SE Soziologie des Geldes, der Finanzmärkte und ihrer Auswirkungen auf die Realwirtschaft: (2009S)

Die Bankenkrise, ihre Ursachen und ihr Folgen - Die Illusion des vorgetäuschten Wirtschaftswachstums - die real existierende Entropie - das resultierende Ungleichgewicht - Malversationen als Mittel der Wahl gegen Fehler des Management

6.00 ECTS (3.00 SWS), SPL 23 - Soziologie
Prüfungsimmanente Lehrveranstaltung

Details

Sprache: Deutsch

Lehrende

Termine (iCal) - nächster Termin ist mit N markiert

Mittwoch 04.03. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 11.03. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 18.03. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 25.03. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 01.04. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 22.04. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 29.04. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 06.05. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 13.05. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 20.05. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 27.05. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 03.06. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 10.06. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 17.06. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7
Mittwoch 24.06. 16:30 - 18:00 Hörsaal 42 Hauptgebäude, 2.Stock, Stiege 7

Information

Ziele, Inhalte und Methode der Lehrveranstaltung

Ausgangspunkt der systematischen Analyse ist eine eine erste Annäherung an eine soziologische Diagnose der gegenwärtigen, tiefgehenden Krise des gesamten globalen Finanzsystems. Diese Diagnose geht aus
(1.) von der strukturfunktionalen Theorie der Tauschmedien und ihrer systematischen Wechselwirkung. T. Parsons hat vier dieser Tauschmedien, nämlich < Geld - Macht -Loyalität - Einfluss > voneinander begrifflich unterschieden und versucht, die Trennschärfe und die empirische Signifikanz dieser begrifflichen Unterscheidungen anhand von Fallbeispielen zu belegen. J. S. Coleman kritisierte diesen Ansatz unter anderem dadurch, dass er auf die Existenz weiterer Tauschmedien, wie z.B. < Prestige > hinwies und v.a. die empirischen Beispiele, die Parsons zur Rolle des Geldmediums vorgestellt hatte, in Frage stellte. In Anlehnung an die neoklassische ökonomische Theorie der " Chicago - Boys " rund um G.S. Becker versuchte Coleman die reale Existenz von mehreren voneinander qualitativ unterschiedenen Tauschmedien zu verneinen und das gesellschaftliche Geschehen auf ein einziges ,qualitativ nicht differenziertes Tauschsystem , das mit einem einzigen Tauschmedium , nämlich dem ökonomischen Wert ,der sich am Markt aus dem Wechselspiel von Angebot und Nachfrage ergibt ,zurückzuführen . Die Dynamik der Geschehnisse des letzten halben Jahrhunderts macht aber die Unhaltbarkeit der ökonomistischen Gesellschaftstheorie deutlich: die behauptete Gleichgewichtstendenz der Marktdynamik besteht nicht - viel eher ist das von Rothschild behauptete Ungleichgewicht als Normalzustand des Wirtschaftssystems zu konstatieren . Dazu kommt, dass die reale Differenzierung der Tauschmedien sich evolutionär weiterentwickelt hat. So hat sich das Geld als Tauschmedium weiter in in nicht weniger als vier unterschiedliche Geldformen auf gespalten. Dabei dürfte eine wesentliche Ursache der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise darin bestehen, dass diese Geldformen so gegeneinander getauscht werden, als sie einander äquivalent wären. Da sie dies aber nicht sind, werden die Bedingungen des Tausches der verschiedenen Geldformen gegeneinander ständig verletzt, wodurch die Wertrelationen inzwischen so durcheinander geraten sind, dass die Preisbildung und der Kreditmarkt nicht mehr funktionieren .Die Aufhebung der qualitativen Differenzen zwischen den Tauschmedien, die mit der globalen Ökonomisierung der Gesellschaft verbunden ist, hat mithin einen anomischen Zustand erzeugt, der alle Wertrelationen in Frage stellt und damit auch die Austauschprozesse zunehmend undurchführbar werden lässt ,
(2.) beruht diese Diagnose auf empirischen Fallstudien von Zusammenbrüchen von international tätigen Großbanken und von ganzen Volkswirtschaften wie Island oder Ungarn, die deren selbständige Existenz beendigen oder zumindest so gefährden, dass sie auf externe Hilfe angewiesen sind. Der unkontrollierte und illegitime Tausch von qualitativ unterschiedenen Tauschmedien - vor allem von Geld gegen Macht und umgekehrt -hat in allen diesen Fällen in entscheidender Weise mitgespielt. Dabei spielen die zum internationalen System gehörenden und zumindest allgemein tolerierten "Off -Shore -Banken" eine zentrale Rolle. Sie funktionieren gleichsam als " Schwarze Löcher" im Finanz-Kosmos, in denen riesige Geldmengen - vor allem in Form von - verschwinden um dann in gewandelter, nicht mehr identifizierbarer Form an anderer Stelle im globalen Finanzsystem wieder aufzutauchen.
(3.) gehen in diese Diagnose Ansätze der phänomenologischen Soziologie im Anschluss an Schütz, Goffman, Garfinkel und anderen ein. Dadurch wird es möglich den empirischen Befund der < Schwarzen Löcher im Finanzsystem > zu generalisieren .Dies führt zu einer Theorie der Gesellschaft ,die nicht nur Vorderbühne und Hinterbühne , sondern auch legale Alltagswelt und deviante Unterwelt sowie reelle und imaginäre bzw. virtuelle Handlungsbereiche voneinander unterscheidet .

Art der Leistungskontrolle und erlaubte Hilfsmittel

Mindestanforderungen und Beurteilungsmaßstab

Auf der allgemeinsten Ebene gesprochen sollen folgende Qualifikationen vermittelt und - soweit es die Vorkenntnisse erlauben - vertieft werden:
1. Komplexe gesellschaftliche Situationen und Prozesse soweit abduktiv zerlegen und analysieren, dass begründete Diagnosen der gegebenen Lage erstellt werde können, die auch als Grundlage für Prognosen diesen können.
2. Klare, operational gefasste Unterscheidungen der Wirkung von äußeren Situationen und ihrer Situationslogik einerseits und der Wirkung von Dispositionen der Handelnden andererseits müssen erlernt werden.
3. Vermittlung der Befähigung zur Erfassung sowohl des objektiven als auch subjektiven Sinnes von Handlungen .
4. Erkennen von Prozessen, Entropie erzeugen und solchen, die relative Negentropie bewirken können.
5. Unterscheidung von verschiedenen Arten von Zeichen und Erlernen der adäquaten Manipulation dieser Zeichen .
6. Testen und empirisches Prüfen von abduktiv erstellten Diagnosen, sodass ihr Realitäts gehalt, ihre Genauigkeit und ihre operationale Handhabbarkeit erhöht werden können.
7. Alle diese abstrakten Operationen sollen in Bezug auf die Prozesse auf den Finanzmärkten konkretisiert werden. Als Beispiel seien hier Steueroasen ,off-shore Banken und die verschiedensten gesetzlichen und sonstigen Vorschriften der Geheimhaltung genannt ,die dazu geführt haben, dass sich hier Vorder- und Hinterbühnen , virtuelle ( imaginäre) und reelle Vorgänge sowie illegale und halblegale Unterwelten neben der legalen Alltagswelt bilden konnten und so eine Gesamtdynamik entstanden ist , in der sich die spezifischen Handlungslogiken aller dieser unterschiedlichen Teilwelten so miteinander verknüpft haben ,dass eine bewußte und zielgerichtete Steuerung fast nicht mehr möglich ist.

Prüfungsstoff

Die Veranstaltung baut auf 4 verschiedenen Kommunikationsformen auf:
1./ Direkte Interaktion im Hörsaal. Dazu gehören u.a. Vorlesung, Referate, vorbereitete Paneldiskussionen und gezielte Anfragen
2./ Virtuelle Interaktionen per Email, ein Chatroom und Einbeziehung von externen Akteuren mit Hilfe von audio-visuellen Medien
3./ Systematische Beobachtung von Alltagsinteraktionen und bei
4./ Inhaltsanalysen von dokumentarischen Film- bzw. Videoaufzeichnungen
5./ Schriftliche Ausarbeitungen von Thesenpapieren, Protokollen, Ergebniszusammenfassungen, Evaluationen
Die Lehrveranstaltung ist aus 3 unterschiedlichen Elementen aufgebaut:
Modul E1: 2 Vorlesungen und 1 vertiefende Diskussionsveranstaltung bilden eine Einheit, also ein Modul. Insgesamt sind 3 Module dieser Art vorgesehen.
Modul E2 :Kurzreferate ( je 10 Minuten) von Teilnehmern mit handouts zum Vortrag und power-point-Präsentation, schriftliche Ausarbeitung unter Einbezug der Diskussionsergebnisse bis 20.9. Insgesamt sind 3 solcher Module vorgesehen, also etwa maximal 15 solcher Kurzreferate.
Modul 3: < Lokalaugenschein> und Beiträge externer Fachleute und Finanzpolitiker. Insgesamt sind 1-2 solcher Module vorsehen.
Die dreistündige Veranstaltung wird daher etwa 16 - 18 Termine umfassen.
Die mündlichen Beiträge zu den Diskussionsveranstaltungen werden aufgenommen, ausgewertet und bewertet.
Das grundlegende Paradigma, auf dem die Methoden beruhen, die im Rahmen der Veranstaltung angewendet und vermittelt werden, ist die im Anschluss an C.S.Peirce. Zentrale Elemente der pragmatistischen Methodologie sind Retroduktion als logische Schlussform und Semiotik als Logik der Zeichen.
Retroduktion oder auch Abduktion genannt ist die genuine Schlussform der Forschung. Im Unterschied zu Induktion und Deduktion erlaubt sie Rückschlüsse von Fakten auf mögliche und tatsächliche Ursachen.
Semiotik als Theorie der Zeichen unterscheidet drei grundlegend verschiedene Zeichenklassen, nämlich Ikons, Indices und Symbole. Auf das Geld als Zeichensystem angewandt ergibt dies die drei grundlegenden Geldformen, denen die Modi Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit entsprechen. Auf dieser lassen sich die komplexen, die heute auf den Märkten, auf denen Derivate gehandelt werden verstehen. Die Semiotik als Theorie der Zeichen lässt sich nahtlos mit der Soziologie von Vilfredo Pareto verbinden. Pareto unterscheidet auf der Ebene menschlicher Handlungsmotivationen Residuen und Derivationen. Die in wirtschaftlicher Hinsicht wichtigsten Residuen sind mit der Persistenz der Aggregate ,die für Rentiers charakteristisch ist und mit der Kombination ,die die Spekulanten kennzeichnet , gegeben .Dabei bestimmt die Auseinandersetzung zwischen Rentiers und Spekulanten die Dynamik der Finanzmärkte.

Literatur

Literatur :

R.Hilferding ,1910/1947 , Das Finanzkapital . Berlin , Dietz
D. Marsh , 1992 ,Die Bundesbank . München , Bertelsmann
K.W. Rothschild , (ED) , 1971 , Power in Economics .Hammondsworth , Penguin
J.A. Schumpeter , 1950 , Kapitalismus , Sozialismus und Demokratie . Bern , Francke
F. Somary , 1994 , Erinnerungen eines politischen Meteorologen .München Matthes & Seitz

Literaturliste zur Annäherung an das Thema
D.Baecker , 1988 , Information und Risiko in der Marktwirtschaft . Frankfurt M. , Suhrkamp
S.Kette , 2008 , Bankenregulierung als Cognitive Governance .Wiebaden , VS
J. Ziegler , 1990 , Die Schweiz wäscht weißer . München
D.Baecker , 1991, Womit handeln Banken ? Frankfurt /M.
H. Pfeiffer , 1993, Die Macht der Banken . Frankfurt
P.Krugman ,2008 , Die neue Wirtschaftskrise . Frankfurt ,Campus
E.A.Swietly & W. Okresek , 2007 , Der Bankkrach .Der große Absturz der Bawag .Wien ,Steinbauer
H.Kreutz & K.Varga , 2006 ,Asphyxiation .Angewandte Sozialforschung Jg.24 , Heft 3/4
H.Kreutz & I.Szelenyi ,2003 ,Wertfreies Forschen und wertrationales Handeln .Erlangen,UB
H.Kreutz , 1996 ,Soziologie des Finanz- und Bankwesens .1.Diskussionsentwurf ,Wien ,
H.Kreutz, (Hg), Formen des Tausches . Opladen , Leske
H.Kreutz , 1975 , Die zeitliche Dimension von Sozialisationsumwelten , in : H.Walter , (Hg) ,Sozialökologie .Stuttgart , Frommann ,S 107 - 150
T. Parsons , 1963 , On the Concept of Influence , Public Opinion Quarterly , Spring . With a commentary by J.S. Coleman and a rejoinder by Parsons
T.Parsons , 1964 , Some Reflections on the Place of Force in Social Process , in : H.Eckstein ,Ed., Internal War . Glencoe , The Free Press
T. Parsons , 1963 ,Philosophical Society , Vol. 107 , No. 3
J.Stiglitz & L. Bilmes , 2008 , Die wahren Kosten des Krieges . Wirtschaftliche und politische Folgen des Irak - Konflikts . München , Pantheon
G.Simmel , 1991 , Philosophie des Geldes . Franfurt /M-
H.-P Müller , 2000 ,Die Macht des Geldes - 100 Jahre "Philosophie des Geldes" , Berliner Journal für Soziologie , Jg.3

Zuordnung im Vorlesungsverzeichnis

Letzte Änderung: Mo 07.09.2020 15:39